Ticker zum World Economic ForumScholz: «Putin hat alle strategischen Ziele verfehlt» | Schutzmandat für Ukraine: Schweiz im Gespräch
Zum ersten Mal seit 2020 hat in Davos wieder ein World Economic Forum stattgefunden. Hier lesen Sie alles Wichtige rund um den Anlass.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Das Wichtigste in Kürze
Verteidigungsministerin Viola Amherd hat mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Davos vereinbart, enger zusammenzuarbeiten.
Zu den prominentesten Gästen des WEF 2022 gehörten der deutsche Kanzler Olaf Scholz, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg und der US-Sondergesandte für Klimafragen, John Kerry.
Vertreterinnen und Vertreter aus Russland waren dieses Jahr wegen des Ukraine-Krieges und wegen der Sanktionen vom WEF ausgeschlossen worden.
Zum Abschluss der Tage in Davos sprach der deutsche Kanzler Olaf Scholz zur Weltwirtschaftslage sowie zum Krieg in der Ukraine.
Das World Economic Forum hat unter dem Motto «Geschichte an einem Wendepunkt» vom 22. bis 26. Mai stattgefunden.
Bilanz: WEF stand im Zeichen des Ukraine-Krieges
Am diesjährigen WEF in Davos hat der Krieg in der Ukraine eine grosse Plattform erhalten. Vor der globalen Führungselite machten Vertreter der Ukraine deutlich, dass der Bedarf an Hilfe aus dem Ausland gross ist – jetzt an Kriegsmaterial und nach Kriegsende an Finanzhilfe für den Wiederaufbau. Bundespräsident Ignazio Cassis führte Gespräche für die Wiederaufbaukonferenz im Tessin.
Der Krieg in der Ukraine war in Davos allgegenwärtig: Die globalen Führungspersonen nutzten ihre Ansprachen vor dem Plenum dazu, den Krieg zu verurteilen. Auf der Promenade wurde das «Russland Haus», in dem üblicherweise Russinnen und Russen verkehren, in «Russland Kriegsverbrechen Haus» umbenannt und als Ausstellungsort für Kriegsbilder genutzt. Russland wurde wegen des Kriegs nicht zum WEF eingeladen.
In vielen Veranstaltungen riefen die Ukrainer ihre Forderungen in Erinnerungen. Präsident Wolodimir Selenski forderte in einer Videoansprache bei der Eröffnung die internationale Staatengemeinschaft zu «maximalen» Sanktionen gegen Russland auf. Es dürfe keinen Handel mit Russland mehr geben. Notwendig sei auch ein Öl-Embargo. Solange Russland Öl und Gas exportieren könne, werde Putins Krieg weiterfinanziert.
Wiederholt wurde mehrfach auch die Forderung nach schweren Waffen. «Wenn wir nicht schwere Waffen bekommen, werden wir getötet», sagte etwa der ukrainische Aussenminister Dmytro Kuleba. Vor Schweizer Medien sagt er, er könne einsehen, dass die Schweiz wegen der Neutralität keine Munition liefern könne. Aber dass in anderen Ländern wie etwa Deutschland beim Kriegsmaterial die Entscheidungsfindung oder auch die Lieferungen so viel Zeit beanspruchten, könne er nicht mehr verstehen, betonte er in einer anderen Veranstaltung vor den Teilnehmenden.
Artikel zum Thema:
Witali Klitschko im Interview: «So wie das jetzt läuft, haben Sie den Krieg im Inneren der Schweiz»
Selenskis WEF-Rede: «Der Ukraine läuft die Zeit davon»
Flüchtlinge in Davos: Geflüchtete Lehrerin aus der Ukraine poliert am WEF das Besteck
Klimastreik mit Prominenten und wenig Zuhörern
In Davos haben rund 30 Personen für das Klima demonstriert. Sie forderten Taten statt Worte von WEF-Teilnehmenden. Zwei Aktivistinnen aus Afrika zeigten zudem direkten Auswirkungen des Klimawandels in ihrer Heimat auf.
