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Jenni deckt auf
Unser Gastrokritiker verrät seine Lieblingsbeizen des Jahres

Vini-Al Grappolo in Solothurn 
Kulinarik
Solothurn, 27.11.2024
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In Kürze:
  • Unser Gastrospezialist Martin Jenni verrät uns seine Lieblingsbeizen des Jahres.
  • Darunter ist das Lotti in Zürich, das Vini-Al Grappolo in Solothurn oder das Casanova in Basel.
  • Sein Restaurantführer «800 Mal Aufgegabelt. Beizen, Produkte, Retreats 2025» ist kürzlich in überarbeiteter Neuauflage erschienen.

Mit Wehmut trauere ich – seit mittlerweile 35 Jahren – jeweils den stimmungsvollen Lokalen nach, die sich aus unterschiedlichen Gründen für immer von ihren kulinarischen Gastspielen verabschieden. Oft waren diese für mich ein Stück Heimat.

Gottlob gibt es sie noch – einige mutige Enthusiasten, die mit viel Herzblut und noch mehr Können eine Wirtschaft eröffnen und führen. So auch im vergangenen Jahr. Heute stelle ich Ihnen alte Bekannte von mir vor – und neu entdeckte Beizen. Viel Vergnügen! 

Für alle, wirklich alle: Das Schwert in Thun

Ein Blick ins Lokal reicht, um zu wissen: Alles wird gut. Abends gibts jeweils die Hausklassiker Mistkratzerli und Gnagi.

Ob Sie nun eine verträumte Romantikerin, eine kultivierte Fleischtigerin, bekennender Vegetarier oder ein Schlipsträger sind – das wunderschön gealterte Schwert werden Sie mögen. Es liegt hinter den Arkaden an der Unteren Hauptgasse in Thun.

Schon der Eingang, die Fenster und der Blick ins Innere schaffen Vertrauen, das auch bei den Gerichten nicht verloren geht. Das Angebot zeugt von einem selbstbewussten Koch, von Frische und saisonalem Denken mit gerösteter Mandelsuppe, Markknochen, Brasato von der Rindsschulter oder Kürbisflan auf Baumnusspesto. Die Hausklassiker, Mistkratzerli und Gnagi, gibts abends immer.

Schwert, Thun, www.schwert-thun.net

Unerreichte Normalität im Vini-Al Grappolo in Solothurn

Vini-Al Grappolo in Solothurn 
Kulinarik
Solothurn, 27.11.2024

Gäbe es das Vini nicht, müsste es erfunden werden, das sich in über 30 Jahren zu einer festen Solothurner Institution entwickelt hat. Hier kann man ruhige oder kurzweilige Momente erleben. An milden Tagen haben Gäste den Innenhof oft für sich allein, dann, wenn die Stadt im und am Fluss sitzt.

In der kalten Jahreszeit warten die stimmige Stube, der rubinrot leuchtende Grignolino und die Antipasti-Platte mit Salami, Rohschinken, Mortadella, eingelegtem Gemüse, Käse und Brot mit krachender Kruste auf hungrige Weinfreunde. Unerreichte Normalität, die euphorisch stimmt. Wasser ist gut, Wein im Vini ist besser.

Vini-Al Grappolo, Solothurn, www.algrappolo.ch

Stubete in der Alten Post in Aeugstertal

Eine einmalige Mischung aus Mensch, Atmosphäre, Musik und Raum zum Atmen.

Die Alte Post ist so einfach wie wünschenswert und besticht mit einem Weinangebot, das manch gedrechselter Gourmetküche gut anstehen würde. Sabina und Franz Lehner tischen eine unkomplizierte Küche mit Brot und Anke, Bratwurst und Kartoffelsalat oder geschnetzeltem Rindfleisch mit Rösti auf. Zum Kulinarischen gesellen sich aber auch diverse Konzerte und Stubete, die sehr schnell ausgebucht sind. Das Ganze ist eine einmalige Mischung aus Mensch, Atmosphäre, Musik und Raum zum Atmen. 

Alte Post, Aeugstertal ZH, Pöstliweg 1, 044 761 61 38, keine Website

Engel im Céleste in Vevey VD

Orange Weine und Naturweine und Bistroküche der gehobenen Art im Céleste in Vevey.

Den Tipp gaben mir die Fricktaler «Siider-Boys», die exzellente Apfelweine und Cidres produzieren und selbst in der Romandie ihren Moscht verkaufen. Céleste (die Himmlische) verkörpert die neue Form einer Weinbar, die den Tag mit einem Frühstück eröffnet, bevor es hier nahtlos zum Aperitif wechselt. Mit Weinen, Forellenterrine, Gruyère oder einfach mal mit einem Croque Monsieur der besseren Art.

