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Folgen der US-Wahlen
«Ohne Donald Trump wird nicht alles automatisch besser»

Wirtschaftsprofessor David Dorn: Einmalig, dass die aktuelle US-Regierung offen ausländerfeindliche und rassistische Positionen vertreten habe.
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Wie hat es der damalige Aussenseiter Donald Trump im Jahr 2016 geschafft, Präsident der USA zu werden? Viel wurde darüber geschrieben, aber wenige Studien hatten ein solches Gewicht wie jene des Wirtschaftsprofessors David Dorn, die er in Zusammenarbeit mit Kollegen in den USA erstellt hat. Der Zürcher hat dort mehrere Jahre auch an führenden Universitäten geforscht. Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass der Druck auf die Beschäftigten in der US-Industrie durch chinesische Importe einen wesentlichen Anteil an Trumps Wahlerfolg hatte.

In weiteren Studien konnten Dorn und seine Kollegen deutlich machen, wie die Importe in einigen Regionen der USA nicht nur viele relativ gut bezahlte Jobs vernichtet haben, sondern wie das in der Folge auch zu einer gewissen sozialen Verelendung geführt hat.

«In den letzten Jahrzehnten hat die dortige Wirtschaft eine Entwicklung genommen, die erhebliche Schwächen des amerikanischen Kapitalismus offenbart hat.»

David Dorn, Ökonom

Wie beurteilt Dorn die Lage vor der aktuellen Wahl? Um die Entwicklung in den USA besser zu verstehen verweist er auf die jüngste Geschichte: «In den letzten Jahrzehnten hat die dortige Wirtschaft eine Entwicklung genommen, die erhebliche Schwächen des amerikanischen Kapitalismus offenbart hat.» Zwar sei es dem Land gelungen, das Pro-Kopf-Einkommen im Durchschnitt stärker zu steigern als in vielen europäischen Ländern, «doch in grossen Bevölkerungsgruppen mit niedrigen Löhnen sind die Einkommen gefallen, während die Gewinne der Entwicklung überproportional den Hoch- und Höchstverdienern zugutekamen.»

Die Corona-Krise hat alles noch schlimmer gemacht

Mit der Corona-Krise habe sich die Lage noch weiter verschärft: «Es kam zu einem historisch einzigartigen Anstieg der Arbeitslosigkeit, der wohl auch längerfristige Bremsspuren hinterlassen wird.» Damit meint er, dass viele Jobs auch für die Zukunft verloren bleiben. «Schon im Nachgang der Finanzkrise blieb die Arbeitslosigkeit in besonders stark betroffenen Städten noch sehr lange aussergewöhnlich hoch.»

Besonders problematisch komme in den USA dazu, dass das Land im Vergleich zu Europa oder nur schon zum Nachbarn Kanada über ein sehr viel weniger ausgebautes Wohlfahrtssystem verfüge: «Arme und Arbeitslose werden viel weniger unterstützt, selbst eine gute Gesundheitsversorgung ist nicht automatisch gewährleistet», erläutert Dorn.

Doch was hat das mit Donald Trump zu tun? Eine Situation mit steigender Ungleichheit und abnehmenden Einkommen bei den Geringverdienenden führe zwangsläufig zu grossen Spannungen in einer demokratischen Gesellschaft. Der Ökonom erklärt das so: «Jenen Gesellschaftsgruppen, die einen wirtschaftlichen Abstieg erlebt haben oder noch befürchten müssen, ist nicht mehr klar, weshalb sie eine Wirtschaftspolitik mittragen sollen, die zu einem grösseren Wachstum führt, an dem sie selbst jedoch keinen Anteil haben.» Zu dieser Wirtschaftspolitik gehört auch Offenheit gegenüber Immigration und Freihandel. «Beides hat Trump deutlich eingeschränkt, obwohl unter Experten weitgehend Einigkeit darüber herrscht, dass starke Eingriffe in diesen Bereichen der Wirtschaft eher schaden als nützen.»

«Die USA agiert im Bereich des Güterhandels aus einer Position der Schwäche.»

David Dorn, Ökonom

Da vor allem die Schweiz enorm auf einen offenen Welthandel angewiesen ist, wäre ein Ende des Trump’schen Protektionismus hierzulande sehr erwünscht. Doch wie stehen die Chancen dafür? David Dorn warnt vor zu viel Euphorie im Fall einer Abwahl des aktuellen Präsidenten. «Die USA agiert im Bereich des Güterhandels aus einer Position der Schwäche», meint er. Die heimische Industrie habe bereits seit den 1990er-Jahren massiv Beschäftigung verloren und in vielen Bereich an Wettbewerbsfähigkeit eingebüsst.

«Gerade die Schwerindustrie befindet sich in Staaten, die am Ende die Wahlen entscheiden können, deshalb ist anzunehmen, dass eine verstärkte Neigung zum Protektionismus fortbestehen wird.» Schliesslich, so merkt Dorn an, hätte eine Entwicklung in dieser Richtung bereits unter Trumps Vorgänger Barack Obama begonnen, als verschiedene kleinere Handelsbeschränkungen eingeführt wurden. «Ohne Donald Trump wird nicht alles automatisch besser», schlussfolgert er.

Die tieferen Ursachen des Handelsstreits

Auch die Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und China gehen nicht bloss auf Donald Trump zurück, und sie enden auch bei seinem Abgang kaum: «Der Konflikt zwischen China und den USA dreht sich um mehr als um konkrete Handelspraktiken, die man in den USA als unfair empfindet», sagt Dorn. Hier gehe es um einen viel grundlegenderen Konflikt, nämlich um die Machtverteilung zwischen den beiden Supermächten. «Eine Regierung unter Biden wird sich wohl diplomatischer ausdrücken, aber in der Sache dürften die wirtschaftlichen und politischen Spannungen nach einem Machtwechsel nicht einfach abklingen.»

Und wie sieht es bei der Immigration aus? Wie David Dorn ausführt, kennt jedes reiche Land Beschränkungen bei der Zuwanderung. In den USA gab es die auch bereits vor Donald Trump, und es wird sie nach ihm geben. «Bei der aktuellen US-Regierung war aber einmalig, dass offen ausländerfeindliche und rassistische Positionen vertreten wurden und teilweise dramatische Massnahmen beschlossen wurden.» Hierzu zählt der Wirtschaftsprofessor den Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko und das Trennen von Eltern und Kindern bei Immigranten sowie generelle Einreiseverbote für Bürger einiger muslimischer Staaten. «Ich denke, unter einer Regierung der Demokraten werden wir solch drastische Massnahmen nicht mehr sehen», sagt Dorn.

Die grössten Änderungen erwartet der Ökonom bei einem Machtwechsel in den USA selbst: «Wenn es nun zum politischen Wechsel kommt – was ich erwarte –, werden Forderungen nach einem besseren Gesundheitssystem und nach einer finanziellen Umverteilung wieder bessere Chancen haben.» Laut dem Ökonomen dürfte die Corona-Krise mit dazu beitragen. Durch die Zuschüsse an wenig verdienende Haushalte während der Krise seien viele von ihnen sogar zu einem höheren Einkommen gekommen als in guten Zeiten. Ausserdem sei das Bewusstsein für die Bedeutung einer bezahlbaren Gesundheitsversorgung durch die Krise deutlich gestiegen.