Die Klima-Aktivistinnen Vanessa Nakate und Elizabeth Wathuti aus Uganda und Kenia machten in Davos darauf aufmerksam, dass der Krieg in der Ukraine auch die Probleme in ihrem Heimatkontinent auf ein neues Level bringen würden. Die eine Krise dürfe die anderen nicht in den Hintergrund drängen. «Wir müssen alle lösen», sagte Wathuti im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA am Donnerstag.
Die Teilnehmenden des Weltwirtschaftsforums seien verantwortlich für die globale Klimakrise, warf Nakate den Entscheidungsträgern in Davos vor. Sie hätten auch in diesem Jahr nur über Wirtschaftswachstum, und nicht über Klimagerechtigkeit gesprochen. Seit dem letzten Klimastreik am WEF 2020 sei nichts passiert, fügte Wathuti hinzu. Sie jedoch würden ihre Stimmen weiterhin erheben.
Demonstrierende fordern «Nägel mit Köpfen»
Man müsse sich der Realität der Klimakrise bewusst werden und erkennen, dass sie nicht im herrschenden System gelöst werden könne, forderten die Demonstrierenden. Das WEF und seine Mitglieder müssten endlich Entscheidungen treffen und «Nägel mit Köpfen machen.»
Der Organisator der Demonstration, Niklas Todt machte zugleich die Gemeinde Davos für die magere Beteiligung mitverantwortlich. Sie hätten die Bewilligung für die Kundgebung erst vor eineinhalb Wochen erhalten, obwohl sie die Anfrage bereits im März stellten. «Da blieb viel zu wenig Zeit um zu mobilisieren», sagte er.
Scholz: Putin hat alle stratgischen Ziele in Ukraine verfehlt
Der deutsche Kanzler Olaf Scholz hat zum Abschluss des WEF in Davos zu neuen Formen der internationalen Zusammenarbeit aufgerufen. Politische Partner dürfe man nicht länger nur in den immer gleichen Ländern suchen, sagte der SPD-Politiker am Donnerstag bei der Tagung. «In dieser multipolaren Welt fordern ganz unterschiedliche Länder und Regionen gemäss ihrem wachsenden ökonomischen und demographischen Gewicht grössere politische Mitsprache ein», sagte Scholz. Er fügte hinzu: «Um es klar zu sagen: Darin liegt keine Bedrohung.»
Internationale Zusammenarbeit liefere Antworten, sagte der Kanzler. Es gehe um Fortschritt in Zukunftsfragen. So gebe es in Asien, Afrika und Lateinamerika neue, aufstrebende Mächte, die die Chancen der Globalisierung nutzten. «Zu lange haben wir «Demokratie» praktisch gleichgesetzt mit dem «Westen» im klassischen Sinne.»
Deshalb habe er auch Südafrika, den Senegal, Indien, Indonesien und Argentinien zum diesjährigen Gipfel sieben grosser Industrienationen (G7) Ende Juni nach Elmau in Bayern eingeladen. «Sie vertreten Länder und Regionen, deren Mitarbeit die Welt braucht, um bei globalen Herausforderungen in Zukunft voranzukommen.» Eine neue Partnerschaft bedeute auch, sich bei drohenden Hunger-Rohstoff und Inflationskrisen solidarisch zu zeigen. «In einer multipolaren Welt wird eine solche internationale Ordnung nicht ohne internationale Solidarität zu haben sein.»
Scholz äusserte sich auch zum Krieg in der Ukraine. Er sei überzeugt, dass der russische Präsident Wladimir Putin den Krieg in der Ukraine nicht gewinnen wird. «Schon jetzt hat er alle seine strategischen Ziele verfehlt. Eine Einnahme der gesamten Ukraine durch Russland scheint heute weiter entfernt als noch zu Beginn des Krieges. Mehr denn je betont die Ukraine ihre europäische Zukunft. Zudem habe die «Brutalität des russischen Kriegs» die ukrainische Nation enger zusammengeschweisst als je zuvor und zwei Staaten zur Annäherung an die Nato bewogen: «Mit Schweden und Finnland wollen sich zwei enge Freunde und Partner dem nordatlantischen Bündnis anschliessen. Sie sind herzlich willkommen!», sagte der Kanzler.
