Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen
Meinung

Prozess in der Türkei
Die Macht der öffentlichen Meinung

Anhänger halten ein Bild des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoglu vor dem Silivri-Gefängnis hoch und skandieren Slogans während einer Anhörung gegen ihn. April 2025.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Was eine Autokratie ausmacht oder was sie verhindert, ist schwer zu fassen. Studierendenproteste wie derzeit in der Türkei werden einen Präsidenten, der seinen Herausforderer hat inhaftieren lassen, kaum beeindrucken. Andererseits aber scheint es in dem Land noch einen Faktor zu geben, auch wenn er vielleicht vage klingen mag: die Macht der öffentlichen Meinung. Ausserdem so etwas wie Linien, die auch der Staatschef bisher nicht überschritten hat. Weil er um das Risiko weiss, das er damit einginge.

Der Istanbuler Oberbürgermeister Ekrem Imamoglu wurde in keine Strafkolonie gebracht, wo man seinen Tod fürchten müsste. Er befindet sich in einem Gefängnis, wo er wohl ordentlich behandelt wird und Besuch von seiner Familie, von Anwälten und Parteifreunden bekommt.

Bei der Anhörung am Freitag konnte er eine politische Rede halten, die bei den Türkinnen und Türken ankam. Er sei in Haft, weil er drei Wahlen gewonnen habe. Gemeint sind die beiden Bürgermeisterwahlen von 2019 (den ersten Wahlsieg hatte ihm die Wahlbehörde damals aberkannt) und seinen erneuten Sieg im vergangenen Jahr. «Jemand» denke, «dass er Istanbul besitzt», erklärte Imamoglu ausserdem. Er nannte keinen Namen, doch jeder wusste, wen er meint.

Der Präsident hat sich übernommen

Imamoglu ist jetzt eine Art Stimme aus dem Off, die Recep Tayyip Erdogan verfolgt. Der hat Imamoglu verhaften lassen, stummschalten konnte er ihn nicht.

Erdogan hat sich schon mit Imamoglus Verhaftung übernommen, er hat die Reaktion unterschätzt. Der Gegendruck der Menschen verhindert, dass er noch weiter geht. In der vollendeten Autokratie könnte er Imamoglu isolieren lassen, in der Türkei indes hat er die Wahl: Belässt er ihn in Haft, hat er es mit einem Gegner zu tun, dessen Schicksal die Leute zum Widerstand motiviert. Oder er lässt ihn irgendwann frei. Dann hat er einen Nachfolger.