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Chaos um Rückerstattungen
Reisebüros fordern hohe Strafzahlungen von der Swiss

Die Swiss blieb am Boden, die Reisebüros hatten Mehraufwand: Wer muss ihn am Schluss bezahlen?
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Gleich dreifach wurde die Reisebüro-Branche von der Corona-Krise getroffen: Erstens buchen bis heute deutlich weniger Personen, womit Einnahmen fehlen. Zweitens sollten die einzelnen Unternehmen bereits bezahlte Beträge an die Kunden zurückerstatten, was Liquiditätsprobleme schuf. Und drittens fiel Mehrarbeit an, die die Reisebüros so noch nicht kannten: Sie mussten bei Swiss und Edelweiss Rückerstattungen für Flugtickets in der Höhe von Dutzenden bis Hunderten Millionen einfordern, um das Geld an die Kunden weiterleiten zu können.

Vor der Krise funktionierte das automatisch, ein Klick auf einen Knopf im Internet reichte. Während der Corona-Krise stellte die Swiss auf ein manuelles System um. Sprich: Die Mitarbeiter der Reisebüros mussten jede Rückforderung einzeln bearbeiten und bei der Swiss melden. Dabei ging es um viel Geld und viele Fälle: Allein DER Touristik Schweiz, der Mutterkonzern von Kuoni und Helvetic Tours, betrieb die Swiss im Juni zum Beispiel wegen Ticketrückforderungen von über 4 Millionen Franken.

Hotelplan: «Riesenschaden»

Für diesen zusätzlichen Aufwand wollen die Reisebüros nun von der Swiss entschädigt werden, wie diese Zeitung erfahren hat. «Wir haben wegen der Prozessumstellung der Swiss gratis gearbeitet», sagt Tim Bachmann, CEO von Hotelplan Schweiz. «Das hat uns einen Riesenschaden verursacht.» Bachmann spricht von einem «tiefen sechsstelligen Betrag, den wir von der Swiss nun zurückfordern».

DER Touristik schliesst sich der Forderung an und dürfte einen Betrag in einer ähnlichen Grössenordnung von der Swiss fordern. Sprecher Markus Flick schreibt: «Uns ist durch die Ausserkraftsetzung automatischer Rückerstattungsprozesse erheblicher administrativer Aufwand entstanden, dessen Abarbeitung bis in den Winter andauern wird.» Hinzu komme der Schaden, der durch die verzögerte Rückerstattung – sie ist mittlerweile immerhin erfolgt – entstanden sei. Die Verzögerung war unter anderem dadurch zustande gekommen, dass auch die Swiss die Rückforderungsanträge nach ihrer Prozessumstellung einzeln bearbeiten musste und dafür zu wenig Mitarbeiter hatte. Mittlerweile hat sie Angestellte aus anderen Unternehmensbereichen ins zuständige Servicecenter verlegt.

Wie hoch der Schaden ausfällt, der der Branche durch das Verhalten der Swiss insgesamt entstanden ist, ist schwer zu sagen. Aufgrund der Informationen von Hotelplan und DER Touristik darf man trotzdem davon ausgehen, dass sich die entstandenen Mehrkosten auf mehrere Millionen belaufen. Walter Kunz, Geschäftsführer der Dachorganisation Schweizer Reiseverband, sagt, das Problem reiche weit über die Fälle Hotelplan und DER Touristik hinaus: «Wir gehen davon aus, dass Hunderte kleinere Unternehmen, die über ein System der Internationalen Luftverkehrs-Vereinigung Iata bei der Swiss buchen, zusätzliche Arbeit leisten mussten, um ihr Geld zurückzufordern.» Allerdings gibt es auch Firmen, die sich nicht beklagen. Die Zusammenarbeit mit der Swiss habe funktioniert, schreibt zum Beispiel eine Sprecherin von TUI Schweiz.

Rechtliche Handhabe

Eine Swiss-Sprecherin schreibt, die Forderungen der Reisebüros seien bekannt. Man befinde sich mit den involvierten Parteien im Austausch. «Soweit die Forderungen rechtlich begründet sein sollten, werden wir diesen selbstverständlich Folge leisten.» Sowohl DER Touristik als auch Hotelplan gehen davon aus, dass sie eine rechtliche Handhabe für ihre Forderungen haben.

Dabei stellt sich die Frage, warum die Swiss die Prozesse überhaupt umgestellt hat. Eine Sprecherin schreibt: «Der temporäre Prozess wurde implementiert, um das Anfragevolumen zu kanalisieren und einen fairen Auszahlungsmodus sicherzustellen.» Zudem habe man so Missbrauch verhindern wollen. Viele Privatpersonen und Reisebüros, die monatelang auf ihr Geld warteten, sind dagegen der Meinung, dass die Swiss vor allem ihre Liquidität sicherstellen wollte und darum so lange wie möglich nicht zahlte.

«Die Partnerschaft mit der Swiss hat sich zu unserem grossen Bedauern im bisherigen Verlauf dieses Jahres nicht als krisenfest erwiesen.»

Markus Flick, Sprecher DER Touristik

Vergangene Woche gab die Swiss bekannt, die grosse Mehrheit der Forderungen beglichen und knapp 600 Millionen Franken zurückgezahlt zu haben. Bereits Ende Juli hatte sie die automatisierte Möglichkeit der Rückerstattung wieder zugänglich gemacht.

Trotzdem schreibt DER-Sprecher Flick: «Die Partnerschaft mit der Swiss, aber auch mit anderen Fluggesellschaften hat sich zu unserem grossen Bedauern im bisherigen Verlauf dieses Jahres nicht als krisenfest erwiesen.»