Putin wolle zurück zu einer Weltordnung, in der der Stärkere diktiere, was Recht sei, sagte Scholz. «Das ist der Versuch, uns zurück zu bomben in eine Zeit, als Krieg ein gängiges Mittel der Politik war.»
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Lebensmittelexport-Beschränkungen: WTO will Druck auf Länder machen
Die Chefin der Welthandelsorganisation (WTO) hat angesichts der globalen Nahrungsmittelkrise an die einzelnen Länder appelliert, die Ausfuhr von Grundnahrungsmitteln nicht einzuschränken.
«Wir versuchen, den Mitgliedern auch in Bezug auf Exportverbote und -beschränkungen zu sagen, dass sie sich zurückhalten sollen», sagte Ngozi Okonjo-Iweala am Mittwoch auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. «Wir wollen nicht, dass sich die Situation verschlimmert und zu Preisspitzen führt.»
Zuvor hatte Indien entschieden, seine Zuckerexporte zu begrenzen – nachdem es bereits den Verkauf von Weizen ins Ausland verboten hatte. Neu-Delhi erklärte, die Entscheidung ziele darauf ab, «die inländische Verfügbarkeit und Preisstabilität während der Zuckersaison zu erhalten». Indien ist nach Brasilien der zweitgrösste Zuckerproduzent und -exporteur.
Der russische Angriffskrieg in der Ukraine hat die Lieferungen von Düngemitteln, Weizen und anderen Rohstoffen sowohl aus Russland als auch aus der Ukraine stark in Mitleidenschaft gezogen. Als Reaktion darauf «haben wir jetzt etwa 22 Länder mit 41 Exportbeschränkungen oder -verboten für Lebensmittel», sagte Okonjo-Iweala. Es gehe nicht nur um Lebensmittel, «sondern auch um Saatgut und Dünger».
Schutzmandat für Ukraine: Schweiz im Gespräch
Am WEF ist der Krieg in der Ukraine das zentrale Thema für den Bundesrat gewesen. Bundespräsident Ignazio Cassis nutzte bilaterale Treffen, um letzte Punkte zur Wiederaufbaukonferenz in Lugano zu besprechen. Daneben wurde bekannt, dass die Schweiz in Gesprächen für ein Schutzmandat ist.
Cassis machte keinen Hehl daraus, dass er das WEF für die Konferenz-Vorbereitungen nutzen wollte. So sprach er etwa während eines Abendessens am Montagabend mit der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen fast die ganze Zeit über dieses Thema, wie Cassis vor den Medien sagte.
Ausserdem traf er den ukrainischen Aussenminister Dmytro Kuleba. Dieser erhoffte sich von der Konferenz grosse finanzielle Hilfe, wie er an einer Medienkonferenz mit Cassis sagte. Der per Video zugeschaltete ukrainische Premierminister Denys Schmyhal stellte fest, dass die Zerstörung im Land massiv sei. Aber wenn die Leute in die Ukraine zurückkehrten, würden sie das Land wiederaufbauen – die Strassen, die Häuser, die Brücken.
Mit der Konferenz im Tessin soll das Land dabei unterstützt werden. 40 Länder und 18 internationale Organisationen wurden eingeladen. Cassis erhofft sich unter den Gästen Staatschefs und Aussenminister. Auch der ukrainische Präsident Selenski soll dabei sein, allerdings sei noch unklar, in welcher Form, sagte Cassis.
Zwinggi: «Open Forum sehr wahrscheinlich sabotiert»
WEF-Direktor Alois Zwinggi geht wegen den geringen Besucherzahlen am diesjährigen Open Forum davon aus, dass die Anlässe «sehr wahrscheinlich» sabotiert wurden. Ursprünglich sollte das Forum wegen Morddrohungen ganz abgesagt werden. Es sei sehr schade, dass das gewünschte Publikum nicht erreicht werden konnte.
