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Rentenkompromiss steht – Gewerbeverband stellt sich quer

SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard, Arbeitgeberverbands-Präsident Valentin Vogt und Adrian Wüthrich, Präsident Travailsuisse, informieren über ihre Lösung zur BVG-Reform. Foto: Peter Schneider, Keystone
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Die Reform der beruflichen Vorsorge ist überfällig. Zwei Anläufe sind in Volksabstimmungen gescheitert. Nun haben Arbeitgeberverband und Gewerkschaften einen neuen Vorschlag ausgearbeitet. Primäres Ziel: Der Mindestumwandlungssatz für Löhne zwischen 21'330 und 85'320 Franken soll gesenkt werden.

Da mit dem Umwandlungssatz die Rente bestimmt wird, führt das zu einer Rentenkürzung. Bei einem Vorsorgekapital von 100'000 Franken erhält ein Rentner mit dem heutigen Umwandlungssatz von 6,8 Prozent eine Jahresrente von 6800 Franken.

Der Grund für diesen Schritt: Steigende Lebenserwartung und anhaltend tiefe Zinsen machen es zunehmend schwieriger, den heutigen Mindestsatz von 6,8 Prozent zu finanzieren. Die Folge ist eine Umverteilung des Vorsorgekapitals von aktiven Versicherten zu Rentnern. Gemäss Oberaufsichtskommission berufliche Vorsorge betrug die Umverteilung von 2014 bis 2018 im Jahr durchschnittlich 6,7 Milliarden Franken.

Gewerbeverband schert aus

Dennoch sollen die Leistungen nicht oder zumindest nicht wesentlich gekürzt werden. Die Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter – also die Sozialpartner – sind sich einig, dass die Ausfälle kompensiert werden müssen. Denn andernfalls droht der Vorlage das gleiche Schicksal wie 2010, als das Stimmvolk eine moderate Senkung des Umwandlungssatzes deutlich verworfen hat.

Allerdings gibt es unter den Sozialpartnern unterschiedliche Auffassungen darüber, wie weit diese Kompensation gehen soll. Der Gewerbeverband schert aus und vertritt eine eigene Variante, welche insbesondere Arbeitgeber schonen soll, die mit tiefen Löhnen und Margen arbeiten. Der Arbeitgeberverband, der die grösseren Unternehmen vertritt, und die Arbeitnehmervertreter Travailsuisse sowie Gewerkschaftsbund haben einen Kompromissvorschlag ausgearbeitet, der die Renten besser sichert.

Trägt die Lösung nicht mit: Hans-Ulrich Bigler, Direktor Schweizerischer Gewerbeverband. Foto: Peter Klaunzer, Keystone

Alle Sozialpartner haben ihre Lösung heute Morgen Gesundheitsminister Alain Berset vorgelegt. Sie bitten den Bundesrat, eine Gesetzesänderung zu initiieren, damit die Reform 2021 oder spätestens 2022 in Kraft treten kann.

Fünf Schritte zur Kompensation

Der Vorschlag von Arbeitgeberverband und Gewerkschaft sieht vor, dass der Umwandlungssatz in einem Schritt von 6,8 auf 6,0 gesenkt wird. Um diese Renteneinbusse von fast 12 Prozent zu kompensieren, sieht das Reformpaket folgende Schritte vor:

  • Rentenzuschlag: Zukünftige Rentenbezüger erhalten einen Zuschlag pro Kopf, der als Fixbetrag ausbezahlt wird. Diesen finanzieren die Angestellten und Unternehmen über einen Lohnbeitrag von 0,5 Prozent. Davon profitieren Leute mit tieferen Einkommen und Teilzeitbeschäftigung. Aber auch die sogenannte Übergangsgeneration erhält einen Rentenzuschlag. Dabei geht es um Angestellte, die aufgrund der Reform weniger Vorsorgekapital ansparen können. Es ist von 15 Neurentner-Jahrgängen ab Inkrafttreten der Revision und einem monatlichen Betrag von 100 bis 200 Franken die Rede. Der Gewerbeverband lehnt dies aufgrund der Kosten und aus grundsätzlichen Überlegungen ab. Dies sei eine Umverteilung wie in der AHV. Im Kapitaldeckungsverfahren der zweiten Säule habe das nichts zu suchen.
  • Altersgutschrift: Das sind die Lohnbeiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, die mit dem Alter von 7 bis 18 Prozent steigen. Anstelle von vier Stufen soll es nur noch zwei geben (9 Prozent von 25 bis 44 Jahren und 14 Prozent ab 45 Jahren). Damit wird es für Unternehmen etwas günstiger, ältere Arbeitnehmer einzustellen, da sie für diese weniger Sozialversicherungsbeiträge bezahlen müssen als heute. Der Gewerbeverband will an vier Stufen und höheren Versicherungskosten für ältere Angestellte im Umfang von 18 Prozent festhalten.
  • Koordinationsabzug: Der Koordinationsabzug wird halbiert, was zu einem höheren Altersguthaben führt. In der beruflichen Vorsorge ist nicht der ganze Lohn versichert. Jener Teil, der schon durch die AHV gesichert ist, wird abgezogen. Das ist der Koordinationsabzug. Mit der Reduktion werden die Sparbeiträge für die Altersvorsorge von einer höheren Basis aus berechnet, was zu einem höheren Vorsorgekapital für die Arbeitnehmer führt. Von der Halbierung sollen insbesondere Teilzeitbeschäftigte langfristig profitieren. Der Gewerbeverband warnt vor höheren Kosten in Branchen, die sich mit tiefen Löhnen und knappen Margen über Wasser halten. Bei einer Senkung des Koordinationsabzugs befürchtet er Arbeitsplatzverluste.
  • Zuschüsse aufheben: Heute bezahlt der Sicherheitsfonds Zuschüsse an Arbeitgeber mit vielen älteren Angestellten, weil dies für das Unternehmen eine grössere finanzielle Belastung ist. Der Sicherheitsfonds ist eine Art Rückversicherung für Vorsorgeeinrichtungen. Aufgrund der Korrektur bei der Altersgutschrift erachten Arbeitgeberverband und Gewerkschaften diese für nicht mehr nötig. Der Gewerbeverband sieht hier keine Sparpotenzial. Die Streichung der Zuschüsse münde bloss in eine weitere Umverteilung der Kosten, teilt er mit.
  • Bericht: Der Bundesrat soll unter Einbezug der Sozialpartner mindestens alle fünf Jahre einen Bericht verfassen, in dem auch die Grundlagen zur Bestimmung des Mindestumwandlungssatzes und die Höhe des Rentenzuschlags zu erläutern sind.

Arbeitgeberverband, Travailsuisse und Gewerkschaftsbund kommen zum Schluss, dass mit diesen Elementen Teilzeitbeschäftigte – insbesondere Frauen – und Angestellte mit tieferen Löhnen in Zukunft sogar eine bessere Rente erhalten als heute. Sie sind zuversichtlich, dass auch andere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer keine Leistungseinbussen hinnehmen müssen.

Der Kompromissvorschlag sorge für «ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis» und sei auch «KMU-tauglich», was ein Seitenhieb gegen den Gewerbeverband ist, der für sich in Anspruch nimmt, die KMU zu vertreten.