Machtkampf in PolenZwei PIS-Politiker spektakulär im Präsidentenpalast verhaftet
Staatschef Andrzej Duda hat die beiden verurteilten Männer begnadigt. Doch am Abend kommt die Polizei in seinen Amtssitz. Ministerpräsident Tusk bezeichnet das Verhalten des Präsidenten als Sabotage.
Als Andrzej Duda nicht im Hause war, kam die Polizei und nahm zwei seiner Gäste fest. Wie zunächst in polnischen Medien bekannt wurde, vollstreckten die Beamten nach sieben Uhr abends einen Haftbefehl, der am Montag ergangen war. Der polnische Präsident hatte am Vormittag zwei verurteilte Straftäter bei sich empfangen. Nämlich den ehemaligen Innenminister der abgewählten PIS-Regierung, Mariusz Kaminski, sowie Maciej Wasik, einen früheren Staatssekretär im Innenministerium.
Der Präsident habe nach seiner Rückkehr von einer Veranstaltung mit der weissrussischen Exilpolitikerin Swetlana Tichanowskaja noch mit seinen beiden Gästen sprechen wollen, teilt Dudas Kanzleichefin auf dem Nachrichtendienst X mit. Doch in seiner Abwesenheit seien die Polizisten gekommen. Das Vorgehen der Polizei sei «inakzeptabel», teilt die Kanzlei mit: «Wir sind empört.» Die Warschauer Polizei bestätigte die Festnahme in einem schlichten Eintrag auf X.
Justizreform zurückgedreht
Kaminski und Wasik sollen für zwei Jahre ins Gefängnis. Verurteilt wurden die beiden schon 2015, wegen Amtsmissbrauchs und Dokumentenfälschung. Die Begehung der Straftaten fällt in die Jahre 2007 bis 2009. Kaminski war damals Leiter der Behörde für Korruptionsbekämpfung CBA, Wasik sein Mitarbeiter. Doch Andrzej Duda, 2015 gerade zum Präsidenten gewählt, begnadigte die beiden damals.
Kaminski gehörte seit der Wahl 2015 der konservativen PIS-Regierung an, war bis November 2023 Innenminister, Wasik sein Staatssekretär. Dass zwei rechtskräftig verurteilte Menschen in höchsten Positionen des Staates arbeiten, war bei allen Vorwürfen gegen die PIS-Regierung zuletzt schon nur noch einer unter vielen gewesen.
Aber doch eines der Probleme, das unter den vielen verhältnismässig leicht lösbar für die neue Regierung unter Donald Tusk zu sein schien. Sie musste dafür nicht die Justizreform zurückdrehen oder Richterposten umbesetzen. Nur ein Urteil überprüfen lassen. Am Montag ordnete ein Warschauer Gericht den Vollzug an.
Präsident Duda lud daraufhin beide Verurteilten für diesen Dienstag zu sich in den Präsidentenpalast ein. Er beharrt darauf, dass seine Begnadigung weiterhin Gültigkeit habe. Das Gericht entschied jedoch anders. Die Begnadigung sei ungültig, weil sie zu einer Zeit erging, als noch ein Berufungsverfahren lief.
«Bitte beenden Sie dieses Spektakel!»
Am frühen Dienstagabend sagte Ministerpräsident Donald Tusk auf einer Pressekonferenz: «Herr Präsident, zum Wohle des polnischen Staates, bitte beenden Sie dieses Spektakel!» Tusk bezeichnete Dudas Verhalten als «Sabotage» und wies darauf hin, dass es strafbar sei, Straftätern zu helfen.
Die beiden PIS-Politiker waren am Nachmittag im Hof des Präsidentenpalastes vor die Presse getreten. «Wir verstecken uns nicht», sagte Kaminski, «wir sind beim polnischen Präsidenten – bis das Böse verliert.» Nachdem bekannt geworden war, dass die Politiker festgenommen wurden, rief PIS über die sozialen Medien zu einer spontanen Kundgebung vor dem Präsidentenpalast auf.
Dutzende demonstrierten dort am Abend gegen die Regierung Tusk, auch vor der Polizeidienststelle, zu der die beiden Politiker gebracht wurden, gab es Proteste. Führende PIS-Politiker fanden sich dort ein, gemeinsam zogen sie spätabends weiter zu einem Gefängnis am Rande Warschaus, wohin Kaminski und Wasik gebracht worden waren. «Wir haben die ersten politischen Gefangenen seit 1989», sagte der PIS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski in Fernsehkameras. Kaminski hatte zuvor schon dieselben Worte genutzt.
Protestzug durch Warschau
Obwohl Polen seit dem 13. Dezember eine neue Regierung hat und nicht einmal PIS das Wahlergebnis anzweifelt, dauert der Machtkampf an. Für Donnerstagnachmittag hat PiS zu einer Demonstration gegen die neue Regierung vor dem Sejm aufgerufen, man wolle die Freiheit Polens verteidigen. Anschliessend soll ein Protestzug durch Warschau ziehen.
Der Vorsitzende des Sejm, Szymon Hoownia, versucht zu deeskalieren – und sagte am Dienstagnachmittag die Sitzungen für diese Woche ab. Zum einen wohl, um Tumult rund um die Abgeordneten Kaminski und Wasik zu verhindern. Zum anderen, weil die PIS-Demo dann vor einem leeren Abgeordnetenhaus stattfinden wird. Dabei hätten eigentlich Dienstag bis Donnerstag unter anderem dringende Haushaltsberatungen auf der Tagesordnung gestanden. Die neue Regierung muss schnell einen Haushaltsentwurf verabschieden. Gelingt ihr das nicht, könnte der Präsident Neuwahlen anordnen.
Schon wird gemutmasst, dass PIS es genau darauf abgesehen hat. Abgeordnete der rechtsnationalistischen Partei erklären schon jetzt die Haushaltssitzungen für illegal – weil zwei Abgeordnete, eben Kaminski und Wasik, unrechtmässig ausgeschlossen worden seien.
«PIS ist permanent im Wahlkampfmodus»
Weiterhin besetzen auch einige PIS-Abgeordnete ein Gebäude der Fernsehanstalt TVP im Zentrum von Warschau. Kulturminister Bartlomiej Sienkiewicz hatte die öffentlich-rechtlichen Medien rechtlich in den Zustand der Auflösung versetzt, was bedeutet, das sie grundlegend umstrukturiert werden können. Auch Entlassungen sind dadurch einfacher möglich.
Am Montag nun hat ein Gericht in Katowice diesen Rechtszustand der Liquidation bei einem staatlichen Radiosender anerkannt. Ein erster Teilerfolg für die neue liberal-konservative Regierung Donald Tusk, welche die öffentlich-rechtlichen Anstalten entpolitisieren möchte. Die Parteien hatten im Wahlkampf versprochen, die einseitige PIS-Propaganda zu beenden.
Im Frühjahr sollen erneut Wahlen stattfinden – diesmal wird über die Regionalverwaltungen abgestimmt. Hier hatten auch zu Regierungszeiten von PIS die anderen Parteien die Nase vorn, es wird erwartet, dass sich der Trend deutlich bestätigen wird. Im Juni folgen die Europawahlen. «PIS ist permanent im Wahlkampfmodus», konstatiert die Tageszeitung «Rzeczpospolita», deshalb stifte sie Unruhe. Und Präsident Andrzej Duda «autorisiert das Chaos». Er ist noch bis 2025 im Amt und kann verschiedene Entscheidungen der neuen Regierung durch sein Veto blockieren.
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