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Diskussion um Plastikabkommen
Wie löst die Menschheit ihr Müllproblem? Eine Studie bietet Antworten

Dirty beach environment from plastic garbage with outdoor low lighting.
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In Kürze:
  • Die weltweite Plastikproduktion könnte sich bis 2060 verdreifachen, mahnt die OECD.
  • Eine Studie zeigt, dass die Müllmenge in der Umwelt um bis zu 91 Prozent sinken könnte.
  • Fachleute kritisieren die unrealistischen Ziele der Studie, wie etwa eine globale Recyclingquote von 40 Prozent.
  • Wer für ein besseres Müllmanagement zahlt, bleibt unklar.

Die weltweite Kunststoffproduktion steigt seit Jahrzehnten stetig an. Mit ihr wächst das globale Müllproblem. Und bislang deutet alles darauf hin, dass es auch in den nächsten Jahrzehnten so weitergeht. Laut einem Bericht der OECD von 2022 könnte sich der weltweite Plastikverbrauch bis 2060 verdreifachen, vor allem befördert durch den wachsenden Wohlstand in ärmeren Ländern.

Damit würde sich die Müllmenge verdreifachen, wovon die Hälfte auf Mülldeponien und nur ein Fünftel im Recycling landen dürfte. 44 Millionen Tonnen Plastik würden laut den Schätzungen unkontrolliert in der Umwelt landen. Der Treibhausgas-Ausstoss der Plastikindustrie wird für 2060 auf 4,3 Gigatonnen CO₂-Äquivalente geschätzt – wenn es weitergeht wie bisher. Zahlreiche weitere Hochrechnungen zeichnen ein ähnliches Bild.

Doch das muss nicht so eintreten. Kommende Woche gehen die Verhandlungen um ein globales Plastikabkommen im südkoreanischen Busan in die letzte Runde. Dort wird vor allem darum gerungen, dieses Szenario abzuwenden.

Im Wissenschaftsjournal Science hat eine Arbeitsgruppe um den Biologen Douglas McCauley von der University of California in Berkeley jetzt anhand von Modellrechnungen gezeigt, dass sich die Müllmenge in der Umwelt gar um 91 Prozent verringern lassen könnte.

Die Studie legt aber auch dar: Läuft alles weiter wie gehabt, wird sich die Menge des Plastikmülls in der Umwelt bis zum Jahr 2050 verdoppeln. Die bereits heute nicht mehr kontrollierbare Müllflut würde sich noch verstärken.

Wer das bessere Müllmanagement bezahlen soll, ist offen

Das Autorenteam hat durchgerechnet, welchen Effekt acht Massnahmen, die neben anderen in Busan diskutiert werden, auf die Menge des Plastikmülls in der Umwelt haben könnten. So untersuchten sie zum Beispiel die Wirkung strengerer Recyclingquoten, eines besseren Müllmanagements, von Verpackungssteuern und einer Höchstmenge für die Neuplastik-Produktion. Sie berechnete die Folgen sowohl jeder Massnahme für sich als auch in Kombination miteinander.

Demnach hätte eine globale Recyclingquote von 40 Prozent den grössten Einfluss auf die Müllmenge. Diese würde sich damit laut den Modellrechnungen halbieren. Die Folgen anderer Steuerungsmassnahmen kämen hinzu.

Fraglich ist, wie realistisch das ist. Eine Reihe von Ländern werden sich in Busan voraussichtlich gegen eine Höchstmengenregelung stellen, weil sie von der Plastikproduktion profitieren. Auch die anderen Steuerungsinstrumente werden heftig diskutiert werden, genauso wie die Frage, wer das bessere Müllmanagement und Recycling finanzieren soll.

Fachleute sind irritiert

Aber auch jenseits der absehbaren Widerstände bei den Verhandlungen sind Fachleute von einigen Aspekten der neuen Untersuchung irritiert. Bereits die 40 Prozent Recyclingquote über alle Sektoren hinweg erscheint wenig realistisch. Die EU sei in diesem Bereich Vorreiter, aber nicht einmal sie erreiche diesen hohen Wert, sagte Catharina Bening, Leiterin der Arbeitsgruppe für Nachhaltigkeit und Technologie an der ETH Zürich, dem Science Media Center (SMC). Dieses unrealistische Ziel könne eine «irreführende Botschaft» senden. Andere Berechnungen sehen in einer Produktionsobergrenze den stärksten Hebel im Kampf gegen den Müll.

Allerdings gibt Bening zu bedenken, dass auch in der Diskussion um das Plastikabkommen derzeit vor allem über die Wiederverwendung und nicht über eine Reduktion gesprochen wird – das dürfte Hersteller freuen. Bening kritisiert zudem, dass weitere zentrale Punkte der aktuellen Debatte, die Auswirkungen der Plastikverschmutzung und des allgegenwärtigen Mikroplastiks auf Umwelt und Gesundheit, in der Studie keine angemessene Rolle spielen. Diese gelten jedoch als Schlüsselelemente für die Verhandlungen.

ISTANBUL, TURKEY - JUNE 27: Turkish world record-holder free-diver and divers of the Underwater Federation Sahika Encumen dives amid plastic waste in Ortakoy coastline to observe the life and pollution of Bosphorus in Istanbul, Turkey on June 27, 2020. Sahika Encumen, announced as âLife Below Water Advocate❠by United Nations Development Program (UNDP) Turkey, this time dives in to raise awareness on plastic pollution. (Photo by Sebnem Coskun/Anadolu Agency via Getty Images)

Auch Doris Knoblauch, Koordinatorin der Arbeitsgruppe Plastik am Ecologic Institute in Berlin, kritisiert laut SMC grundlegende Teile der neuen Studie. Zurzeit würden weltweit nur etwa 10 Prozent des Plastiks recycelt. Das liege zwar auch daran, dass die Infrastruktur für das Sammeln und Trennen des Mülls fehle.

Es liege «aber eben auch daran, dass wir noch nicht die technischen Möglichkeiten haben, diverse Kunststoffe zu recyceln und im Kreislauf zu führen». Einige Studien zeigten, dass sich zum Beispiel durch Recycling toxische Chemikalien in Kunststoffen anreichern.

Dennoch sei die Studie wichtig und hilfreich, sowohl für die wissenschaftliche als auch für die politische Debatte. Erstens, weil sie nochmals zeige, dass eine Reduktion der primären Plastikproduktion direkt zu einer Reduktion der Plastikverschmutzung beiträgt.

Und zweitens zeige die Modellierung, welche Massnahmen wie viel bringen würden, «also auch, dass wir dringend den Fokus auf recycelte Materialien legen müssen – aber eben nicht nur: Die Reduktion der Plastikproduktion gehört unbedingt auch dazu».

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