Für die Veranstaltungen am Open Forum mussten sich Interessierte vorab online registrieren. «Teilweise waren die Anlässe bis zu 70 Prozent ausgebucht», sagte Alois Zwinggi, Direktor des WEF im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA am Mittwoch. Tatsächlich waren die Referate aber kaum besucht worden. Zwinggi geht davon aus, dass die Veranstaltungen gezielt «von gewissen Kreisen» sabotiert worden sind, damit dann «alles leer aussehe».
Ob diese mögliche Sabotage von den gleichen Absendern von Morddrohungen ausgehe, die im Vorfeld bei diversen Mitarbeitenden des Forum eingegangen seien, könne nur spekuliert werden, so Zwinggi weiter.
Ende November hatte der Direktor bekanntgegeben, dass das Open Forum im Januar wegen dieser Drohungen nicht stattfinde. Mit der coronabedingten Verschiebung des WEF habe man aber entsprechende Sicherheitsvorkehrungen getroffen. «Ich habe mich sehr sicher gefühlt», sagte er.
Man werde nun die Ungereimtheiten mit den Besucherzahlen am Open Forum genau analysieren und allenfalls entsprechende organisatorische Änderungen vornehmen. Es sei jedoch bereits klar, dass das Open Forum am nächsten WEF im Januar 2023 wieder stattfinden werde.
Das Format fand das erste Mal 2003 statt, nachdem Kritik laut wurde, dass das WEF sich hinter verschlossenen Türen abspielen würde und Normalbürger nichts von den Diskussionen mitbekämen. (SDA)
Beziehung zwischen Schweiz und EU erst wieder Thema nach «heisser Phase» des Kriegs
Bundespräsident Ignazio Cassis hat sich am Montagabend am Weltwirtschaftsforum in Davos bei einem Abendessen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ausgetauscht. Die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU haben angesichts des Krieges in der Ukraine keine Priorität.
Er sei glücklicherweise neben von der Leyen gesessen, sagte Cassis an einer Medienkonferenz. Dadurch sei ein langes Gespräch möglich gewesen.
90 Prozent der Zeit während des Essens hätten sie aber über den Wiederaufbau der Ukraine gesprochen, sagte Cassis am Rand des WEF. Die EU unternehme viel, «ihre Sorgen sind die unseren», sagte Cassis. Es seien ein paar erste Schritte besprochen worden, die bereits vor der Wiederaufbaukonferenz im Juli im Tessin gemacht werden könnten.
Zum Ende der Unterhaltung hätten sie auch das Thema Schweiz – EU besprochen. Die Kommunikation sei: Wenn die heisse Phase des Krieges in der Ukraine vorbei sei, brauche es eine Lösung auch «bei unseren Problemen», die angesichts des Krieges etwas kleiner schienen, sagte Cassis.
Amherd und Stoltenberg beschliessen engere Zusammenarbeit
Verteidigungsministerin Viola Amherd hat mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Davos vereinbart, unter Berücksichtigung der Schweizer Neutralität enger und besser zusammenzuarbeiten.
Anlässlich des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos sprach Bundesrätin Amherd im House of Switzerland mit Stoltenberg. Dabei habe sie die Bestätigung dafür erhalten, dass die Nato offen gegenüber einer engeren Zusammenarbeit mit der Schweiz sei, sagte sie im Anschluss an das Treffen im Gespräch mit Keystone-SDA. Es sei aber auch klar geworden, dass die Schweiz die Initiative ergreifen müsse.
Unter Berücksichtigung der Schweizer Neutralität möchte Amherd jetzt einen Bericht mit konkreten Möglichkeiten der Zusammenarbeit erarbeiten. Spätestens im Herbst soll dieser auf Fachebene diskutiert werden. Einen weiteren Termin mit Stoltenberg gebe es noch nicht.
Eine nähere Zusammenarbeit mit der Nato könnte bedeuten, vermehrt an deren Übungen teilzunehmen und vor allem den Bereich um die Cybersicherheit auszubauen. (sda)
Lesen Sie dazu auch
Amherd will nun näher an die Nato: Nach dem Beitritt von Finnland und Schweden zum Militärbündnis müsse auch die Schweiz eine neue, engere Zusammenarbeit anstreben.
