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Meinung

Papablog
Kinder kosten Geld

Brother and sisters playing outdoors around small pup tent along a creek
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Manchmal blicken meine beiden älteren Kinder ein bisschen neidisch auf ihre jüngeren Geschwister. Es ist ein wohlwollender, liebevoller Neid, der nicht missgönnt, aber sehr genau wahrnimmt, was die Kleinen haben und was die Grossen damals nicht hatten.

Das hat zum Beispiel etwas mit der technischen Entwicklung zu tun. Wenn wir die Wahl gehabt hätten, dann hätten wir auch unseren grossen Kindern vor 10 Jahren Streamingdienste angeboten, Spotify auf langen Fahrten mit dem Autoradio verbunden und einen zur Spielekonsole umgemodelten TV-Stick mit Bluetooth Controllern in die Ferien mitgenommen. Gab es aber alles so noch nicht. Es gab auch keine Fussbälle, die im Dunkeln leuchten, damit man in laueren Herbstabenden noch draussen in der Einfahrt kicken kann. Der Vorläufer des heutigen Hoverboards, auf dem meine Kurzen durch die Gegend sausen, ist erst 2013 mit einer Kickstarter-Kampagne ins Leben gerufen worden. Und ich hatte in Berlin auch noch keine Elektro-Vespa, mit der ich eins meiner Kinder schnell irgendwo hätte einsammeln oder abwerfen können. Vermutlich wäre das auch lebensgefährlich gewesen.

Unser Alltag damals

Überhaupt hatten die Lebenskomplizin und ich, als wir noch als junge Eltern in Berlin lebten, nicht besonders viel. Die Babyausstattung für unsere älteste Tochter wurde uns von einer Stiftung zur Hilfe für arme Familien zur Verfügung gestellt. Den Wocheneinkauf haben wir bei vier Discountern erledigt, um alle Sachen zu bekommen, die gerade jeweils im Angebot waren. Wir haben grundsätzlich so viel wie möglich gebraucht gekauft, im Winter nicht geheizt, und verreisen ging nur, wenn uns das im grossfamiliären Verbund ermöglicht wurde.

Damals wie heute kosten Kinder nun einmal Geld. Geld, von dem wir damals zu wenig hatten und heute oft genug. Damals haben wir über Monate sparen müssen, um etwas ersetzen oder reparieren zu können. Heute haben wir, was wir brauchen, dann, wenn wir es brauchen. Und manchmal sogar deutlich mehr. Meinen grossen Kindern ist das nach wie vor nicht ganz geheuer. Ab und an fragen sie uns, ob wir uns diese eine Sache tatsächlich kaufen oder diese andere Unternehmung wirklich leisten können. Meistens lautet die Antwort Ja. Trotzdem bleibt ihnen die momentane ausgeglichene elterliche Ruhe im kapitalistischen Erwerbszwang irgendwie verdächtig. Und das Leben ihrer kleinen Geschwister, die es nur so gemütlich kennen, wie es jetzt gerade ist, einigermassen fremd. Ihr Unwohlsein hilft mir, wachsam gegenüber Dingen und Situationen zu sein, die ich ansonsten gerne verdrängen würde, weil sich die Erinnerung an sie nicht gerade angenehm anfühlt.

Die Gesellschaft sind wir alle

Wie es ist, mit seinem Monatsbudget an den einfach unangekündigten, neu anfallenden Lernmaterialien zu scheitern, zum Beispiel. Sie brauchen hier noch ein Heft, und da noch ein Buch. Klassenkasse wird fällig, Ausflugskosten stehen noch an. Fahrkarten, Tickets, Schwimmhalle, Theaterbesuch – gerade auch die gesellschaftliche Teilhabe von Kindern kostet Geld. Ihr schlichtes Dabeisein und ihr Dazu-gehören-Wollen kostet Geld. Sich nicht schämen zu müssen, weil man nicht bei dem mitmachen kann, was «alle tun», kostet Geld. Und ist deshalb zutiefst klassistisch.

Die Gesellschaft, das sind wir alle. Und deshalb sollte die Teilhabe auch nicht an das Portemonnaie geknüpft sein. Sicher werden Kinder auch noch in Zukunft viel Geld kosten. Aber gerade deshalb sollten wir sicherstellen, dass sich alle Kinder leisten können.