Das Wichtigste zum PrämienschubWelche Krankenkasse ist neu am günstigsten?
Einmal mehr schlagen viele Versicherer massiv auf, aber nicht alle gleich stark. Eine eher kleinere Kasse ist künftig in vielen Städten am billigsten. Das zeigt unsere Übersicht.
Und wieder stöhnt die Schweiz Ende September laut auf: Die neue Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider hat am Donnerstag einen Prämienanstieg von 6 Prozent für 2025 angekündigt. (Lesen Sie hier unseren Service: In sieben Schritten sparen Sie Hunderte Franken Prämien.) Wie konnte es dazu kommen? Welche Krankenkasse hält am ehesten dagegen? Und wie reagiert die Politik? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Warum schlagen die Prämien so stark auf?
Die Schweizerinnen und Schweizer konsumieren immer mehr Gesundheitsleistungen. Dies schlägt sich in den Prämien nieder. Mit dazu bei tragen auch die alternde Gesellschaft (ältere Menschen beanspruchen mehr Behandlungen) und der medizinische Fortschritt (mit teureren Leistungen).
Zwar erwarten die Krankenkassen für das nächste Jahr bloss eine Kostensteigerung von 4,2 Prozent. Doch sind dieses Jahr die Kosten stärker gestiegen als erwartet, was die Kassen nächstes Jahr mit höheren Prämien wettmachen wollen. Hinzu kommt, dass einige Kassen zurzeit zu wenig Reserven haben. Der Bund drängt, diese über Prämienerhöhungen aufzubauen.
Welche Krankenkasse ist künftig am günstigsten?
Vielerorts ist dies neu Sympany – eine Basler Kasse mit bislang lediglich rund 250’000 Grundversicherten. Sie bietet unter anderem in den Städten Bern, Basel, Lausanne, Luzern und St. Gallen die tiefste Erwachsenenprämie an.
Dabei handelt es sich je nach Standort um ein Modell namens «FlexHelp 24» oder «Casamed HMO». Beim ersten Modell muss man im Krankheitsfall erst ein telemedizinisches Beratungszentrum anrufen. Beim zweiten Modell kontaktiert man die HMO-Gruppenpraxis. Auch sind die günstigen Prämien jeweils mit einer Franchise von 2500 Franken verbunden.
Sympany hat bei diesen Angeboten deutlich unterdurchschnittlich aufgeschlagen und dadurch jeweils den ersten Platz ergattert. In Bern verdrängt sie Sanitas, in Basel Mutuel und in Luzern die Krankenkasse Luzerner Hinterland. In Zürich verbleibt Sympany allerdings auf dem zweiten Platz. Ganz vorne liegt hier künftig Assura mit dem Modell Qualimed.
Sympany darf sich nun auf viele neue Versicherte freuen. Aber der Erfolg hat auch seine Tücken. Als die KPT 2023 plötzlich vielerorts die Nummer 1 war, wurde sie von neuen Kunden regelrecht überrannt. Fast 200’000 Versicherte haben zur Berner Krankenkasse gewechselt.
Einen solchen Ansturm hatte die KPT nicht beabsichtigt. Die Kasse kam darum an ihre Leistungsgrenzen. Auch musste sie zusätzliche Reserven aufbauen, was sie finanziell belastete. Die KPT hat daher ihre Prämien korrigiert und steht jetzt in keiner der genannten Städte mehr auf dem Podest.
Sympany-Sprecherin Jacqueline Perregaux betont allerdings deutliche Unterschiede zur KPT. Man habe sich in verschiedenen Städten bewusst gut positionieren wollen, auch wenn man nun über das Ausmass etwas überrascht sei. In anderen Regionen rangiere Sympany dagegen weiter hinten. Deshalb erwarte man keinen derart grossen Ansturm wie bei der KPT.
Sympany ist gegenwärtig finanziell gut aufgestellt – mit überdurchschnittlich vielen Reserven. Im vergangenen Jahr hat die Kasse aber einen Verlust geschrieben und Stellen abgebaut. Sie ist auch in diversen Postfilialen präsent.
Ist das Plus von 6 Prozent im Vergleich zu den Vorjahren besonders hoch oder tief?
Im Vergleich zu den beiden Vorjahren ist der Aufschlag moderater. Aber die Prämienschübe fielen in den Jahren 2023 und 2024 mit 6,6 Prozent und 2024 mit 8,7 Prozent ausserordentlich heftig aus.