Von der Leyen in Davos: Putin muss scheitern
Bei ihrer Rede vor dem Weltwirtschaftsforum in Davos würdigt die EU-Kommissionspräsidentin die Anstrengung der Ukraine im Kampf gegen den russischen Angriff. «Die Ukrainer sind für ihre Freiheit aufgestanden, aber auch für unsere Werte», sagt von der Leyen.
Das Treffen in Davos sei eine Antithese zum Krieg. Eigentlich solle dort eine bessere Zukunft gestaltet werden. Die wichtigsten Themen seien jetzt jedoch «Kosten und Folgen von Putins Krieg.» In der Ukraine würden «die Hoffnungen ganzer Generationen von Panzern zerschmettert». Von der Leyen präzisiert auch das Ziel der EU-Unterstützung für die Ukraine: «Die Aggression von Putin muss ein strategischer Irrtum sein. Er muss scheitern.»
Ein weiteres wichtiges Thema der Rede der EU-Kommissionspräsidentin ist die globale Ernährungssicherheit. Die ärmsten Menschen der Welt leiden am stärksten unter den Folgen des Ukraine-Kriegs. Die EU wolle deswegen die Zusammenarbeit mit dem Welternährungsprogramm stärken. Sie fordert «globale Kooperation als Gegenmittel zu Russlands Erpressung.» Die EU müsse «diese globalen Herausforderungen in Angriff nehmen, im Geiste von Davos.» (sz.de)
Habeck ruft in Davos zum Kampf gegen Welthunger auf
Der deutsche Vizekanzler Robert Habeck hat angesichts einer drohenden globalen Nahrungsmittelkrise in Folge des russischen Kriegs in der Ukraine zu internationaler Zusammenarbeit aufgerufen.
«Wir werden, wenn wir keine andere Lösung finden, im nächsten Jahr einen grossen Mangel an der weltweiten Kalorienversorgung haben», sagte der Wirtschaftsminister am Montag am Rande der Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums in Davos in der Schweiz. Diese Nahrungsmittelkrise werde spezifisch Regionen treffen, die nicht zu den reichsten oder stabilsten gehörten. «Und wenn wir darauf so antworten, dass jedes Land sich nur um sich selber kümmert, also seine eigenen Vorräte aufstockt, dann wird diese Krise eskalieren», warnte der Grünen-Politiker.
Habeck sprach sich für globale Kooperation und offene Märkte aus. «Und wir sind natürlich auch gehalten, um unseren eigenen, manchmal etwas überschwänglichen Verbrauch von Lebensmitteln zu reduzieren», sagte er. Statt sich nur noch auf sich selbst zu besinnen, müsse eine neue globale Handelsordnung her: «Daran festhalten, dass wir global miteinander interagieren, das solidarisch tun, fair und gerecht und zum Wohle der Menschen und nicht nur zum Wohle des Gewinns von einigen Unternehmen.»
US-Sondergesandter Kerry sieht Schweiz als Vorbild bei Klimafragen
Der US-Sondergesandte für Klima, John Kerry, sieht in der Schweiz bei Klimafragen ein gutes Beispiel. Auch in Bezug auf die Ukraine werde die Position der Schweiz geschätzt.
Das sagte John Kerry am Montag am Rande des Weltwirtschaftsforums WEF in Davos zur Nachrichtenagentur Keystone-SDA, nachdem er sich mit Bundespräsident Ignazio Cassis zu einem bilateralen Gespräch getroffen hatte. «Wir haben über eine Menge Dinge gesprochen», sagte der Sondergesandte von US-Präsident Joe Biden. Der Krieg in der Ukraine, die Schweizer Neutralität und der Klimawandel seien die wichtigsten Themen gewesen, die angesprochen worden seien.
Im November hatte Kerry auf der Klimakonferenz in Glasgow miterlebt, wie Umweltministerin Simonetta Sommaruga wütend wurde, als China und Indien versuchten, die Kohleanstrengungen im Umwelt-Abkommen abzuschwächen. Eine Haltung, die der US-Gesandte begrüsste. Er sei froh, habe Sommaruga so reagiert, sagte Kerry. Viele hätten diese Frustration geteilt.
