Bikesharing-AnbieterWas der Verkauf von Publibike für Nutzerinnen und Nutzer bedeutet
Werbung auf der App statt nur die Suche nach freien Velos: Die neuen Besitzer wollen die defizitäre Post-Tochter in die Gewinnzone bringen.
Die Post trennt sich endgültig von ihrem Sorgenkind Publibike, wie am Montagmorgen bekannt wurde. Mit dem Verkauf zu einem ungenannten Preis geht für den Staatsbetrieb ein schwieriges Kapitel zu Ende: Seit der Gründung vor zehn Jahren hat die Post-Tochter nie Gewinn geschrieben. Im Gegenteil: Die Eidgenössische Finanzkontrolle machte im Jahr 2019 in einem Bericht öffentlich, dass sich die Verluste seit 2012 auf 11 Millionen Franken summierten.
Die Post selbst gab nie Zahlen bekannt. Dass Publibike auch 2020 rote Zahlen geschrieben hatte, bestätigte aber Postautochef Christian Plüss letztes Jahr gegenüber CH Media.
Einer der drei neuen Besitzer weiss über die herausfordernde Situation sehr genau Bescheid: Markus Bacher, der Publibike seit zwei Jahren leitet und diese Funktion auch in Zukunft behält, macht sich nun im Rahmen eines Management-Buy-outs selbstständig: «Ich bin mir bewusst, dass Gewinne im Bikesharing nur schwer zu erzielen sind», sagt er. Doch die Geschäftsentwicklung der vergangenen Jahre stimme ihn zuversichtlich, in den kommenden zwei Jahren schwarze Zahlen zu schreiben.
Zahl der Fahrten nimmt jährlich zu
So steigen die Nutzungszahlen seit 2020 jährlich um 12 bis 13 Prozent. Beispiel Bern: «Als ich vor zwei Jahren die Leitung von Publibike übernahm, verzeichneten wir in der Bundesstadt 1,27 Millionen Fahrten», sagt Bacher. «2021 waren es 1,43 Millionen.»
Dafür gibt es mehrere Gründe: Zum einen ist Publibike inzwischen als Marke bekannt. Zum anderen steigt das Interesse von Firmenkunden für Veloverleih. «Das hat mit den Diskussionen um Nachhaltigkeit und Mobilität der Angestellten zu tun», sagt Bacher. Auch der Aspekt der Mitarbeitergesundheit gewinne in den Unternehmen an Bedeutung.
«Wir hören aber genau hin, was uns unsere Kunden zu den Preisen zu sagen haben.»
Unangetastet sollen die Tarife bleiben. Erst im Sommer 2020 hatte Publibike das Preismodell für Privatkunden angepasst und einen Grundtarif eingeführt. Zu Preiserhöhungen kam es damals vor allem für die Miete von E-Bikes. Die spontane Ausleihe eines Velos kostet zurzeit 2.90 Franken für die ersten 30 Minuten. Danach verrechnet Publibike jede zusätzliche Minute mit 10 Rappen. «Wir hören aber genau hin, was uns unsere Kunden zu den Preisen zu sagen haben», so Bacher.
Branchenkenner zweifeln jedoch daran, dass die Schweiz für Veloverleiher gross genug ist, um genügend Nutzer für ein gewinnbringendes Geschäft an sich zu binden. Wenn überhaupt, könnten die Anbieter im digitalen Zeitalter mit ihren Apps Geld verdienen.
Diesen Weg will Publibike einschlagen. «Das Velo wird zunehmend zu einer digitalen Plattform», sagt Bacher. Das könne das Unternehmen nutzen, indem es seine Privatkunden mit den Geschäftskunden verbinde. Das könne in Form von Werbung oder Dienstleistungen geschehen. Wenn ein Kunde an einem Restaurant vorbeifährt, könnte die Publibike-App einblenden, dass es dort das Gipfeli kostenlos zum Kaffee dazu gibt. Im Gegenzug erhält das Unternehmen eine Kommission.
Kein Wunder, hat der Publibike-Chef mit Guido Honegger einen umtriebigen Pionier der Informationstechnologie geholt. Der Zürcher Unternehmer ist Gründer von Agri.ch und Green.ch. Beim dritten Besitzer handelt es sich um den Berner Velohersteller Thomas Binggeli, bekannt für seine Eigenmarke Thömus und die von ihm lancierte, im letzten Jahr verkaufte E-Bike-Marke Stromer.
Der Verband Pro Velo Schweiz begrüsst den Verkauf von Publibike. «Mit der Übernahme durch die drei Unternehmer besteht aus unserer Sicht die Hoffnung, dass Publibike fortbestehen kann. Die Herausforderung wird darin bestehen, Bikesharing zumindest kostendeckend betreiben zu können», sagt Christoph Merkli, Leiter Infrastruktur und Politik. Pro Velo Schweiz vertritt die Interessen von 40’000 Einzelmitgliedern.
Die neuen Besitzer wollen die bisherigen Angebote weiterführen. Publibike ist in 35 Schweizer Gemeinden mit 620 Stationen und 5300 Velos präsent und hat gegenwärtig 190’000 Nutzerinnen und Nutzer. Städte und staatsnahe Unternehmen wie Verkehrsbetriebe sind deshalb an einer Zusammenarbeit mit Veloverleihern interessiert, weil diese Lücken bei der sogenannten letzten Mobilitätsmeile schliessen können. Gemeint sind die restlichen Meter zwischen Haltestelle und Hauseingang.
Publibike hält Verpflichtungen in den Städten ein
So hat das Unternehmen im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung mit Bern einen Fünfjahresvertrag abgeschlossen, der Ende 2023 ausläuft. Bacher sagt, dass Publibike diese Art von Verträgen bis zum Ablauf der Frist einhalten werde. Danach werde die Ausgangslage neu geprüft.
Inwiefern dies einen Rückzug aus grossen Städten oder eine Expansion in neue Gemeinden bedeutet, liess der Publibike-Chef indes offen. Es ist schwer vorstellbar, dass sich das Unternehmen reihum aus Grossstädten zurückzieht. Um in die Gewinnzone zu kommen, ist nun Wachstum nötig.
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