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Radiostudio Bern: Nur jeder Fünfte will den Umzug mitmachen

Wenig Vertrauen in die Führung, schwächere Identifikation mit dem Arbeitgeber: Mitarbeiter im SRF-Radiostudio Bern.
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Als die neue SRF-Chefin Nathalie Wappler letzte Woche erstmals nach ihrem Amtsantritt das Radiostudio Bern besuchte, wurde sie von den Mitarbeitenden schon im Voraus darüber informiert, wie es um die Stimmung im Hauptstadt-Studio von Schweizer Radio und Fernsehen steht: Die Vertreter des SSM (Schweizer Syndikat Medienschaffender) in der SRF-Redaktion hatten im März eine Mitarbeiterbefragung durchgeführt, an der sich 169 von 220 angeschriebenen Angestellten beteiligt haben. Befragt wurden die Mitarbeiter von Radio SRF sowie des Produktionszentrums TPC.

Grund für die Umfrage war der Beschluss des SRG-Verwaltungsrats vom September 2018, das Radiostudio Bern mit seinen 180 Vollzeitstellen an den Hauptsitz in Zürich zu verlegen. Dagegen gab es laute Proteste von den Mitarbeitenden sowie von der Politik. Nun wollte die Gewerkschaft wissen, wie die Berner Belegschaft von SRF heute darüber denkt und wie es um die Stimmung und Motivation bestellt ist.

Das Ergebnis ist vernichtend: Viele Mitarbeitende wollen die Zügelaktion gar nicht mitmachen. 38 Prozent der Befragten geben an, sich intern oder extern nach einer anderen Stelle umzusehen, sich weiterzubilden oder pensionieren zu lassen. Gut ein Drittel wartet ab, welche Stelle zu welchen Konditionen ihnen SRF anbieten wird. Nur 22 Prozent derjenigen, die sich an der Umfrage beteiligt haben, wissen jetzt schon, dass sie pendeln oder nach Zürich ziehen werden. «Wir gehen davon aus, dass diese Aussagen glaubhaft sind», heisst es in der Zusammenfassung. Die Teilnehmer hätten sonst die Möglichkeit gehabt, «Ich warte mal ab» zu wählen.

Wenig Vertrauen in die Führung

Im April 2018 haben 177 Mitarbeitende des Berner Radiostudios in einem Brief an den SRG-Verwaltungsrat ihre Ablehnung gegenüber den Umzugsplänen kundgetan. Über die Hälfte der Befragten ist heute noch vehement dagegen. Drei Viertel von ihnen können die Argumente des SRF-Managements für den Umzug nicht nachvollziehen. Diese lauten, der Umzug sei aus Spargründen sowie wegen der digitalen Weiterentwicklung notwendig. Ausserdem trauen die meisten Befragten den Managern nicht zu, dass der Umzug rücksichtsvoll und professionell über die Bühne gehen werde. Drei Viertel sind dieser Ansicht.

Mehr als die Hälfte beurteilt die publizistische Leitung als mangelhaft: Die Chefredaktion sei oft abwesend, sie delegiere Führungsaufgaben an die Chefs vom Dienst und habe den journalistischen Alltag nicht im Griff. Drei Viertel geben an, grundsätzlich wenig Vertrauen in die Chefredaktion zu haben. Auch die Identifikation mit dem Unternehmen, die bei SRG-Einheiten gemäss früheren Mitarbeiterumfragen tendenziell hoch ist, hat bei den Mitarbeitern des Berner Radiostudios gelitten. 77 Prozent geben an, sie identifizierten sich seit dem Umzugsentscheid im September weniger stark mit SRF.