Kerry lobte die Schweiz als «Vorbild in allen möglichen Dingen», im Kampf gegen die globale Erwärmung etwa, wobei er grüne Technologien, Initiativen zur Senkung der CO2-Emissionen und die Verantwortung für Nachhaltigkeitsfragen erwähnte.
In Bezug auf die Ukraine wollte Kerry sein Mandat nicht überschreiten und nicht anstelle von Präsident Biden sprechen. «Wir haben die Schweizer Position zu den Sanktionen gegen Russland geschätzt», sagte er lediglich.
Zur Schweizer Kandidatur für einen nichtständigen Sitz im UNO-Sicherheitsrat, deren Wahl am 9. Juni in New York stattfindet, sagte Kerry, dass ein Land mit dem «Ruf» der Schweiz eine positive Rolle in dem Gremium spielen könne.
Kerry hatte Lust auf Schweizer Fruchtbonbons
Kerry hat offenbar eine Schwäche für fruchtige Bonbons aus Schweizer Produktion. Am Montag in Davos bemühte sich die Schweizer Delegation eifrig darum, ihm welche zu besorgen.
Kerry war zu einem Treffen mit dem Bundespräsidenten verabredet, als sich Cassis leicht verspätete, wie eine Quelle aus dem Umfeld des Treffens zur Nachrichtenagentur Keystone-SDA sagte.
Als der US-Gesandte während des Wartens fragte, ob Cassis' Mitarbeiter eines der berühmten Bonbons bei sich habe, wurde der Mitarbeiter angewiesen, sie in der Bündner Bergstation kaufen zu gehen. Dieser habe sich aufgemacht, ihm die gewünschten Bonbons zu besorgen – und konnte dem US-Sonderbeauftragten welche bringen.
Ukrainer stellen im ehemaligen «Russland Haus» Kriegsbilder aus
Dort, wo während des Weltwirtschaftsforum üblicherweise Russinnen und Russen verkehren, werden in diesen Tagen Bilder aus dem Ukraine-Krieg gezeigt. Die «Victor Pinchuk Foundation» hat das «Russland Haus» zum «Russland Kriegsverbrechen-Haus» umbenannt.
Gezeigt werden Fotos, die gemäss Angaben der Organisatoren seit Beginn des Krieges in der Ukraine bis Anfang Mai aufgenommen wurden. Es sei wichtig, «die Wahrheit zu zeigen», sagte Pressesprecherin Natalia Vovk der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Darum gehe es. Dabei könne aber nur ein Bruchteil davon gezeigt werden, was vor Ort passiere.
Am Weltwirtschaftsforum werde immer über die Zukunft diskutiert, sagte Vovk weiter. Aber in der Zukunft gehe es nicht um den Krieg, in der Zukunft gehe es um den Frieden. Wie viele andere Vertreterinnen und Vertreter aus der Ukraine betonte auch sie, dass die Ukrainerinnen und Ukrainer nicht nur die Ukraine verteidigten, sondern auch «menschliche Werte».
Mit der Ausstellung sollen die Menschen, die durch den Krieg ihr Leben verloren haben und eine «Zahl von Toten» geworden sind, wieder einen Namen bekommen. Sie wisse, dass die Schweiz die Ukraine unterstütze, sagte Vovk. Möglicherweise würden sie mit der Ausstellung an weiteren Stationen in der Schweiz halt machen.
Selenski erwähnte «Transformation des Russland Hauses»
Im «Russland Kriegsverbrechen-Haus» wurden verschiedene Persönlichkeiten erwartet, so etwa Helga Schmidt, Generalsekretärin der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und Anatolii Fedoruk, der Bürgermeister von Butscha. Die Ortschaft Butscha war wegen Gräueltaten während des Krieges bekannt geworden.
Vertreterinnen und Vertreter aus Russland waren dieses Jahr wegen Ukraine-Krieges und wegen der Sanktionen vom WEF ausgeschlossen worden. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski wurde am Montag via Videoschaltung zum WEF zugeschaltet und ging auch auf die «Transformation des Russland Hauses» ein.