Worum es aber hier in erster Linie geht, ist das spannende Angebot, das mit zahlreichen Orange Weine und Naturweinen aufwartet. Meine Favoriten im Glas sind unter anderen der Poulsard-Pinot noir der Domaine Labet aus dem französischen Jura oder der Gamay der Domaine Croix-Charnay aus dem Beaujolais. 

Céleste, Vevey VD, www.celeste.bar

Casanova in Basel

Casanova Restaurant am Freitag, 03. Mai 2024 in Basel. © Photo Dominik Plüss

Sara Rohner und Dusan Petkovic haben das Casanova aus der Versenkung geholt und wieder eröffnet. Ab zehn Uhr wartet der Espresso, die eine oder andere süsse Schleckerei oder bereits der gepflegte Frühschoppen. Nach dem Mittagstisch ist Pause, und abends gehts um halb sechs Uhr weiter, am Donnerstag jeweils mit dezentem Klavierspiel.

Verträumte Blicke treffen auf fragende, die Korken knallen, die vollen Gläser leeren sich, und aus der Küche strömen betörende Düfte, die den männlichen Gast zu Herzensbrecher Giacomo Casanovas Bonmot «Jede Frau ist für ein gutes Essen anfällig» hinreissen lassen. Die Küche, die sich an die österreichische, schweizerische und französische anlehnt, ist auf ihrer Höhe mit Ghackets und Hörnli, Kalbsschnitzel Wiener Art und Dorschfilet en papillote. Das Ganze ist ein Ort für entspannte Momentaufnahmen.

Casanova, Basel, www.casanovabasel.ch

Hut ab vor dem Lotti in Zürich

Gastgeberin Anna Zimmermann und Küchenchef Ralf Weber im Lotti in Zürich, in das sich einzukehren lohnt – für einen Espresso,  zum Zmittag, einen Apéro oder zum Znacht, wie Martin Jenni findet.

Der Vater der Wirtin ist Zürichs gastronomisches Urgestein René Zimmermann, dessen Ideen schon immer der Zeit voraus waren. Klar ist auch Lotti ein Erfolg, was aber nichts mit dem Vater zu tun hat, sondern mit Tochter und Gastgeberin Anna Zimmermann und Küchenchef Ralf Weber. Wer auf der Flucht vor dem Alltag ist, findet bei ihnen einen stimmungsvollen Unterschlupf, der von morgens um 9 Uhr (Samstag ab 10 Uhr) bis 23 Uhr geöffnet hat. Es ist eine schöne Einkehr für den schnellen Espresso, unkomplizierten Mittagstisch, beschwingten Aperitif und das königliche Abendmahl. Kurz, die ganze kulinarische Palette wird hier von Dienstag bis Samstag zelebriert, und dies mitten in Zürich, nur einige Meter von der Bahnhofstrasse entfernt. Hut ab für diese aussergewöhnliche Performance. 

Lotti, Zürich, Lotti-lokal.ch

Wiedergeburt im Bsonderig in Stein AR

Kleines Angebot, mit Sorgfalt gekocht: Die Speisen im Restaurant Bsonderig machen – auch wenn sie geteilt werden – dem Gaumen Freude.

Als Sepp Kölbener seinen Sonder schloss, trug die Region Trauer. Das konnten die bekannten Appenzeller Gastronomen Yvonne und Ralph Frischknecht vom Sternen in Bühler nicht mitansehen – und eröffneten vor gut drei Jahren den Sonder als «bSONDERig» wieder, was mehr als nur eine schöne Wortspielerei ist.

Obwohl ich kein Freund von Beizenteilete bin, läuft es hier mehr als gut, was auch mit dem sympathischen Gastgeber Christian Weiler zu tun hat, der kompetent und mit Witz seine Gäste betreut. Das Angebot ist klein, durchdacht, die Gerichte sind von Ralph mit Sorgfalt gekocht und werden ohne zu viel Firlefanz angerichtet. Ob Mostbröckli-Tatar, Rehleber, Kutteln und, und ... kurz, alle Speisen verursachen freudige Gaumentänze. 

Bsonderig, Stein AR, www.bsonderig.ch

«800 Mal Aufgegabelt. Beizen, Produkte, Retreats 2025», 480 Seiten, Weber-Verlag, ca. 39 Franken.

In dieser Rubrik präsentiert der Genussjournalist und Buchautor Martin Jenni einmal im Monat lohnende Restaurants, innovative Hofläden oder schöne Bars. Diesmal seine Lieblingslokale des vergangenen Jahres. Weitere 800 (!) lieb gewonnene Lokale sind in Martin Jennis kulinarischem Guide «Aufgegabelt» zu finden. Die neuste Auflage ist kürzlich erschienen.