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Mamablog
«Ohne neues Herz wäre ich innert Tagen gestorben»


Transplantationen retten Leben, bringen aber auch grosse Herausforderungen mit sich: Herzoperation am Universitätsspital in Lausanne.
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Ralf * , wir arbeiten seit kurzem zusammen und du hast mir erzählt, dass dir in deiner Jugend ein neues Herz eingesetzt wurde. Wie kam es dazu, warst du denn schon seit langem krank?

Überhaupt nicht. Im Gegenteil. Ich hatte nichts davon gemerkt, dass mein Herz nur noch eine geringe Leistungsfähigkeit hatte. Ich fühlte mich topfit und half zwei Wochen vor der Diagnose sogar noch zwölf Stunden bei einem Umzug mit, ohne irgendwelche Einschränkungen wahrzunehmen.

Und dann?

Am Abend nach dem Umzug holte mich ein solch starker Husten ein, dass ich nur noch erbrach. Erst erhielt ich vom Hausarzt Medikamente gegen Husten, doch das nützte nichts. Als ich schlussendlich im Notfall des Spitals landete, wurde auf dem Röntgenbild sichtbar, dass sich mein Herz stark vergrössert und sich im ganzen Körper grosse Wasseransammlungen gebildet hatten. Vier Tage später stellte der Kardiologe fest, dass mein Herz nur noch eine Pumpleistung von 15 Prozent aufweist. Diagnose: Herzinsuffizienz.

Das heisst, für dich musste ein neues Herz gefunden werden?

Nein, denn es muss nicht zwingend zu einer Transplantation kommen, man kann auch mit geringer Herzleistung leben. Doch nach zehn Tagen Beobachtung im Spital, verschlechtere sich mein Zustand rapide und ich erlitt einen kardiologischen Schock. Da sagte uns der Arzt, er könne nichts mehr für mich tun. Und da ich Medikamente abgrundtief hasse, käme für mich auch keine Transplantation infrage. Ich kann mich nicht mehr erinnern, was ich in diesem Augenblick gefühlt habe, der Schock war zu gross. Doch einen Tag später eröffnete mir der Arzt, dass eine Option auf eine Herztransplantation für mich bestünde.

Ich kann nur erahnen, wie es für dich sein musste, dich so jung und innert so kurzer Zeit für oder gegen das eigene Leben zu entscheiden. Welche Erinnerungen hast du an diesen Entscheidungsprozess?

Mein erster Gedanke war: «Nein, das mache ich nicht». Denn ich wusste, dass eine Transplantation eine lebenslängliche, starke Abhängigkeit von Medikamenten bedeutet. Als jemand, der noch nie Schmerzmittel bei Kopfweh genommen hatte, konnte ich mir solch ein Leben nicht vorstellen. Daraufhin hat mir das Unispital einen anderen Jugendlichen vermittelt, der bereits eine Organtransplantation hinter sich hatte. Ich war zwar schon viel zu schwach, um wirklich mit ihm reden zu können, hauptsächlich hat meine Mutter das Gespräch geführt. Doch was ich sah, war einen fitten, gesunden, jungen Mann an meinem Bett und ich dachte: «Gut, das kann ich auch!» So willigte ich in die Transplantation ein und bekam bereits nach sechs Tagen mein neues Herz eingepflanzt.

Man hört immer wieder, dass Menschen jahrelang auf ein Spenderorgan warten. Warum ging es bei dir so schnell?

Aufgrund der sehr hohen Dringlichkeit – und ausserdem hatte ich extrem viel Glück. Ohne neues Herz wäre ich innert Tagen gestorben.

«Das einzige, was noch ist wie vorher, ist meine Familie.»

Du hast damals wie heute bei deinen Eltern gelebt. Wie war die ganze Situation für deine Familie?

Meine Familie hat mich sehr unterstützt und war pausenlos bei mir. Meine Eltern haben mir aber auch den Raum für meine eigene Entscheidungsfindung gelassen. Sie waren und sind mir immer noch eine grosse Stütze. Eine schöne Geschichte dazu: Meine Mutter hat aufgrund meiner Krankheit wieder mit ihrer Schwester Kontakt aufgenommen, mit der sie schon länger zerstritten war. Sie versöhnten sich schliesslich und meine Tante war fortan auch an meiner Seite in dieser schwierigen Zeit. So gesehen bewirkte mein Schicksal auch etwas Gutes.

Inzwischen lebst du seit zwei Jahren mit deinem neuen Herz. Ist nun alles wieder wie zuvor?

Das einzige, was noch ist wie vorher, ist meine Familie und dass ich weiterhin bei ihr lebe. Ansonsten ist nichts mehr in meinem Leben, wie es einmal war.

Was hat sich geändert?

Alle zwölf Stunden muss ich bis zu sieben Tabletten einnehmen. Am Anfang waren es ganze 45! Diese Medikamente haben die Funktion, das Immunsystem zu unterdrücken, damit es das Organ nicht als Fremdkörper erkennt und abstösst. Im Gegenzug erhöht die Medikamenteneinnahme die Anfälligkeit für Infektionen und Tumore enorm. Schon ein Grippevirus kann für mich sehr gefährlich werden. Auch muss ich mich vor Dingen schützen, die eigentlich Lebensqualität bedeuten wie beispielsweise die Sonne. Denn ohne filterndes Immunsystem können Sonnenstrahlen sehr schnell zu Hautkrebs führen. Deswegen muss ich mich jeden Tag ausreichend mit hohem Sonnenschutzfaktor eincremen.

Meine eigene Jugend war geprägt von Spontanität, Unbedachtheit und einigen Verrücktheiten. Dinge, die du dir wohl nur noch höchst dosiert leisten kannst. Wie gut kannst du diese Kehrtwende deines Lebens annehmen?

Ich kann meine Geschichte nicht ändern. Sie ist, wie sie ist, und das Leben hält immer wieder neue Türen offen. Ich habe nie gehadert mit meinem Schicksal und mir auch nie die Frage gestellt: «Warum gerade ich?». Ich lebe – und dafür empfinde ich Dankbarkeit.

Wie ist dein Freundeskreis von damals mit deiner Transplantation umgegangen?

Für die allermeisten war der Umgang mit dem Thema zu schwierig. Sie hatten wohl Angst, etwas Falsches zu tun oder zu sagen. Bis auf zwei Kollegen haben sich alle von mir zurückgezogen – das konnte ich nachvollziehen. Aber ich fand neue Freunde, die mich annehmen, wie ich bin.

Wie denkst du jetzt, wo du all das erlebt hast, über Transplantationen?

Es ist wunderbar, dass die moderne Medizin diese Möglichkeit bietet. Sie hat mir ein zweites Leben geschenkt. Doch Transplantationen haben ihren Preis, was in der Öffentlichkeit zu wenig bekannt ist. Die meisten denken: Ah, ein neues Organ, schön, Happy End. Doch der Weg endete für mich nicht mit dem Einsetzen eines neuen Organs, sondern begann erst so richtig damit. Mit all seinen Herausforderungen. Und das sind nicht wenige.

* Name geändert

Am Samstag 12.September ist der Tag der Organspende. Hier finden Sie weitere Informationen.

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