Hinter dem «Haus der Kriegsverbrechen» steht die «Victor Pinchuk Foundation», eine internationale Stiftung mit Sitz in der Ukraine des ukrainischen Oligarchen Victor Pinchuk. Die Organisation führt derzeit gemäss eigenen Angaben Projekte durch, um den Opfern des russischen Angriffs auf die Ukraine zu helfen und die Aufmerksamkeit der internationalen Eliten auf die Ukraine zu lenken.
Klitschko: «In der heutigen Zeit kann man nicht mehr neutral sein»
Der Kiewer Bürgermeister Witali Klitschko hat am Open Forum anlässlich des Weltwirtschaftsforums in Davos deutlich gemacht was er von der Schweiz erwartet: Harte Sanktionen gegen Russland und Unterstützung der Ukraine.
«In der heutigen Zeit kann man nicht neutral sein. Die Welt ist schwarz oder weiss. Entweder man unterstützt die Ukraine oder Russland», sagte Klitschko am Montag in Davos vor Schweizer Medien.
Er appellierte, sofort alle Geschäfte mit Russland zu stoppen. Dieses Geld sei blutig, denn es fliesse direkt in die russische Armee. Die Sanktionen gegen Russland müssten hart sein, um den Krieg zu stoppen.
Selenskis Nachricht an die WEF-Teilnehmer
Schwab fragt, welche Message Selenski an die Teilnehmer des WEF hat.
Selenski: «Der Ukraine geht die Zeit aus. Ich weiss nicht, wie viel Zeit Europa und die Welt hat. Die Welt muss vereint sein gegen diese Aggression. Ich wünsche nur, dass Sie nicht das Gefühl der Einheit verlieren. Jeder sollte sich fragen: Was habe ich heute für die Ukraine getan?»
Schwab: «Ich schliesse diese Session damit zu sagen, dass wir alle mit Ihnen vereint sind». Selenski bedankt und verabschiedet sich. (ali)
Selenski über blockierte Getreideexporte
Schwab fragt nun nach den Getreideexporten, die unterbrochen sind. «Wie können wir helfen, um eine Ernährungskrise zu verhindern? Wie können wir Ihnen helfen?»
Selenski: «Die Priorität liegt darauf, die Seehäfen des Landes zu deblockieren. Die Russen stehlen unser Getreide. Sie verschiffen es in andere Länder, darauf müssen wir reagieren. Die ukrainische Diplomatie bemüht sich, den Verkauf des geschmuggelten Getreide zu unterbinden.» Wegen der Entblockierung der Häfen habe Selenski bereits mit dem britischen Premier Boris Johnson und anderen Spitzenpolitikern gesprochen. «Die Idee ist, einen Auslieferungskorridor zu erreichen, um das Getreide ausser Landes zu bekommen. Ein Teil des Getreides kann per Zug exportiert werden, um es zu den Häfen am Baltikum zu transportieren. Aber mit einem Nachbarn wie Russland gibt es keine einfache Lösung.» (ali)
Selenskis Vision für die Ukraine
Klaus Schwab stellt nun Fragen an den ukrainischen Präsidenten. «Wie sehen Sie die Ukraine in der Zukunft, was ist Ihre Vision?»
Selenski antwortet. «Allein am heutigen Tag gab es 87 Todesopfer, die Zukunft unseres Landes fängt ohne diese Menschen an. Der Sieg liegt aber vor uns. Wie haben nun gelernt, mit einem Nachbarn wie Russland ist alles möglich. daher spielt die Sicherheitspolitik auch in Zukunft eine entscheidende Rolle.» Er vergleicht hierbei Ukraine mit Israel. Ukraine muss die modernste Abwehr der Welt bekommen. «Dazu zählen auch neue Verteidigungsabkommen mit befreundeten Partnerstaaten. Für eine wirtschaftliche Entwicklung braucht es eben Sicherheit.» (ali)
Selenski spricht über den Wiederaufbau der Ukraine
Wolodimir Selenski wirbt um Firmen. Jede Firma, die Russland verlässt, könne ihre Aktivität in der Ukraine fortsetzen: «Ich lade Sie alle ein, am Wiederaufbau teilzunehmen.»
