Studie zu Adipositas-MedikamentenWirken Abnehmspritzen auch gegen Parkinson und Alzheimer?
Forscher haben Präparate wie Wegovy, Ozempic und Saxenda untersucht. Die Adipositas-Medikamente helfen nicht nur beim Abnehmen. Doch es gibt auch Risikofaktoren.
Adipositas-Medikamente haben in der Schweiz eingeschlagen wie eine Bombe. Das brachte spezialisierte Zentren an ihre Belastungsgrenzen. «Es hat unseren Betrieb fast kaputtgemacht», klagte der Leiter eines Schweizer Diabetes- und Adipositas-Zentrums gegenüber dieser Redaktion. Eine neue Analyse zu Fettweg-Medikamenten wie Wegovy könnte diesen Trend nun noch anheizen – trotz einiger Risiken.
Der Studie zufolge senken Wegovy und andere GLP-1-Rezeptor-Agonisten (GLP-1-RA) unter anderem die Wahrscheinlichkeit für Herzinfarkt, Schlaganfall, Demenz, Psychosen und Suchterkrankungen. Andererseits gehen sie mit erhöhten Risiken etwa für Magen-Darm-Probleme und Gelenkentzündungen einher, schreibt das Team um Ziyad Al-Aly von der Washington University in St. Louis im Fachblatt «Nature Medicine».
Nutzen von Abnehmspritzen gegen Parkinson wird geprüft
Die Wirkstoffe, die überwiegend einmal pro Woche injiziert werden, verlängern vor allem die Verweildauer der Nahrung im Verdauungstrakt und erhöhen so das Sättigungsgefühl. Dass sie sowohl gegen Diabetes 2 als auch beim deutlichen Abnehmen helfen, ist unstrittig. Zudem prüfen Studien derzeit ihren möglichen Nutzen gegen etliche weitere Erkrankungen, darunter Parkinson und Alzheimer.
«Angesichts der Neuheit der Medikamente und ihrer in die Höhe schiessenden Popularität ist es wichtig, die Auswirkungen auf alle Körpersysteme systematisch zu analysieren, um zu verstehen, was sie tun und was nicht», wird Hauptautor Al-Aly in einer Mitteilung seiner Universität zitiert. Ziel sei eine umfassende Kartierung der Verbindungen dieser Wirkstoffe zu sämtlichen Organsystemen.
Daten von Kriegsveteranen ausgewertet
Dazu wertete das Autorentrio eine Datenbank des US-Kriegsveteranenministeriums aus. Daraus verglich es rund 216’000 Menschen, die GLP1-Rezeptor-Agonisten gegen Diabetes 2 nahmen, mit gut 1,2 Millionen Veteranen, die andere Therapien gegen die Stoffwechselerkrankung nutzten.
Insgesamt nahm das Team 175 mögliche medizinische Auswirkungen in den Fokus. Die mittlere Beobachtungsdauer betrug 3,7 Jahre. Resultate: Für 42 gesundheitliche Probleme sank unter der GLP-1-RA-Therapie das Risiko, dagegen stieg es für 19 andere.
Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen fällt
Günstige Effekte fand das Team auf Suchtprobleme – etwa mit Alkohol, Opiaten, Tabak oder Cannabis –, psychotische Störungen, Demenz wie etwa Alzheimer, Blutgerinnungsstörungen, Herz-Kreislauf-Beschwerden, Infektionskrankheiten und diverse Atemwegsprobleme – von Bronchitis über Lungenentzündung bis zu chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD). Mit einer Risikominderung von jeweils meist 10 bis 20 Prozent fällt die Effektstärke jedoch eher mässig aus.
«GLP-1-RA-Präparate wirken auf Rezeptoren in Gehirnarealen, die an Impulskontrolle, Belohnung und Sucht beteiligt sind», erläutert Al-Aly. «Das erklärt möglicherweise ihre Wirksamkeit beim Drosseln von Appetit und Suchterkrankungen.» Die möglicherweise verringerte Demenzgefahr erklärt er mit der entzündungshemmenden Wirkung im Gehirn. Das geringere Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen führt Tacke auf die Gewichtsreduktion und eine veränderte Lebensführung wie etwa mehr Bewegung zurück.
Die Studie bestätigt auch Analysen, wonach GLP-1-RA-Präparate nicht mit suizidalen Gedanken und Selbstverletzungsgedanken einhergehen. Diese Gefahr sei sogar reduziert, schreibt die Gruppe und verweist auf mögliche antidepressive Eigenschaften der Medikamente.
Magen-Darm-Beschwerden bei GLP-1-RA-Präparaten möglich
Als Risiken nennt die Gruppe unter anderem Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit und Erbrechen, Sodbrennen, Gelenkentzündungen, Schlafstörungen oder Hypotonie, also zu niedrigen Blutdruck. Zudem könnte die Einnahme in seltenen Fällen entzündliche Prozesse in den Nieren und der Bauchspeicheldrüse fördern.
Das Autorentrio betont, die Erkenntnisse der Studie könnten generell dazu führen, neue medizinische Zusammenhänge systematisch zu erforschen. Gleichzeitig hätten sie schon jetzt Bedeutung für die medizinische Praxis. So sollte beim Einsatz der Präparate etwa der Blutdruck gut kontrolliert und bei Bedarf die Einnahme von Blutdrucksenkern angepasst werden.
Auch auf andere mögliche negative Auswirkungen der Therapie sollte künftig verstärkt geachtet werden. «GLP-1-RA-Präparate können einen breiten gesundheitlichen Nutzen bieten», sagt Al-Aly. «Aber risikofrei sind sie nicht.»
In der Schweiz ist Wegovy seit 2022 für Personen mit starkem oder sehr starkem Übergewicht zugelassen. Die Krankenkasse übernimmt die Kosten dafür. Die Fettwegspritzen sind in der Schweiz aber auch als Lifestyle-Medikament gefragt.
DPA/flu
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