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Neue Staffel von «Reacher»
Der sensible Killer

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In der zweiten Staffel von «Reacher» wird der Held der Serie mit seiner Vergangenheit konfrontiert. Wie er herausfindet, wurden Freunde seiner früheren militärischen Einheit aufgespürt, gefoltert und umgebracht, einer nach dem anderen. Also macht sich Jack Reacher mit den Überlebenden daran, die Mörder seiner Freunde aufzuspüren, die Verschwörung dahinter aufzudecken, alle Zuständigen zu liquidieren und am Ende weiterzuziehen, wie er gekommen war: allein, verschlossen, unabhängig. Ein Westernheld ohne Ross.

Jack Reacher ist Anfang vierzig, ein schweigsamer Killer mit moralischen Überzeugungen. Er wurde als Sohn eines Berufsoffiziers und einer Französin in Berlin geboren und überall auf der Welt aufgezogen, worauf er ebenfalls eine Armeekarriere absolvierte. Reacher diente während Jahren als Militärpolizist, auch bei gefährlichen Einsätzen im Libanon und im Irak. Er war bekannt für seine Unerschrockenheit und wurde mehrfach ausgezeichnet. Schliesslich wurde er im Rang eines Majors ehrenvoll entlassen, im Grunde aber weggespart. Diese Kränkung wird er nie verwinden.

Und trotzdem wird er sofort aktiv, als er von seinen toten Freunden erfährt. Was wussten sie alles gemeinsam, deretwegen sie sterben mussten?

Gibt den schweigsamen und einsamen Streuner: Alan Ritchson als Jack Reacher.

Ein zwei Meter grosser Ex-Militär und Herumtreiber in der Hauptrolle, der gerne Bluesmusik hört, als Mechaniker der Gewalt durch den Kontinent knirscht und alle Bösen tötet: Das reicht als Figur noch nicht, um eine dermassen erfolgreiche Fernsehserie zu inspirieren, die von Millionen gesehen wurde und auch die Kritik in die Begeisterung trieb. Eine solche Figur reicht erst recht nicht, um Buchverkäufe von über 100 Millionen Exemplaren auszulösen. «Flughafenliteratur» nennen jene Leute diese Art von Romanen, die keine Ahnung vom Schreiben haben. Lee Child hat mehr als eine Ahnung.

Der Autor schreibt pantherhaft elegant

Reacher ist die fiktive Figur von Lee Child, dem nach Amerika dislozierten ehemaligen Fernsehmann aus der englischen Industriestadt Birmingham. Beim Fernsehen und in brillanten Serien mit Helen Mirren hatte er gelernt, was er als Krimiautor und in seinen bislang 27 – und millionenfach verkauften – Reacher-Romanen zur Meisterschaft getrieben hat: Der Schriftsteller ist, darin dem Charakter seiner Hauptfigur ähnlich, ein Stoiker des Stils.

Er schreibt in kurzen, auf maximale Handlung ausgerichteten Sätzen, rhythmisch hypnotisch, stilistisch lakonisch und doch pantherhaft elegant. Bei der Beschreibung von Figuren und Orten, in der Wiedergabe der Dialoge erreicht Lee eine fast hyperreale Präsenz. Bei ihm ist kein Wort zu viel. Damit setzt der Autor um, was der brillante Raymond Chandler, auch er ein Engländer in Amerika, früh als das Dilemma des Schreibens erkannt hatte: «To achieve subtlety without losing power» – Subtilität zu entwickeln, ohne an Kraft einzubüssen.

Szene aus der zweiten Staffel von «Reacher».

Kennen gelernt haben wir Jack Reacher (Alan Ritchson) in der schläfrigen Kleinstadt Margrave im Südstaat Georgia. Das war in der ersten Staffel der Serie gewesen, die im Februar 2022 aufgeschaltet worden war. Reacher reist darin mit dem Greyhound in die Stadt, um einen toten Bluesmann zu ehren. Arthur Blind Blake hiess der, ein virtuoser Gitarrist mit einer tiefen, sehnsüchtigen Stimme.

Weil aber keiner diesem Fremden den Blues abnimmt und in der Nacht zuvor ein Unbekannter am Stadtrand erschossen wurde, wird Jack Reacher von der lokalen Polizei verfolgt, verhaftet, eingesperrt und befragt.

Referenz an die Schwarzen aus den Südstaaten

«Killing Floor» hiess die erste Staffel dieser grossartigen «Prime»-Fernsehserie. Sie ist benannt nach dem ersten von Childs Reacher-Romanen. Der Titel des Romans passt zu einem Bluesfan, wie Reacher es ist; denn er verweist auf das gleichnamige Stück von Howlin’ Wolf. Der «Killing Floor» ist drastischer Bluesslang für «ganz am Boden sein». Indirekt spielt der Titel auf die Arbeit der Schwarzen aus den Südstaaten an, die seit den Zwanzigerjahren in den Norden migrierten, um in den grossen Schlachthöfen von Chicago zu arbeiten.

Jack Reacher, der sensible Killer, verkörpert die geradezu archetypische Figur des amerikanischen Detektivs, wie sie Raymond Chandler, Dashiell Hammett und andere entwickelt haben. Es sind einsame Typen jenseits des Gesetzes, unerschrocken und desillusioniert, vermutlich depressiv und mit einem Hang zum Töten aus einem selbstdefinierten Gerechtigkeitsgefühl heraus.

Diese Art von rechtlosen Moralisten geht auf den amerikanischen Western zurück, während der Westernheld eine Säkularisierung des Siedlers der Eroberungsjahre darstellt: Ein wettergegerbter Mann, der das fremde Land erkundet und gegen Raubtiere, Kälte, Hunger, Seuchen und Eingeborene kämpft.

Aber wie Lee Child in Interviews ausgeführt hat, findet sich die Figur schon in den mythischen Erzählungen europäischer Länder, die um Jahrhunderte zurückgehen. Und weil Child so wirksam effizient schreiben kann, hat er Fans, die man nicht erwartet hätte. Der ehemalige amerikanische Präsident Bill Clinton gehört zum Beispiel dazu, ebenso der kanadische Soziologe Malcolm Gladwell. Er zieht in einem Essay die offensichtliche Analogie solcher Ermittler mit dem Westernhelden, wie er von Clint Eastwood meisterhaft verkörpert wurde.

Was Lee Child von Raymond Chandler unterscheidet: Sein Reacher mag ähnlich einsam sein und edel in seiner Gesinnung. Aber Reacher ist kein angetrunkener Romantiker, sondern eine Killermaschine, die lieber handelt als zu reflektieren. Bei ihm geht es um Physik, nicht um Psychologie, um Schwerkraft und nicht um Schwermut.

«Reacher» auf Amazon Prime