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«Maestro» von Bradley Cooper
Der Film über Leonard Bernstein ist packend – doch etwas enttäuschend

This image released by Netflix shows Carey Mulligan as Felicia Montealegre, right, and Bradley Cooper as Leonard Bernstein in a scene from "Maestro." (Jason McDonald/Netflix via AP)
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Nach einem shitstormstarken Vorspiel folgt nun also endlich der Film zur Nasenprothese. «Maestro», Bradley Coopers opulentes Biopic über den begnadeten Dirigenten und Komponisten Leonard Bernstein, hatte im Netz schon vorab Heiterkeit und Wut ausgelöst. Der Anlass: die bereits auf Fotos und in Trailern kaum zu übersehende Bernstein-Nase, die sich Regisseur und Hauptdarsteller Cooper für seinen Film ins hübsche Hollywoodgesicht hat modellieren lassen.

Nachdem das Internet des Zinkens ansichtig geworden war, war von «Jewfacing» die Rede. Cooper, so der Vorwurf, bediene antisemitische Stereotype, wenn er sich als nicht jüdischer Schauspieler eine solche Nase anspachteln lasse.

Hätte man damals schon geahnt, welch unfassbare Welle an Antisemitismus in der Folge der Terrorattacke auf Israel um die Welt gehen würde, wäre einem bei dieser Posse das Lachen im Halse stecken geblieben. Immerhin besänftigten Bernsteins Kinder die Angelegenheit sympathisch und humorvoll. Die drei standen den Filmemachern schon in der Projektentwicklung beratend zur Seite und veröffentlichten ein gemeinsames Statement, in dem sie ihnen ihre volle Unterstützung zusicherten: Sie seien «komplett einverstanden» mit der Prothese. Und auch ihr Vater hätte sich daran bestimmt nicht gestört, denn er habe nun mal «eine schöne, grosse Nase» gehabt.

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Leonard Bernstein hat das amerikanische Showgeschäft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts geprägt wie nur wenige andere US-Künstler. 1943 durfte er im zarten Alter von 25 Jahren für den erkrankten Chefdirigenten des New York Philharmonic Orchestra in der Carnegie Hall einspringen. Er nutzte seine Chance und wurde fast über Nacht zum Star. Sein Konzert (Schumann, Wagner), das er ohne eine Probe mit dem Orchester absolvierte, wurde landesweit im Radio übertragen. Die «New York Times» bejubelte sein Debüt am Folgetag auf der Titelseite.

Bernsteins Klassik-Engagements führten ihn im Anschluss um die ganze Welt. Weil er aber auch für legendäre Musicals («West Side Story») und Hollywoodfilme («Die Faust im Nacken») Musik komponierte und weil er auch als Mensch und Partytiger eine schillernde Gestalt war, wurde Bernstein ein richtiger Popstar.

Bernstein hatte viele Affären mit Männern

Deshalb stand ein Film über sein Leben in Hollywood natürlich schon länger auf der Agenda. Zunächst hatte Martin Scorsese Interesse, dann war eine Zeit lang Steven Spielberg mit dem Stoff beschäftigt – beide haben den Film jetzt auch produziert. Spielberg wählte auch schon Bradley Cooper als Hauptdarsteller aus und überliess ihm schliesslich den Regieposten, nachdem er das Regiedebüt des Schauspielers gesehen hatte: Mit dem Remake von «A Star Is Born» hatte Cooper 2018 einen Hit und wurde für mehrere Oscars nominiert.

Jetzt also: Mission Bernstein. «Maestro» ist eine Produktion von Netflix, der Film läuft ab dem 7. Dezember aber erst mal kurz im Kino, bevor er vom 20. Dezember an bei dem Streamingdienst zu sehen ist.

Was ihn an Bernstein neben seiner Kunst am meisten fasziniere, sagte Cooper, sei dessen Liebesleben. Genauer gesagt: «Lennys sexuell-fluide Persönlichkeit». Der Musiker hatte zeit seines Lebens viele Affären mit Männern. Seine grosse Liebe aber war Felicia Montealegre, seine Ehefrau und die Mutter seiner Kinder. Er war von 1951 bis zu ihrem Krebstod 1978 mit der chilenischstämmigen Schauspielerin verheiratet, die im Film von Carey Mulligan gespielt wird.

«Lennys sexuell-fluide Persönlichkeit» reizte Bradley Cooper an der Figur Bernstein.

Wie sie sich im Zigarettennebel und Whiskeydunst der New Yorker Künstlerszene der frühen Fünfziger kennen lernten und wie sie eine mehr als komplizierte Ehe führten, diese Geschichte steht im Mittelpunkt des Films. Gut, die Nase steht qua Grösse auch im Mittelpunkt des Films. Cooper sieht damit wirklich beeindruckend bernsteinig aus. Wie sich das Saufen und Rauchen und überhaupt das ganze vermaledeite Leben nach und nach in diese immer poröser werdende Nase einfräsen, da müsste es schon mit dem Teufel zugehen, wenn es dafür nicht den Oscar fürs beste Make-up gäbe.

Überhaupt ist die ganze Ausstattung fulminant, Kostüme, Kulissen, für zwei Stunden wird man noch mal richtig geschluckt von diesem merkwürdig fremd gewordenen vergangenen Jahrhundert, während die Fünfziger, Sechziger und Siebziger am Zuschauerauge vorbeiziehen. Unterlegt natürlich grösstenteils mit der Originalmusik des Protagonisten. Und um das Rauschen der Zeit noch plastischer zu machen, verwendet Cooper verschiedene Bild- und Farbformate, die zur jeweiligen Handlungszeit einst das Kino dominiert haben: Der Film beginnt nah am Quadrat und in Schwarz-Weiss, bevor nach und nach die Farbe und das Breitwandformat Einzug halten.

Kunst als Ausrede für die Egomanie eines Mannes

Auf einer rein sensorischen Ebene ist das alles sehr überwältigend, und kein Zuschauer muss sich schämen, wenn er deshalb zufrieden und gesättigt das Kino oder die Couch verlässt. Trotzdem wird man im Laufe dieses Films das Gefühl nicht los, dass Cooper mit all seinen perfekt inszenierten Zaubertricks ein wenig zu kaschieren versucht, dass seine Story nicht allzu weit trägt.

Denn im Kern geht es zumindest in dieser Version der Lebensgeschichte Bernsteins nur einmal wieder um einen egomanischen Künstler, der seine Kunst als Ausrede verwendet, um seine Bedürfnisse über die seiner Frau zu stellen. Aus dieser eher schlichten, hundertfach durchgenudelten Prämisse lässt sich kein rechter dramaturgischer Spannungsbogen stricken. Die Conclusio: Bernstein tat plötzlich alles leid, als seine Frau unheilbar an Lungenkrebs erkrankte.

Carey Mulligan spielt diesen Niedergang zwar herzzerreissend. Aber ein etwas schales Ende ist es dennoch. Der Film-Bernstein braucht seine Frau als Rahmenhandlung für sein Leben. Und der Film braucht Bernsteins Frau als Haupthandlung, weil den Machern zum Künstler Bernstein leider nicht mehr einfällt als das verschwitzte Dirigentengezappel vor grossem Publikum. Das ist für zwei Stunden Filmbiografie doch ein bisschen wenig.

Maestro, USA 2023 – Regie: Bradley Cooper. Buch: Josh Singer, Bradley Cooper. Kamera: Matthew Libatique. Mit: Bradley Cooper, Carey Mulligan, Maya Hawke, Sarah Silverman. Netflix, 129 Minuten. Kinostart: 7. Dezember; Streamingstart: 20. Dezember.