Online-Boom vor WeihnachtenPäcklidiebstähle aus Hauseingängen nehmen zu – brauchen wir smarte Briefkästen?
Sogenannte Paketboxen versprechen eine sichere Zustellung von Waren aus dem Online-Handel, allerdings bieten sie auch Potenzial zum Missbrauch. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Eigentlich ist es eine gute Idee: Gelieferte Päckchen liegen statt vor der Haustür sicher in einem abgeschlossenen Kasten. Insbesondere in Städten und Agglomerationen, wo Langfinger häufiger zulangen als auf dem Land, finden sich Paketboxen in neueren Wohnsiedlungen immer häufiger.
Laut dem grössten Schweizer Hersteller solcher Anlagen, der Ernst Schweizer AG, sind diese dem anhaltenden Boom des Onlinehandels zu verdanken. Damit hätten auch Diebstähle zugenommen. «Zudem möchten die Bauherren und Liegenschaftsverwaltungen den Eingangsbereich frei und sauber halten», sagt Daniel Haas, Leiter Produktmanagement und Technik für die Paketboxen bei Ernst Schweizer.
Heute verkauft das Unternehmen jährlich Anlagen in dreistelliger Stückzahl. Auf 100 Mietparteien würden rund 30 Paketfächer unterschiedlicher Grösse benötigt, sagt Haas. Der Grund für die tiefe Zahl: Die Boxen sind nicht personalisiert wie Briefkästen, sondern werden vom Kurier jeweils neu einem Haushalt zugewiesen.
«Eine solche Anlage mit 30 Paketfächern kostet etwa 35’000 bis 45’000 Franken», so Haas. Bedient werden sie meist über einen berührungsempfindlichen Bildschirm, von dem aus Paketkuriere die Haushalte über die Ankunft des Päckchens informieren. Allerdings bieten sie Potenzial zum Missbrauch, und ihre Handhabung ist nicht immer problemlos, wie die folgenden Fragen und Antworten zeigen.
Müssen Mietparteien Paketboxen nutzen, wenn sie zur Verfügung stehen?
Nein, es gibt keinen Zwang. Grossanlagen für ein ganzes Areal zahlen sich für die Logistikfirmen und die Immobilienbewirtschaftung nur aus, wenn genügend Parteien mitmachen. Ihr Ziel ist es, dass die Kuriere lediglich die Boxenanlagen und nicht mehr jedes einzelne Wohnhaus bedienen müssen. Die Post sagt dazu: «Areal-Paketboxen bieten zusätzlich einen Effizienzgewinn in der Zustellung und allenfalls sogar eine Verkehrsberuhigung im Areal selbst.»
Wenige Optionen bleiben jenen, die davor zurückschrecken, ihre Handynummer oder E-Mail-Adresse in das Boxensystem einzugeben, über die sie über die Paketankunft informiert werden. Alternativ können sie allenfalls eine «Spam-Mailadresse» verwenden, die sie nur für unsichere Webseiten nutzen. Schwierig wird es hingegen für Menschen, die weder ein Handy noch E-Mail verwenden.
Ein grosser Vorteil der Paketanlagen: Sollte ein Päckchen aus einer Box gestohlen werden, so kann das Logistikunternehmen dafür belangt werden. Das ist bei einer vereinbarten Lieferung ins Treppenhaus oder vor den Hauseingang meistens nicht der Fall.
Nutzen alle Paketkuriere die neuen Anlagen?
Nein. UPS Schweiz sagt zum Beispiel: «Mit Paketboxen arbeiten wir nicht.» Die Logistikfirma liefert nur an die Haustür oder einen seiner 838 Empfangsorte. Die Schweizerische Post, DHL und Planzer Paket hingegen unterstützen und nutzen die Paketbox-Einrichtungen.
Planzer sagt: «An gewisse Systeme sind wir bereits angebunden, zum Beispiel an diese von der Firma Schweizer.» Und die Post sagt: «Paketboxen bieten aus unserer Sicht viel Potenzial.» Sie wolle darum «das Angebot sowie den Betrieb in partnerschaftlicher Zusammenarbeit vorantreiben».
Dennoch können die Anlagen für die Päckli-Lieferanten auch Nachteile aufweisen, so die Post. Ein Grund: Es gibt eine Vielzahl verschiedener Paketboxen. Das könne «für die Mitarbeitenden der Post oft einen Zusatzaufwand bedeuten». So gebe es keine Normen zu Anzahl Fächer und Fachgrössen. «Dies kann beispielsweise dazu führen, dass Anlagen zu klein sind und Pakete somit anderweitig deponiert werden müssen.»
