PapablogMit Kindern liest es sich anders
Ein Kinderbuch vorzulesen heisst, die Kontrolle abzugeben, loszulassen und jede Menge Quatsch in petto zu haben – unser Autor weiss, wie eine Lesung zum Abenteuer wird.
Seit ich vor zwei Jahren ein Kinderbuch geschrieben habe, geniesse ich das Privileg, es ein paar Mal im Jahr im Rahmen von diversen Veranstaltungen Kindern vorlesen zu dürfen. Von Lesungen für Schulklassen in Turnhallen über Kulturveranstaltungen bis zum Theatersaal im Familienhotel war schon alles dabei. Ein paar Sachen habe ich bei diesen Lesungen lernen dürfen. Zum Beispiel, dass sich Kinder an zentralen Stellen des Buches gerne mit mir darüber unterhalten, warum ich das genau so und nicht anders geschrieben habe. Ausserdem fragen sie mich oft, wo ich die beiden Familien getroffen habe, über die ich da schreibe. Die Erwachsenenliteraturfrage «Wie sind Sie darauf gekommen?» taucht fast nie auf. Das Allerwichtigste ist aber (und heimlich wusste ich das natürlich schon längst), dass man immer eine gehörige Portion Quatsch mit im Gepäck hat. Quatsch, Nonsens, Unfug, Seich, Kladderadatsch, Kasperkram, Flausen, Schabernack und Firlefanz – am besten mit Albereisosse drauf.
Einzigartig und anspruchsvoll: Das Kinderpublikum
Kinder sind nämlich das tollste und zugleich auch schwierigste Publikum, das man sich vorstellen kann. Sie kommen zu spät, sie wollen während der Lesung auf die Toilette oder Guetsli oder beides. Sie unterbrechen den Lesefluss, sie hampeln rum und stehen mitten in der Lesung auf, um ganz nah an dich heranzutreten und herauszufinden, wie du riechst. Sie machen einen Radschlag, obwohl es gerade besonders spannend ist. Sie machen einen Radschlag, weil es besonders spannend ist. Kinder sind eine ganz eigene Art Publikum, und so sollte man sie auch behandeln. Also so geduldig und quatschig wie möglich. Ja gut, dann kommen ein paar zu spät – na und?! Okay, sie wollen rumlaufen, snacken und mitreden – wenn wir ehrlich sind, würden wir das auch alles gerne tun, haben uns aber der Etikette gebeugt, dass es womöglich respektlos und störend sein könnte, eine Lesung durch Chipsgecrunche zu unterbrechen.
Auf der einen Seite ist es das auch. Auf der anderen Seite Kinder. Und wie toll ist es bitte, Kindern vorlesen zu dürfen. Das mit der Geduld kriegen wir also schon mal hin. Jetzt brauchen wir nur noch eine Portion Quatsch, um das Ganze einfangen zu können, falls es doch zu sehr aus dem Ruder läuft. Kinder warten nämlich nicht gerne auf andere Kinder, die zu spät kommen. Also muss man sich was einfallen lassen. Ich spiel dann immer mit den anwesenden Kindern «Ich kann etwas, was du nicht kannst», bis die anderen da sind. Bei «Ich kann etwas, was du nicht kannst» macht man etwas vor, von dem man denkt, dass die anderen es nicht können. Die versuchen es dann nachzumachen. Anschliessend ist der oder die Nächste dran. Ich klatsche also mit einer Hand. Grosse Augen, viel Geklatsche, eine kann es auch. Sie macht einen Radschlag vor und sagt, dass ich den nicht kann. Ich stöhne, gebe ihr innerlich recht und hample anschliessend einen Radschlag hin. Die Kinder lachen. Das Warten auf die Nachzügler ist vergessen. Dann wird es Zeit für meine Wunderwaffe: beidseitiges Ohrenquietschen. Niemand kann mitquietschen, aber alle versuchen es immer wieder und lachen sich kaputt. «Nochmal, nochmal» rufen sie. Dann sind endlich alle da und es kann losgehen.
Und wann immer etwas hakt oder nicht richtig klappt, gibt es einfach Quatsch. Lange Nasen, Abschweifungen, Tralala. Ich laufe einfach mit herum. Ich unterbreche die Lesung und wir unterhalten uns über Regeln am Esstisch und über Langeweile. Ich mache Tiergeräusche nach. Irgendwann ist die Lesung fertig und alle sind glücklich. Eltern, Kinder und ich natürlich. Ich darf Vorlesen und Quatsch machen. Notwendigen Quatsch.
Wie flump ist das denn?!
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