Radiochefin Lis Borner antwortet auf die Frage, ob sich SRF diesen voraussichtlichen Verlust an Wissen leisten könne, nicht persönlich. Sie sei heute schlecht erreichbar, sagt SRF-Sprecherin Andrea Wenger, und antwortet an Lis Borners Stelle: In persönlichen Gesprächen zeige sich, dass es ganz unterschiedliche Stimmungen gegenüber dem Umzugsprojekt gebe – die einen wünschten sich sogar einen rascheren Umzug nach Zürich. «Die Chefredaktion setzt alles daran, so viele Mitarbeitende wie möglich mitzunehmen.» Zur Kritik an der Chefredaktion räumt Andrea Wenger ein, dass sich die Sparmassnahmen vom vergangenen Jahr und die Reduktion von einer Person in der Chefredaktion im Alltag bemerkbar machten. Die Chefredaktion prüfe derzeit, wie sie die Präsenz im Radiostudio Bern im Alltag erhöhen könne. Dass die Umbruchsituation die Mitarbeitenden verunsichere, sei verständlich. «Es spricht für die Professionalität von Mitarbeitenden, dass am Sender davon nichts hörbar ist.»

Nationalrat entscheidet im Mai

Die SRG ist jetzt schon an der Planung des Umzugs. Noch sind allerdings im Parlament Vorstösse pendent, die der SRG die Zentralisierung der Radio- und TV-Produktion untersagen sollen. Sechs gleichlautende parlamentarische Initiativen, eingereicht von den Parteipräsidenten von den Grünen bis zur SVP – mit Ausnahme von FDP und Grünliberalen –, wollen das Gesetz dahingehend ändern. Die nationalrätliche Fernmeldekommission hat die Initiativen im Januar mit 14 zu 10 Stimmen abgelehnt. Der Nationalrat entscheidet voraussichtlich in der Sondersession Anfang Mai darüber.

Regula Rytz, eine der Initiantinnen der parlamentarischen Vorstösse, gibt sich besorgt über die Entwicklung im Berner Studio. «Die Radioprogramme geniessen bei der Bevölkerung eine hohe Glaubwürdigkeit. Es ist fahrlässig, dieses Vertrauen aufs Spiel zu setzen.» Wenn gute Journalisten das Radio verlassen würden, gefährde dies die über Jahrzehnte aufgebaute Qualität. Das sei nicht im Interesse der Gebührenzahlenden, sagt Rytz. Sie hoffe deshalb, dass der Nationalrat die parlamentarischen Initiativen überweise.

Kantone pochen auf politisches Zentrum

Das Lobbying im Hinblick auf den Nationalratsentscheid dauert an: Der Berner Stadtpräsident Alec von Graffenried hat die neue SRF-Direktorin Nathalie Wappler in einem Brief aufgefordert, mit den Vorbereitungen für den Umzug zu warten, bis die Räte abschliessend über die Initiativen entschieden haben. Das ging aus einer Anfrage im Berner Gemeinderat hervor, wie Persoenlich.com berichtete.

Und die Hauptstadtregion Schweiz, ein Verbund der Kantone Bern, Freiburg, Neuenburg, Solothurn und Wallis, hat sich Mitte März in einem Brief an die Nationalräte gewandt. Die Unterzeichner bitten die Parlamentarier darum, der Gesetzesänderung zuzustimmen. Sendungen wie das «Echo der Zeit», das «Rendez-vous» mit dem Tagesgespräch, SRF News, SRF Wirtschaft, die Auslandkorrespondenten und die Radionachrichten gehörten zu den Flaggschiffen der politischen Information in der Schweiz. Diese Information gehöre in die Hauptstadtregion, ins politische Zentrum. Die Hauptstadtregion hätte nach der Zügelaktion kein publizistisches Entscheidungszentrum mehr, schreiben sie.

Umzug erst 2022?

Nathalie Wappler indessen hat der Berner Belegschaft mitgeteilt, dass sie hinter dem Umzugsentscheid stehe. Das sagte sie schon im vergangenen November, kurz nach ihrer Ernennung zur SRF-Chefin, in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag»: Sie teile die staatspolitischen Bedenken bezüglich der Kohäsion im Land nicht: Die Inlandredaktion werde in Bern bleiben, und das Korrespondentennetz werde sogar noch gestärkt.

Nur die Modalitäten des Umzugs, sagte Wappler bei ihrem Antrittsbesuch in Bern, werde sie von einem publizistischen Konzept abhängig machen, das derzeit in Arbeit ist. Und das Studio werde wohl nicht wie geplant schon im kommendem Jahr gezügelt, sondern vielleicht erst 2022, liess sie durchblicken.