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Brisanter Prozess in Halle
Björn Höcke steht wegen Nazi-Parole vor Gericht

28.10.2023, Thüringen, Erfurt: Björn Höcke, Vorsitzender der AfD in Thüringen, spricht bei einer Demonstration unter dem Motto: "Der Osten steht zusammen" auf dem Domplatz. Zahlreiche Teilnehmer nahmen an der von der Thüringer AfD organisierten Veranstaltung teil. Foto: Bodo Schackow/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ (KEYSTONE/DPA/Bodo Schackow)
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Artikel 86a des deutschen Strafgesetzbuches verbietet die Verwendung von Kennzeichen früherer nationalsozialistischer Organisationen. In Björn Höckes Fall geht es um die zentrale Losung der Sturmabteilung der NSDAP: «Alles für Deutschland.» Die SA war ein paramilitärischer Kampftrupp der Hitler-Partei, der später von der SS abgelöst wurde.

Höcke hat die verbotene Losung laut Anklage zweimal verwendet: das erste Mal im Wahlkampf 2021, als er eine Rede vor 250 Anhängern mit dem Dreiklang beendete: «Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland.» Das zweite Mal im Dezember 2023, als er bei einer Rede in Thüringen auf den bevorstehenden Prozess Bezug nahm und sein Publikum animierte, den Satz «Alles für …» mit «Deutschland» zu beenden.

Ab Donnerstag findet am Landgericht in Halle an der Saale (Sachsen-Anhalt) nun der Prozess gegen den heimlichen Anführer der rechtsradikalen Alternative für Deutschland statt.

Im weithin beachteten TV-Duell mit dem thüringischen CDU-Politiker Mario Voigt sagte Höcke letzte Woche, er habe 2021 «nicht gewusst», dass der Satz strafbar sei. Er habe ihn spontan verwendet, indem er Donald Trumps Wahlslogan «America First» frei ins Deutsche übersetzt habe. Überhaupt sei der Satz ein «Allerweltspruch», den schon der bayerische König Ludwig II., Franz Beckenbauer und die Telekom verwendet hätten. Medien wiesen Höcke nach der Sendung nach, dass letztere Behauptungen allesamt falsch waren. Gegenüber dem Gericht stellt Höcke seine Verwendung als «Fauxpas» dar.

Was weiss der Geschichtslehrer? Was will er?

Ob der 52-Jährige, den der Chef des deutschen Verfassungsschutzes als Rechtsextremisten bezeichnet, mit diesem Argument vor Gericht durchkommt, ist laut Fachleuten fraglich. Die Staatsanwaltschaft geht jedenfalls davon aus, dass Höcke den Satz «mit sicherem Wissen um die Strafbarkeit» geäussert habe. Mit Sicherheit trifft das für die zweite Verwendung zu – allerdings hat Höcke da den Satz nicht selbst vollständig gesagt.

Im Prozess könnte es eine Rolle spielen, dass Höcke Geschichte studiert und als Gymnasiallehrer unterrichtet hat – ein Unwissen um die SA-Parole wäre also mindestens peinlich. Zudem haben in den letzten Jahren AfD-Politiker in Ostdeutschland den Satz mehrfach verwendet; darüber wurde in der Partei und in den Medien berichtet.

Entscheidender könnte der Umstand werden, dass Höcke selbst eine Rhetorik der Grenzüberschreitung pflegt, die nicht selten mit Vokabular aus der völkischen und nationalsozialistischen Bewegung hantiert. Recherchen haben ihm zahlreiche Versatzstücke aus Reden von Adolf Hitler und Joseph Goebbels nachgewiesen. Historiker meinen, Höcke klinge in seinen Reden manchmal mit Absicht wie Hitler 1919 oder 1920.

«Strategie, Nazisprache wieder sagbar zu machen»

Der Soziologe Andreas Kemper, der den Verdacht gut belegen kann, dass Höcke früher unter dem Pseudonym Landolf Ladig mutmasslich auch für neo-nationalsozialistische Postillen geschrieben hat, glaubt denn auch nicht an einen Zufall, sondern an eine gezielte Strategie, Nazisprache wieder «sagbar» zu machen: Höcke habe sich «bewusst eine der verbotenen Parolen ausgewählt und schaut, wie weit er damit kommt», sagte Kemper der «Süddeutschen Zeitung».

Für diese These spricht, wie Höcke seine Verwendung der SA-Parole zuletzt rechtfertigte. Im TV-Duell mit Voigt stellte er den Spruch als eine Art Gegengift gegen den angeblichen Hass der Linken auf Deutschland dar. Die Losung, die Deutschland hochleben lasse, sei verboten, ein Spruch wie «Deutschland, verrecke» hingegen nicht.

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Ähnlich argumentierte Höcke auf X in einem direkten Austausch mit X-Besitzer Elon Musk (den Höcke später löschte): Die Strafbarkeit eines Satzes wie «Alles für Deutschland» diene dazu, jeden Patrioten als Nazi zu kriminalisieren. Damit hindere man Deutschland daran, «zu sich selbst zu finden».

Später gelöschte Konversation mit Elon Musk auf X.

Fachleute glauben denn auch, Höckes Verwendung der SA-Parole sei Teil eines allgemeinen Angriffs auf die Strafbarkeit von Kennzeichen aus der nationalsozialistischen Zeit. Das passe zur «erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad», die Höcke bereits 2017 forderte, und zu seinem virulenten Geschichtsrevisionismus.

Höcke droht bei einer Verurteilung eine Geldstrafe oder bis zu drei Jahre Gefängnis. Bei einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten könnte ihm unter Umständen die Wählbarkeit abgesprochen werden. Im September wird in Thüringen der Landtag neu gewählt, die AfD ist laut Umfragen stärkste Partei. Spitzenkandidat Höcke will Ministerpräsident werden.