Auch bei «smarten Anlagen gibt es unterschiedlichste Systeme», die das Display, die zu benützenden digitalen Apps oder den Zahlencode betreffen würden, so die Post. Weil Standards fehlten, habe sie «ein Projekt lanciert, um mit den Herstellern bessere Standards und Normen zu erarbeiten».
Kann man sein Paket weiterhin zum Hauseingang liefern lassen?
Ja, denn bei der Art der Zustellung kommt es auf die schriftliche Absprache zwischen Logistikunternehmen, etwa der Schweizerischen Post, und der jeweiligen Person an, die sich etwas liefern lässt. Wenn man also weiterhin die Lieferung an die Türe des Wohnhauses wünscht, so muss sich der Kurierservice daran halten.
Zudem lassen sich heute viele Konsumentinnen und Konsumenten ihre Pakete lieber an Empfangspunkte der Lieferanten, etwa Tankstellen, Drogerien oder Geschäfte, liefern, die lange Öffnungszeiten haben und sich bequem auf dem Heimweg ansteuern lassen.
Welche Probleme gibt es mit Paketboxen?
Da die Anlagen allen zugänglich sind, wird nicht selten Schabernack getrieben. Es können Lieferungen simuliert werden: Wer eine solche Nachricht erhält, findet eine leere Box vor. Dieses Problem lösen können neue, gewichtssensitive Boxen, die «wissen», ob sie voll oder leer sind.
Es gibt allerdings bereits Fälle, in denen Kinder Steine in eine gewichtssensitive Box legen, um diese zu überlisten. In der Folge müsse die Hauswartung die Box wieder freigeben, berichtet Streamnow, eine Tochterfirma der Immobilienbewirtschafterin Wincasa, die Überbauungen digitalisiert.
Bekannt sind auch Fälle von Lieferungen, die auf statt in den Boxen landen, weil der Name des Empfängers nicht im System gespeichert ist. Das kann zum Beispiel bei Lebenspartnern der Fall sein, die nicht im Mietvertrag stehen. Oder bei Untermieterinnen, die nicht gemeldet sind. Sie müssen ihre Anschrift mit einer «c/o»-Zeile und dem Namen der registrierten Person ergänzen.
Die Post sagt zu falsch deponierten Paketen: «Grundsätzlich führen Paketboxen mit einem identifizierten Empfänger zu weniger Fehlzustellungen und erhöhen die Sicherheit.» Es könne aber «vorkommen, dass unsere Zustellbotinnen und Zustellboten ausserhalb der Paketbox deponieren müssen, zum Beispiel wenn die Anlage zu klein ist oder sämtliche Fächer bereits besetzt sind». Gerade in der aktuellen Vorweihnachtszeit könne das vorkommen.
Da die Anlagen einen Computer enthalten und in ein Netzwerk eingebunden sind, können zudem Softwarefehler zu Problemen führen. Dann, so Streamnow, benötigen die Boxen wie ein normaler PC ein «Reboot».
Müssen die Mietparteien für die Paketboxen bezahlen?
Nicht unbedingt. Die Rechtsberatung des Mieterinnen- und Mieterverbandes (MV) wurde diesbezüglich bereits angegangen, wie MV-Jurist Fabian Gloor sagt, «doch stellt sich heute die Frage, ob die Serviceleistungen von Paketboxen auf die Nebenkosten geschlagen werden können».
Der grosse Liegenschaftsverwalter Livit mit fast 200’000 Wohneinheiten sagt: «Die Installation und die Wartung von Paketboxen werden von der Eigentümerschaft getragen. Es werden keine Kosten an die Mieterschaft weiterverrechnet.» Wie sich andere Unternehmen der Branche in dieser Frage verhalten, wird sich zeigen.
Kühlen, heizen, laden: So sieht die Zukunft aus
Bald könnte es üblich sein, dass einige der Kästen kühlen, sodass Kuriere auch Lebensmittel oder Medikamente liefern können. Der schweizerisch-deutsche Hersteller Stebler führt laut eigenen Angaben Funktionen wie Elektro-Lademöglichkeiten, Kühl- und Heizfächer, Fächer mit spezieller Kindersicherung oder auch Varianten für die Aufbewahrung von Sportequipment in seinem Sortiment.
Eine andere zukünftige Möglichkeit: Kundinnen und Kunden können über Schnittstellen in den Paketboxsystemen Informationen zu Rücksendungen direkt an die Logistikfirmen senden. «Im Ausland gibt es das schon», sagt Fabian Gloor von der Herstellerin Ernst Schweizer AG. «Je nach Land funktioniert das allerdings sehr unterschiedlich.»
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