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Meinung

Papablog: Alltag im Kinderdreck
Tja, schon wieder ein mit Honig verschmiertes Schleichtier

Nur nicht zu sehr aufregen: Das pralle, bunte Familienleben bedeutet schliesslich mehr Spass als Frust.
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Ich bin wirklich nicht der ordentlichste Mensch. Ein gewisses Mass an Klamotten, die irgendwo herumliegen, gehört in meinem Leben einfach dazu – zumal ich Teil einer sechsköpfigen Familie bin. Über einen Zeitraum von mehreren Wochen sammeln sich Dutzende von uns sogenannte «Kruschtelecken» an, wo Dinge gesammelt und gestapelt werden, für die es im Haus noch keinen richtigen Platz gibt: neue Bücher zum Rezensieren, Kleidung, die genäht werden muss, irgendwas zum Reparieren.

Der Tanz der Unordnung

Alle paar Wochen kriegen meine Lebenskomplizin und ich abwechselnd oder gleichzeitig einen Rappel und stürmen durch das Haus, um die Dinge wieder einigermassen auf Normalzustand zu bekommen. Das funktioniert mal mehr, mal weniger.

Aber wir haben eben auch noch vier Kinder. Kleine Kinder, die gerne jeden Tag oder auch schon mal jede Stunde neue Sachen anziehen und die alten dafür in den Wäschekreislauf geben, damit sie «wie von Zauberhand» wieder in ihrem Schrank landen. Nur dass die Zauberhände in dem Fall die ihrer Eltern und die ihrer grossen Schwester sind. Und die grossen Kinder packen hier und da zwar mit an, was auch wirklich eine Hilfe ist. Trotz Zauberhände der grossen Schwester oder Einkaufsauspackkünste des grossen Bruders steht am Ende dann doch benutztes Geschirr in der Küche vor dem leeren Geschirrspüler rum und lenkt die sommerliche Ameisenstrasse endgültig in den Bereich, wo Lebensmittel aufbewahrt werden.

Fruchtlose Disziplinierungsversuche

Uncool! Sehr, sehr uncool! Wenn sich das Alter der Mitbewohnerinnen und Mitbewohner irgendwo zwischen 6 und 18 einpendelt, dann sind Sauberkeit und Ordnung vielleicht gern gesehene, aber doch extrem seltene Gäste. Zumal ich, wie bereits erwähnt, nicht der beste Gastgeber bin. Der Stapel auf meinem Stuhl wird immer grösser, wo ist eigentlich mein Lieblingshemd, warum steht die Flasche Holzleim im Wohnzimmer und wer hat meine Rohrzange zuletzt gesehen. Mein Haus ist ein Taubenschlag und Tauben machen Dreck.

Nun könnte man natürlich einwenden, dass die Lebenskomplizin und ich unsere Kinder in dem Fall wohl einfach mehr disziplinieren müssten, dann würde das sicher besser funktionieren. Zweifellos ist da was dran. Bis zu einem gewissen Grad tun wir das auch. Glauben Sie mir, die Ameisenstrassen könnten ansonsten auch noch ganz wo anders laufen, aus den Resten unterm Sofa liessen sich ganze Mahlzeiten zusammenschieben und aus der Toilettenschüssel würden alte Bekannte grüssen. Uäääh!

Familienleben ist eine Dreckshydra

Aber schliesslich werden Ermahnungen, Streitereien und doch eher fruchtlose Disziplinierungsversuche einfach nur zu einem weiteren Punkt auf der Liste der ewig abzuarbeitenden Dinge. Das ist nichts, was man zwei, zehn oder auch hundert Mal durchzieht und dann ist es geschafft, sondern ewig. Irgendwas liegt immer rum. Irgendetwas klebt, fehlt, ist kaputt und wird vergessen. Familienleben ist eine Dreckshydra: Sie schlagen drei Köpfe ab, ermahnen fünf, sich gefälligst nicht so aufzuführen, und währenddessen wachsen zehn neue nach und haben nur Unsinn im Kopf. Der Schriftsteller Benjamin Lebert hat in einem Interview mit mir mal gesagt, dass er als Kind nicht nachvollziehen konnte, warum sein Vater sich darüber aufregt, dass in der Wohnung alles verklebt ist.

Und mittlerweile taumelt er als Vater eines Sohnes selbst durch eine Wohnung mit umgekippten Saftpackungen und mit Honig beschmierten, geköpften Schleichtieren. Das Bild gefällt mir: Leben mit Kindern ist auch immer ein mit Honig beschmiertes, geköpftes Schleichtier. Und während man sich Mühe gibt, dass es nicht zu viele werden, sollte man nicht vergessen, gelegentlich auch mit diesem Schleichtier zu spielen. Sonst macht das alles nämlich überhaupt keinen Spass.

Wie halten Sie es mit dem Kinderdreck? Bekämpfen sie diesen rigoros oder haben Sie sich mit ihm versöhnt, liebe Leserschaft? Diskutieren Sie mit.