Rechtliche FolgenEin Emoji kann teuer zu stehen kommen
Leichtfertig verschickte Online-Bildschriftzeichen können schwerwiegende Folgen haben. Das zeigen Gerichtsurteile aus dem In- und Ausland.
Ein spontan verschicktes Emoji mit Daumen nach oben kann richtig viel Geld kosten. Ein Gericht hat deswegen kürzlich einen kanadischen Bauern zu einer Schadenersatzzahlung von umgerechnet 55'000 Franken verknurrt. Ein solches Urteil ist auch in der Schweiz möglich.
Doch der Reihe nach: Im Fall, der international Schlagzeilen machte, geht es um den Bauern Chris Achter aus der kanadischen Provinz Saskatchewan. Im Frühling 2021 besprach er am Telefon mit einem Getreidehändler die Lieferung von 86 Tonnen Flachs, das etwa zur Herstellung von Leinen verwendet wird. Der Getreidehändler setzte einen Vertrag auf, unterzeichnete das Papier und schickte ein Foto davon an Chris Achter. Dies mit der Aufforderung, den Vertrag zu bestätigen.
Die Lieferung bleibt aus
Chris Achter beantwortete dies umgehend mit einem Daumen-nach-oben-Emoji. Gemäss Vertrag sollte die Lieferung im Herbst erfolgen. Doch der Getreidehändler wartete vergeblich. Bauer Achter verweigerte die Lieferung mit der Begründung, dass gar kein Vertrag zustande gekommen sei. Mit dem Daumen habe er einzig den Erhalt des Papiers bestätigt.
Der Getreidehändler klagte auf Schadenersatz für die ausgebliebene Lieferung. Im darauffolgenden Verfahren setzten sich die Richter mit der Bedeutung dieses Daumen-Emojis auseinander. Sie kamen zum Schluss, dass dies durchaus als Zustimmung verstanden werden kann.
Bereits ähnliche Vereinbarungen getroffen
Dabei spielte die Vorgeschichte eine Rolle. Der Getreidehändler wies darauf hin, dass Bauer Chris Achter schon mehrmals mit kurzen Rückmeldungen wie «Ok» oder «Yup» eine Anfrage bestätigt und anschliessend die Ware geliefert habe. Zudem lag offenbar ein finanzielles Motiv vor: Der Flachspreis hatte sich von Frühling bis Herbst innerhalb weniger Monate mehr als verdoppelt. Deshalb verlangte Chris Achter einen höheren Preis als im Frühling besprochen.
Vergeblich warnte der Anwalt des Lieferanten davor, Emojis die gleiche rechtliche Bedeutung einzuräumen wie einer Unterschrift unter einen Vertrag. So müssten sich die Gerichte in Zukunft auch mit vielen weiteren Emojis auseinandersetzen und deren Bedeutung von Fall zu Fall interpretieren, argumentierte er.
Emojis beschäftigen zunehmend Gerichte
Doch das ist längst Realität. Die Zahl der Verfahren, in denen Emojis eine Rolle spielen, nimmt zu. In verschiedenen Ländern – auch in der Schweiz – liegt eine Reihe von Urteilen vor, in denen Richterinnen und Richter die Bedeutung von Emojis interpretieren und in die Urteilsfindung einfliessen liessen.
«Es gibt zunehmend alternative Vertragsabschlüsse, die vom klassischen schriftlichen Vertrag mit Unterschriften abweichen», sagt Rechtsanwalt Ueli Grüter, der sich als Dozent an der Hochschule Luzern schwerpunktmässig mit digitalem Recht beschäftigt. Dass Verträge auch per Emoji abgeschlossen und verbindlich werden können, steht für ihn ausser Frage.
«Die gegenseitige übereinstimmende Willenserklärung kann mit einem Daumen-Emoji erfüllt sein.»
Die meisten Verträge seien ohnehin formlos gültig, erläutert Grüter. «Entscheidend ist die gegenseitige übereinstimmende Willenserklärung.» Und diese könne durchaus mit einem Daumen-nach-oben-Emoji erfüllt sein.
Gericht muss Umstände berücksichtigen
Martin Steiger, Anwalt für Recht im digitalen Raum, verweist aber auch auf einen grösseren Interpretationsspielraum: «Ein Gericht muss die Umstände berücksichtigen und jeden Fall individuell beurteilen.» Denn beteiligte Personen können einem Emoji unterschiedliche Bedeutung beimessen.
Mehrere Urteile – teilweise vor Bundesgericht – zeigen, dass die Richter die jeweiligen Umstände berücksichtigen. In der Regel waren Emojis nur einer von mehreren Faktoren, die zu einem Urteil beigetragen haben.
Die Vorgeschichte oder ältere Chatverläufe geben Anhaltspunkte, wie ein Emoji im konkreten Fall zu verstehen ist. Im Fall des Bauern Chris Achter waren es frühere Vereinbarungen, die den Schluss zuliessen, dass der Daumen eine Zustimmung bedeutet.
Schriftlicher Beleg erhöht die Beweiskraft
Wie Martin Steiger erläutert, ist die rechtliche Beurteilung von Emojis zwar ein vergleichsweise junges Phänomen, doch für ein Gericht mache das grundsätzlich keinen Unterschied zu klassischen Meinungsdelikten. So gibt es ebenfalls einen gewissen Interpretationsspielraum, wenn jemand einer anderen Person den Mittelfinger zeigt. Im Unterschied dazu erfolgt das Emoji allerdings schriftlich, was im Streitfall die Beweiskraft vor Gericht deutlich erhöht.
Bemerkenswert ist das Urteil eines israelischen Gerichts von 2017. Eine Interessentin reagierte begeistert auf eine Wohnungsanzeige. «Am Haus interessiert», schrieb sie dem Vermieter und ergänzte die Nachricht mit Emojis einer Champagnerflasche, eines Siegeszeichens und tanzender Frauen. Deshalb stoppte der Vermieter die Anzeige. Doch die Interessentin wollte nichts mehr von der Wohnung wissen.
Die Richter werteten die Emojis als täuschende Absicht. Der Vermieter habe davon ausgehen können, dass es bald zu einem Vertragsabschluss komme. Die Frau musste einen Schadenersatz bezahlen.
Gefängnis wegen Pistolen-Emoji
Nicht nur im beruflichen, sondern auch im privaten Austausch können Emojis rechtliche Folgen haben. So verurteilte schon 2016 ein Strafgericht im französischen Valence einen Mann zu einer Freiheitsstrafe, nachdem er seiner Ex-Freundin Pistolen-Emojis geschickt hatte. Das Gericht interpretierte dies als Todesdrohung. Der Täter teilte der Frau schon vorher mündlich mit, dass er sie töten wolle.
Die beschriebenen Beispiele bedeuten nicht, dass Gerichte in ähnlichen Fällen gleich entscheiden. Sie illustrieren einzig, dass spontan verwendete Emojis je nach Umständen rechtlich schwerwiegende Folgen haben können – auch in der Schweiz.
Das gilt nicht nur für Emojis, sondern auch für Likes auf sozialen Medien. So macht sich allenfalls mitschuldig, wer die ehrverletzende Aussage einer anderen Person likt, teilt oder weiterverbreitet. Anwalt Ueli Grüter verweist auf entsprechende Schweizer Gerichtsurteile. Demnach wird beispielsweise die Weiterverbreitung einer üblen Nachrede als eigenständige Straftat qualifiziert. Auch ein Like oder ein «Gefällt mir»-Symbol kann zur weiteren Verbreitung beitragen.
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