Von 2019 bis 2021 sind die Krankenkassenprämien dagegen nur wenig gestiegen – um ein Prozent oder weniger. 2022 sind sie gar um durchschnittlich 0,2 Prozent gesunken. Dies war zum einen auf ein moderateres Kostenwachstum zurückzuführen, aber auch den Abbau von Reserven. Der damalige Gesundheitsminister Alain Berset hatte die Krankenkassen dazu angehalten, ihr Polster zu reduzieren. Nun fehlt dieses Polster. Entsprechend heftiger müssen die Krankenkassen nun aufschlagen.
Denselben Effekt konnte man 2008 beobachten. Damals hatte Pascal Couchepin die Krankenversicherer zu einem Reservenabbau gezwungen. Auch dieses Manöver führte später zu besonders heftigen Prämienschüben.
Wie reagiert die Politik?
Für einmal stimmen die Parteien in der Analyse überein: Der Anstieg der Gesundheitskosten ist dramatisch und darf so nicht weitergehen. Doch dann hat es sich mit der Einigkeit. Für die SVP ist die SP schuld. Seit 2012, als Alain Berset übernahm, ist das Gesundheitsdossier im Bundesrat in sozialdemokratischer Hand.
Die Mitte ist in ihren Vorschlägen nuancierter: Sie schlägt unter anderem vor, sogenannte integrierte Versorgungsnetze zu fördern, bei denen die Wahl der Leistungserbringer eingeschränkt ist. Das senke die Kosten. Die Grünen und die SP werben vor allem für mehr Umverteilung. Die SP fordert zudem tiefere Medikamentenpreise und eine Einheitskrankenkasse.
Die FDP eröffnet mit dem erneuten Prämienanstieg den Abstimmungskampf und spricht sich für die Vorlage für eine einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (Efas) aus. Diese soll über verbesserte Anreize zu mehr ambulanten statt stationären Eingriffen führen – und damit die Gesamtkosten um 440 Millionen Franken jährlich senken.
Neben dieser Vorlage, so betonte Gesundheitsministerin Baume-Schneider an der Medienkonferenz, sei zurzeit eine Reihe weiterer Projekte zur Kostendämpfung hängig. Bis die Bevölkerung diese spürt, dauert es aber. «Leider werden wir es auch nächstes Jahr mit einem deutlichen Anstieg der Prämien zu tun haben», sagte die Bundesrätin.
Steigen die Prämien überall gleich stark?
Nein. Der Anstieg unterscheidet sich von Kanton zu Kanton. Am härtesten trifft es das Tessin. Dort schlagen die Krankenkassenprämien im Mittel um 10,5 Prozent auf. Dies belastet die Tessiner umso stärker, als sie bereits in den beiden Vorjahren einen Schub um 10,5 respektive 9,3 Prozent verkraften mussten.
Die Krankenkassenprämien steigen im Tessin also in lediglich drei Jahren um ein Drittel. Ausgerechnet dort, wo die Prämien bereits besonders hoch sind, die Löhne aber gesamtschweizerisch am tiefsten. Besonders stark steigen die Prämien auch in den Kantonen Glarus und Jura, wo die mittlere Prämie um je rund 9 Prozent ansteigt.
In den Kantonen Zürich (plus 4,9 Prozent) und Bern (plus 5,6 Prozent) liegt der Anstieg unter dem gesamtschweizerischen Schnitt von 6 Prozent. Am wenigsten hart trifft es wie schon im Vorjahr die Baslerinnen und Basler. Sie kommen mit einem Aufschlag von 1,5 Prozent davon.
Steigen die Prämien für Kinder weniger stark?
Ja, aber nur minim. Ihre mittlere Prämie steigt gesamtschweizerisch um 5,8 Prozent, jene der jungen Erwachsenen um 5,4 Prozent.
Inwiefern kann die Entwicklung der Löhne mit jener der Prämien mithalten?
Lediglich sehr, sehr beschränkt. Die Löhne haben seit dem Inkrafttreten der obligatorischen Krankenversicherung 1996 im Schnitt um 36 Prozent zugelegt. Die Prämien hingegen sind viel stärker gestiegen – um über 195 Prozent. Sie haben sich also rund verdreifacht. Damit geht die Schere zwischen dem Einkommen der meisten Schweizerinnen und Schweizer und den Kosten für die Krankenkassen immer mehr auf.
Fehler gefunden?Jetzt melden.