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Polens Präsident überrascht alle
Auf einmal muckt der Notar auf

Emanzipiert sich von seinem Ziehvater Kaczynski: Andrzej Duda. 
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Nachdem Andrzej Duda im Sommer 2015 zum ersten Mal Präsident Polens geworden war, verdiente sich der damals 42 Jahre junge Politiker einen bis heute haftenden Spitznamen: der Notar. Denn Duda segnete selbst offen verfassungswidrige Initiativen der von seiner Partei Recht und Gerechtigkeit (PIS) geführten nationalkonservativen Regierung ab.

Duda fuhr nachts gar zum Befehlsempfang zu seinem politischen Ziehvater Jaroslaw Kaczynski, dem Parteichef der Nationalkonservativen. Doch seit Duda Anfang Woche sein Veto gegen ein hoch umstrittenes Mediengesetz einlegte, ist er zum ersten Mal seit Jahren ganz aus dem Schatten seines Ziehvaters herausgetreten. Und Polen überlegt, was Duda dazu bewogen hat.

Mit seinem Veto sichert der Präsident bis auf weiteres die Unabhängigkeit von Polens einzigem kritisch berichtenden nationalen Fernsehsender TVN: Dessen Eigentümer, der US-Konzern Discovery, sollte seine Kontrollmehrheit laut dem Gesetz binnen eines halben Jahres verkaufen müssen. Das Gesetz widersprach sowohl der Verfassung wie europäischen Verpflichtungen und nicht zuletzt einem Abkommen zwischen Polen und den USA. «Verträge müssen beachtet werden», sagte der Präsident.

Er segnete auch Rechtsbrüche ab

Polen solle in der Welt als «ehrenhafte Nation» geachtet werden. Seit 2015 freilich hegte der 2020 im Amt bestätigte Duda selten derlei Skrupel. Der gläubige Katholik hatte trotz Jurastudiums und Doktortitels der Jurisprudenz der Krakauer Universität keine Bedenken, Rechtsbrüche der Nationalkonservativen mit Unterschriften unter rechtswidrige Gesetze oder Ernennungen abzusegnen. Berüchtigt war etwa Ende 2015 die nächtliche Vereidigung dreier rechtswidrig gewählter Verfassungsrichter durch Duda.

Später unterschrieb der auch mit dem Schutz der Verfassung betraute Präsident etliche Gesetze, die die Unabhängigkeit der Justiz beseitigten – und durch den Gerichtshof der EU oder den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ebenso für rechtswidrig befunden wurden wie die illegal ernannten Verfassungsrichter. Noch im Mai 2020 ernannte Duda eine neue Präsidentin des Obersten Gerichts ebenfalls nur nach massiven Rechtsbrüchen.

Bei vielen politisch wenig interessierten Polinnen und Polen aber ist der im persönlichen Umgang herzlich wirkende Duda beliebt. Mit seinem Eintreten etwa gegen künstliche Befruchtung und Abtreibung punktete Duda bei strammen Katholiken. Auch sein Trommeln gegen angeblich wohlhabende, mit Markenschuhen und Goldschmuck ausgestattete Migranten fällt bei vielen Polen auf fruchtbaren Boden. Anders war es freilich mit dem TVN-Gesetz: Über die Hälfte der Polen war dafür, dass Duda seine Unterschrift verweigert.

Donald Trump traf er mehrmals

Zehntausende demonstrierten in 130 Städten Polens, gut 2,5 Millionen Menschen unterschrieben eine Protestpetition. Freilich kümmerte sich Duda bisher oft wenig um die öffentliche Meinung, internationale Verträge oder das Ansehen Polens im Ausland. Denn als Polens wichtigster Verbündeter, die USA, von Donald Trump regiert wurde, traf dieser Duda gleich mehrfach. Joe Biden aber hält Duda auf Abstand. Das Weisse Haus übte wegen des TVN-Gesetzes maximalen Druck auf Duda aus.

Am Rande der letzten UNO-Vollversammlung traf Duda vor allem andere Paria-Politiker wie die Präsidenten Brasiliens oder der Türkei. Und auch innenpolitisch haben sich die Zeiten geändert. Dudas Beziehungen zu Kaczynski sind auf einem Tiefpunkt, beide sollen seit Monaten nicht mehr miteinander gesprochen haben. Und die Nationalkonservativen sind weit von ihrer einstigen Beliebtheit entfernt; bei der planmässig im Herbst 2023 anstehenden Parlamentswahl würden sie nach heutigen Umfragen die Macht verlieren. Dudas Amtszeit endet erst 2025, doch wieder antreten kann er als Präsident nicht. Sein Veto gegen das TVN-Gesetz erscheint so als erster spektakulärer Schritt Dudas, eigenständig aufzutreten und eine politische Zukunft auch ohne den Segen Kaczynskis aufzubauen.