Smog in PekingSchweizer Forschende finden neue Quellen der Luftverschmutzung
Der berüchtigte Smog bleibt ein globaler Hotspot schmutziger Luft, trotz wirksamen Massnahmen. Neue Daten zeigen nun, dass selbst Luft aus Shanghai eine Rolle spielt
Die chinesische Hauptstadt Peking ist eigentlich ein Musterbeispiel, wie mit entsprechenden Massnahmen die Luftqualität verbessert werden kann: Fahrverbote für ältere Fahrzeuge, strengere Emissionsstandards, Förderung von Elektroautos, Schliessung von kohleabhängigen Industrieanlagen, verbesserte Heizungen. Die Regierung hat zudem in den letzten acht Jahren ein dichtes Messnetz für die Luftqualität aufgebaut.
Die Megametropole war einst ein Moloch. «Peking hat in den letzten Jahren jedoch bemerkenswerte Fortschritte bei der Verbesserung seiner Luftqualität gemacht», schreibt das globale Netzwerk von mehr als 2500 lokalen und regionalen Regierungen, die sich der nachhaltigen Stadtentwicklung verschrieben haben (CLEI).
Die Menge an Feinstaub in der Luft ist massiv gesunken. Aber dennoch gibt es noch keine Entwarnung: Die Jahresmenge der Partikel, die kleiner als 2,5 Mikrometer sind (PM2.5), liegt immer noch sechsmal höher als die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Der für das Auge kaum sichtbare Feinstaub kann nachweislich unter anderem die Atemwege angreifen, reizt Schleimhäute, kann aber auch das Risiko für Herz- und Krebserkrankungen erhöhen.
Besonders gefährlicher Feinstaub
«Die Luftqualität variiert von Tag zu Tag in Peking. Die Stadt ist immer noch von besorgniserregenden Smog-Episoden betroffen«, sagt Kaspar Dällenbach vom Paul-Scherrer-Institut in Villigen. Der Umwelt-Naturwissenschaftler war bis Ende 2019 häufig in Peking. Er leitete ein internationales Forschungsprojekt zusammen mit der Universität Helsinki und der Beijing University of Chemical Technology.
Dann kam die Corona-Pandemie. Und die Messungen zeigten: Obwohl es in der Stadt bedeutend weniger Verkehr gab und der Kohlekonsum durch die vorübergehende Schliessung vieler Fabriken deutlich sank, blieb die Luftverschmutzung in der Stadt ein Problem. Partikel wie Sulfate, Nitrate und Ammonium aus der fossilen Verbrennung waren zwar reduziert. Eine hohe Konzentration wiesen jedoch nach wie vor die sogenannten sekundären organischen Aerosole auf, die für die Gesundheit als besonders gefährlich eingestuft werden. Das sind Teilchen, die aus einem Cocktail Hunderter Stoffe in der Atmosphäre entstehen.
«Wegen der komplexen chemischen Reaktionen in der Atmosphäre ist es schwierig, mit herkömmlicher Messtechnik die Quellen des organischen Feinstaubs zu bestimmen», sagt Kaspar Dällenbach. Die Forschenden haben deshalb im Zentrum Pekings Luftdaten in Echtzeit erhoben, um die Quellen des Smogs im Winter und Sommer zu finden. Dabei setzten sie ein neuartiges Massenspektrometer ein, das die einzelnen Moleküle des Feinstaubs analysiert. Die Forschenden konnten damit in Kombination mit statistischen Modellen in bisher unerreichter Genauigkeit aufzeigen, woher der organische Feinstaub stammt. Nämlich zu grossen Teilen aus der Verbrennung von Holz und Kohle sowie aus der industriellen Produktion und dem Verkehr.
Dreckige Luft auch mit Elektroautos
Die Forschenden entdeckten: Im Winter stammt der sekundäre organische Feinstaub hauptsächlich aus der Grossregion Peking-Tianjin-Hebei, im Sommer kommt er mit dem Südwind aus dem Verkehr und der Industrie des Gürtels Xian-Shanghai-Peking. «Bevor sich Smog in Peking bildet, werden Schadstoffe also über Hunderte von Kilometern transportiert, was es zu einem grossräumigen Problem macht», sagt Dällenbach. Das sei nicht unerwartet, aber doch erstaunlich. So seien koordinierte und gross angelegte Massnahmen in einer der am dichtesten besiedelten Regionen der Erde erforderlich.
Aber noch wichtiger ist ihm die Erkenntnis, dass es nicht ausreicht, Schadstoffe wie Schwefeldioxid oder Stickoxide zu reduzieren. Mit anderen Worten: Auch wenn in Peking in naher Zukunft nur noch Elektroautos fahren und saubere Heizungen feuern, so wird die Luftverschmutzung nicht vollends behoben. Es brauche auch eine starke Reduzierung organischer Emissionen aus der Verbrennung fester Brennstoffe und aus der Industrie, der Energieproduktion und dem Transportsektor.
Diese Empfehlung machte ein Forschungsteam um Dällenbach bereits in einer «Nature»-Studie vor vier Jahren. Dort zeigte ein internationales Forscherteam unter der Federführung des PSI auf, dass aus gesundheitlichen Gründen Massnahmen zu kurz greifen, die nur darauf angelegt sind, die Menge des Feinstaubs zu reduzieren. Das Augenmerk müsse verstärkt auf die Zusammensetzung des Feinstaubs gelegt werden. «Es ist wichtig, die Quellen dieses sekundären organischen Feinstaubs zu kennen, weil er vermutlich gesundheitsschädlicher ist als andere Feinstaubarten», sagt der PSI-Forscher Kaspar Dällenbach. Das neue Massenspektrometer soll deshalb auch für Studien in Europa eingesetzt werden.
Fehler gefunden?Jetzt melden.