Selenski beziffert die Verluste auf drei Billionen Dollar.
Der ukrainische Präsident verweist auf die geplante Wiederaufbau-Konferenz in Lugano, die im Juli geplant ist. Alle Partner und Firmen sollen dort ihren Beitrag zum Wiederaufbau vorstellen, hofft er.
Die Ukraine stelle sich vor, dass jedes Partnerland, jede Firma, eine bestimmte Region oder eine bestimmte Industrie beim Wiederaufbau unterstützen könne, erklärte Selenski. Er dankte der Schweiz, dass sie dieses Treffen durchführen wird.
Damit soll künftigen Aggressoren die Motivation für Angriffe genommen werden
Im Kampf gegen Russland ist die Hilfe wirksamer, je früher sie kommt, wie zum Beispiel Waffenlieferungen.
«Wir brauchen alle Waffen, die wir kriegen können»: Der Finanzbedarf beträgt 5 Milliarden Dollar im Monat.
Er schlägt eine Hilfsplattform namens «United 2024» vor. Teilnehmende Staaten sollen einen Fonds öffnen, der Katastrophen oder im Falle eines Angriffs anderen Staaten schnell helfen kann. Das System soll quasi wie eine Notfallnummer funktionieren. Das sei aber nicht ganz einfach, könne aber auch in Zukunft helfen, Aggressoren abzuschrecken.
«Der Krieg Russland bringt Not, Hunger und Leid – nicht nur den Menschen in der Ukraine.»
Das Publikum erhebt sich und klatscht. (ali/sda)
Selenski: «Warten Sie nicht auf den Einsatz chemischer Waffen»
Wolodimir Selenski wendet sich an den Saal und greift das Motto «History of a turning point» auf. Nie sei dieses Motto wahrer als derzeit gewesen.
Das «Russia House» in Davos sei zum «Haus der War Crimes of Russia» geworden. «Das zeigt, wie sich dieses Land verändert hat».
Die Geschichte wird sich daran erinnern, was einzelne Personen anrichten können, wie bei der Beschiessung von Sarajewo im Jugoslawien-Krieg.
Hunderte Millionen Menschen machen Druck auf Regierungen und Unternehmen, um die Kontakte zum russischen Aggressor abzubrechen.
Selenski ruft dazu auf, die Sanktionen weiter zu verstärken, zum Beispiel ein Ölembargo, ein Embargo auf den IT-Sektor sowie gegen alle russischen Banken. Diese Massnahmen seien aber präventiv, sie seien nicht als Reaktion der Ereignisse zu verstehen. Das Maximum sei noch nicht erreicht. Mit Russland sollte kein Handel betrieben werden. Die Welt müsse einen Präzedenzfall schaffen. «Russland ist zu einem Land der Kriegsverbrecher geworden», sagt Selenski. Man wisse genau, was ein Aggressor macht, wenn er keinen Widerstand erfährt. «Warten Sie nicht auf den Einsatz chemischer Waffen.» (ali/sda/afp)
Schwab spricht vor Selenski
Applaus brandet auf, der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski erscheint auf dem Schirm. Wie immer im olivgrünen T-Shirt am Schreibtisch, mit zwei ukrainischen Fahnen im Hintergrund.
Klaus Schwab hält eine Einführung: 6 Millionen Ukraine mussten vor dem Krieg fliehen. «Die territoriale Integrität jedes Landes muss respektiert werden», mahnt der Gründer des WEF.
«Jeder ist betroffen davon, was in Ihrem Land geschieht. The floor is yours», schliesst Schwab. (ali)
Video-Ansprache von Wolodimir Selenski
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski wird um 11.15 eine Ansprache per Videoschaltung halten.
Bereits bei der WEF-Eröffnung durch Schwab und Cassis ist das grosse Auditorium fast ganz voll mit über 1000 Menschen. Die wollen vermutlich Selenski hören.
Die Rede scheint sich ein wenig zu verzögern. Schwab bittet die Teilnehmer um etwas Geduld. (ali)
SDA/red
Fehler gefunden?Jetzt melden.