Gas gegen RubelPutins Rubel-Trick könnte sich für ihn als Eigentor entpuppen
Der russische Präsident setzt den Westen mit seiner Ankündigung, Gas nur noch gegen Rubel zu verkaufen, mächtig unter Druck. Ob er diesen Machtpoker am Ende gewinnen kann, ist aber völlig offen.

Wladimir Putin hatte sich eine kleine Erzählung zurechtgelegt, um die Weltöffentlichkeit an den Hintergründen seiner brisanten Ankündigung teilhaben zu lassen. Es sei ja bekanntlich so, erklärte der Kreml-Chef bei einer Videokonferenz mit seinen Ministern, dass der Westen zuletzt in grossem Stil russische Auslandsguthaben in Euro und Dollar eingefroren habe. Damit hätten Europäer und Amerikaner das Vertrauen in ihre eigenen Währungen zerstört.
Ihm, Putin, so die Botschaft, bleibe im Grunde kaum eine andere Wahl, als Gaszahlungen «unfreundlicher Staaten» künftig nur noch in einer Währung zu akzeptieren, auf deren Stabilität man sich verlassen könne: dem Rubel.
Man tritt dem russischen Kriegsherrn wohl nicht zu nahe, wenn man leise bezweifelt, dass er diese doch recht abenteuerliche Herleitung tatsächlich selbst glaubt. Wahrscheinlicher ist, dass nach seinen Kontrahenten in Washington, Brüssel und Berlin nun auch Putin erkannt hat, wie gut sich weltweite Geldströme und gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeiten eignen, um sie im Konflikt um den russischen Überfall auf die Ukraine als Finanzwaffe einzusetzen – nach innen wie nach aussen.
Nach innen sendet der Präsident das Signal, dass die Russen Dollar und Euro nicht trauen sollten, genau jenen Währungen also, die viele Bürger zuletzt besonders stark nachgefragt hatten, um ihre Ersparnisse zu retten. Das ging so weit, dass die russische Notenbank den Tausch von Rubel in Devisen verbot. Was die Aussenwirkung betrifft, legt es Putin wohl darauf an, Vergeltung für die Sanktionen des Westens zu üben und die Menschen in Europa weiter in Angst zu versetzen.
Die Angelegenheit ist für den Westen heikel – aber auch für Putin
Zunächst einmal gelang der PR-Stunt. Der Rubel, der nach Kriegsbeginn bis zu 40 Prozent seines Werts gegenüber dem Euro verloren hatte, legte kräftig zu. Auch die Gaspreise kletterten weiter.
Dabei sind noch keinerlei Details der Moskauer Pläne bekannt, bis auf die Aussage Putins, Russland werde auch künftig die vereinbarten Mengen Gas zu den vereinbarten Preisen liefern – nur in Rubel halt. Man habe lediglich den Gazprom-Konzern, den mit Abstand wichtigsten Gaslieferanten, angewiesen, die Lieferverträge entsprechend zu ändern. Weitere Einzelheiten würden binnen einer Woche geklärt.
Die Angelegenheit ist heikel – für den Westen, aber auch für Putin selber, denn die Einnahmen aus dem Rohstoffexport sind für Moskau überlebenswichtig. Russland erhält durch die Ausfuhren deutlich mehr Geld, als es für die Einfuhr von Maschinen, Dienstleistungen und Konsumgütern ausgibt. Da die Importe nach Kriegsbeginn eingebrochen sind, dürfte sich der Leistungsbilanzüberschuss zuletzt sogar noch ausgeweitet haben – mit dem Ergebnis, dass Russland trotz aller Sanktionen weiter harte Fremdwährungen anhäufen kann. Der Westen mag zwar etwa 400 Milliarden Euro an staatlichen russischen Auslandsvermögen eingefroren haben, die laufenden Einnahmen aber füllen die Kassen der Zentralbank allmählich wieder auf.
Nun will Putin Amerikaner und Europäer offenbar dazu zwingen, ihm auch bei der Stützung des Rubels die Arbeit abzunehmen – und damit die eigenen Sanktionen zu unterlaufen. Müssen nämlich westliche Gasimporteure künftig tatsächlich in Rubel zahlen, würde dessen Wert durch die steigende Nachfrage in die Höhe getrieben. Die seit Kriegsbeginn aufgelaufenen Wechselkursverluste, die die Inflation in Russland deutlich angeheizt haben, könnten so womöglich wettgemacht werden.
Zugleich brächte eine Umstellung der Gaszahlungen die russische Zentralbank selbst wieder ins Spiel, die der Westen mit seinen Sanktionen ja eigentlich weitgehend hatte lahmlegen wollen. Nur sie nämlich könnte jene Billionensummen in Rubel zur Verfügung stellen, die westliche Banken und ihre Kunden, die Gasimporteure, bräuchten. Im Gegenzug landeten die eingetauschten Euro und Dollar dann mehr oder weniger direkt auf den Konten der Währungshüter.
Der Rubel entfernt sich immer stärker von seinem Marktwert
Ob der Coup dem Rubel auf lange Sicht eher nutzen oder schaden würde, ist allerdings durchaus umstritten. «Das ist kein Zeichen russischer Stärke, sondern eher von Schwäche», sagt Robin Brooks, Chefökonom des Weltbankenverbands IIF. Da die westlichen Sanktionen grosse Teile der Devisenreserven Russlands blockiert hätten, sei die Notenbank jetzt gezwungen, «noch mehr Kontrolle über den ‚frischen‘ Zufluss harter Währung auszuüben», sagt er. Der Wechselkurs des Rubels würde damit immer mehr zu einem manipulierten Preis, der nicht die Realität widerspiegle.
Ohnehin könnte der Stabilisierungseffekt weit geringer ausfallen, als Putin vielleicht gehofft und manche Fachleute in ihren ersten Reaktionen befürchtet hatten. Schon heute nämlich müssen Gazprom und die übrigen grossen Energiekonzerne Russlands 80 Prozent der Devisen, die sie von ausländischen Kunden kassieren, daheim in Rubel umtauschen. Würden künftig 100 Prozent der Geschäfte in russischer Währung abgewickelt, wären die Folgen für den Wechselkurs also begrenzt. Zudem fehlten Russland grosse Mengen an Dollar und Euro, die das Land benötigt, um irgendwann wieder im Westen einzukaufen.
Und es gibt noch einen Grund, weshalb sich Putins Schritt am Ende als Eigentor erweisen könnte: Verletzt Gazprom geltende Verträge, indem der Konzern keine Dollar- und Euro-Zahlungen mehr akzeptiert, öffnet er den westlichen Vertragspartnern die Tür, um ihrerseits bestehende Vereinbarungen aufzukündigen und früher aus dem Gasimport auszusteigen.
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