Bronze für Ruderer aus ZumikonDer Urgrossvater und sein junger Traumpartner
Der Schweizer Zweier mit dem Zumiker Andrin Gulich und dem Luzerner Roman Röösli rudert erst die zweite Saison zusammen, nun gewinnen sie bereits Olympia-Bronze.
Die erste Umarmung gibt es schon wenige Sekunden vor der Medaillenübergabe. Und kurz nachdem Roman Röösli Bronze um den Hals gehängt bekam, legt der Luzerner seinen Arm erneut um Andrin Gulich. Er bestätigt damit nonverbal, was er vorher im TV-Interview gesagt hat: «Es ist einfach genial mit Andrin.»
Wer die beiden auch abseits von TV-Kameras beobachtet, merkt sofort: Das passt zwischen dem 30-jährigen Luzerner Röösli und dem fünf Jahre jüngeren Zürcher Gulich. Sie bilden ein Duo, das noch vor zwei Jahren keine Ahnung gehabt hatte, dass es dereinst zusammen rudern würde. Erst vor der Saison 2023 war es nach den verbandsinternen Trials zu dieser Konstellation gekommen, Cheftrainer Ian Wright billigte dieser Kombination grosse Erfolgschancen zu.
Zu Recht, wie sich zeigen sollte: Röösli/Gulich erlebten eine grossartige Premierensaison, wurden Europameister, Weltmeister und Gesamt-Weltcupsieger – und mit diesem Leistungsausweis automatisch Medaillenkandidaten für Paris. Mindestens so wichtig: Sie verstehen sich auch abseits des Wassers hervorragend. «Andrin bringt die nötige Lockerheit rein, wir haben sehr viel Spass gemeinsam», so Röösli, der kompletteste Schweizer Ruderer seit vielen Jahren. Gulich ergänzt: «Wir trainieren extrem viel, und wenn man es gleichzeitig lustig hat, macht das vieles sehr viel einfacher.»
Härter trainiert wird wohl nirgends
Dem Ziel Olympia ordneten die beiden alles unter und nahmen dafür enorme Anstrengungen auf sich: An sechs Tagen pro Woche absolvierten sie unter der Aufsicht des neuseeländischen «Schleifers» Wright drei Trainings pro Tag im Verbandsleistungszentrum in Sarnen – es gibt vermutlich kein Land, das im Rudern härter trainiert als die Schweiz.
Die fünf Ringe waren natürlich ein Hauptgrund gewesen, weshalb Röösli 2022 noch einmal zurückgekommen war, obwohl ihm mit knapp 30 viele andere Wege offenstehen. Zwischenzeitlich hatte er an der renommierten Universität von Oxford seinen Master in Wassermanagement abgelegt, und nun wollte er es noch einmal wissen. Zweimal war er schon bei Olympia gewesen und hatte in Rio Platz 7 im Doppelvierer und in Tokio Rang 5 im Doppelzweier belegt. Im Kader ist er nun der älteste Ruderer – er hört intern auf den Übernamen Urgrossvater.
Standardpartner Barnabé Delarze hatte bald nach Tokio aufgehört und jagt nun mit dem Alinghi-Syndikat Segelerfolge. So brauchte Vorzeigetechniker Röösli einen neuen Partner und wurde nach einem kurzen Abstecher in den Vierer-ohne nun mit dem physisch so starken Gulich fündig.
Der Mann vom rechten Zürichseeufer hatte auf Juniorenstufe ebenfalls viele Erfolge gefeiert, 2017 war er Weltmeister im Doppelvierer geworden. Es war schon das zweite Mal, dass der Name Gulich sportlich für Schlagzeilen sorgte. Zu Beginn des Jahrtausends hatte sein Onkel Thomas die Fussballsektion des Grasshopper-Clubs präsidiert. Von 2017 bis 2020 studierte Andrin Gulich dann in den USA, wie so viele Ruderer an einer renommierten Universität, in Yale. Mittlerweile steht auch er kurz vor dem Masterabschluss am Imperial College in London.
Den Ferrari im Regattaverlauf in den Griff bekommen
In Paris erhielt das Duo mit Platz 4 im Vorlauf einen Schuss vor den Bug. Es sei schwierig gewesen, mit der erstmaligen Reduktion in den Trainingsumfängen richtig umzugehen, sagte Gulich und zieht einen Vergleich: «Normalerweise sind wir wie ein Diesel unterwegs, nun hatten wir plötzlich die Schlüssel zu einem Ferrari und drehten zu hochtourig.» Er habe schon schlecht geschlafen nach jenem Rennen, gab er zu.
Im Nachhinein war dieser Rückschlag aber wohl ein weiteres Teilchen im Erfolgsmosaik. Von da an steigerten sich die beiden kontinuierlich, und im Final konnten sie nach verhaltenem Start in der zweiten Streckenhälfte noch zulegen. Bis zum grossartigen Finale und der ersten Medaille in dieser Disziplin für die Schweiz seit 52 Jahren. Heini Fischer/Alfred Bachmann hatten damals in München Silber geholt.
Es ist nicht der einzige Eintrag in die Geschichtsbücher, den sich das Duo am Freitag gesichert hat. Es war die 25. Rudermedaille an Olympischen Spielen für die Schweiz und die erste seit dem Gold des Leichtgewichtsvierers um Mario Gyr 2016. In der Stunde ihres grössten Triumphs bedankte sich Röösli: «Diese Medaille gehört auch allen, die uns unterstützt haben.»
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