Greenwashing in der ModebrancheÖko-Labels bei Kleidern versprechen viel und halten wenig
Nachhaltigkeitslabels für Kleider aus Tierfasern wie Daunen, Kaschmir- und Merinowolle gibt es unzählige. Die Versprechen an den Kunden sind gross, doch gehalten werden sie oft nicht.
Jacken und Pullover aus Daunen, Kaschmir oder Merinowolle halten uns den Winter über schön warm. Daunenfedern sind luftig leicht. Kaschmir- und Merinowolle fühlen sich angenehm auf der Haut an und beissen nicht, wie es bei Wollpullovern schnell mal der Fall sein kann. Doch die wohlige Wärme hat eine Haken: Die Praktiken zur Gewinnung dieser wertvollen Rohstoffe von Gänsen, Kaschmirziegen und Merinoschafen sind äusserst umstritten.
Eine steigende Nachfrage nach Produkten aus tierfreundlicher Haltung gibt es nicht nur bei Lebensmitteln, auch beim Kauf von Kleidern achten Konsumentinnen vermehrt auf die Nachverfolgbarkeit der Materialien. Auf diesen Trend reagiert die Modebranche mit zahlreichen Initiativen, Labels und Zertifizierungen. Solche Gütesiegel sollen den Einkauf für Konsumenten einfacher machen, indem sie Transparenz über die Herkunft der verwendeten Materialien schaffen.
«Sobald die Federn gereinigt sind, kann man nicht mehr erkennen, ob für die Federn nun Lebendrupf oder nicht stattgefunden hat.»
Bei Daunenfedern gibt es den «Responsible Down Standard» sowie den «Down Pass». Beide Labels versprechen Kundinnen, dass keine Gänse und Enten lebend gerupft werden. Laut Johanna Fuoss von der Tierschutzorganisation Peta ist es jedoch gar nicht möglich nachzuweisen, ob die Federn von einem Tier stammen, das lebendig gerupft wurde oder nicht. Für Hersteller ist der Lebendrupf profitabler, weil sie alle sechs Wochen die Gänse während der Mästung rupfen. «Sobald die Federn gereinigt sind, kann man nicht mehr erkennen, ob für die Federn nun Lebendrupf oder nicht stattgefunden hat», so die Textil- und Bekleidungsexpertin.
Wirrwarr bei Gütesiegeln für Tierfasern
Eine regelrechte Labelflut findet sich bei Wollprodukten: «Responsible Wool Standard», «The Good Cashmere Standard», «ZQ Merino» – die Liste ist lang. Bei den nachhaltigen Wolllabels wird zum Beispiel versprochen, dass die Schafe artgerecht gehalten werden und man an ihnen nicht Methoden wie «Mulesing» anwendet. Dabei wird Schafen ohne Betäubung Haut am Gesäss entfernt, damit sie weniger Schädlingsbefälle an der kostbaren Wolle haben und Händler ihren Schurertrag steigern können. «Im Unterschied zur Daunenherstellung lässt sich Mulesing bei den Schafen nachweisen. Aber auch wenn eine Marke einem Nachhaltigkeitslabel untersteht, gibt es höchstens einmal jährlich eine Überprüfung, oft auch nur alle zwei bis drei Jahre», so Fuoss.
Viele Hersteller haben zudem ihre eigenen Nachhaltigkeitslabels eingeführt, darunter H&M mit der «Conscious Collection». Es handle sich dabei um eine Verzögerungstaktik der Hersteller: «Jeder kann sich so seine eigenen Standards setzen, die weder vergleichbar noch messbar sind, das ist eine billige Lösung», sagt Trendforscherin Karin Frick vom Gottlieb Duttweiler Institut.
Auf Anfrage von Tamedia heisst es bei H&M: «Das Conscious Label ist nur ein weiterer Schritt von uns, um proaktiv in Richtung Nachhaltigkeit voranzukommen.» Es diene nicht als Alternative zu den anderen globalen Standards, darunter den Responsible Wool Standard und Responsible Down Standard, die H&M unterstütze und einhalte.
«Es ist wichtig, Transparenz einzufordern.»
Es gibt unter all den Labels auch Eigensiegel, die nach Einschätzung eines Experten halten, was sie versprechen. «Der Standard BioRe von der Marke Remei bei Baumwolle und deren Weiterverarbeitung besitzt beispielsweise sehr strenge Richtlinien», so Tobias Meier von der Beratungsfirma Ecos und Präsident des Verbands Swiss Fair Trade. Doch unabhängige Zertifizierungen und Audits seien sicher sinnvoller und vertrauenswürdiger und für die Konsumentinnen einfacher zu identifizieren. Und dort, wo eigene Labels verwendet würden, sei eine transparente Information noch wichtiger. Er rät Konsumenten, hier kritisch zu sein und direkt bei den Marken und Händlern nachzufragen: «Es ist wichtig, Transparenz einzufordern.» Auch Überprüfungsplattformen wie Siegelklarheit und Labelinfo können im Zweifelsfall helfen.
Auch teure Produkte bieten keine Garantie
An Transparenz und Nachverfolgbarkeit mangle es in allen Preissegmenten. Doch das sei momentan ein grosses Thema in der Branche, sagt Meier. «Immer mehr Unternehmen versuchen, ihre Lieferkette transparent aufzuzeigen», so der Experte. Viele Marken tun dies mithilfe eines QR-Codes. So können Konsumenten gleich im Laden überprüfen, woher das Garn für die kuschelige Strickjake kommt. Auch ein Schweizer Start-up mischt hier mit. Die Firma Haelixa erstellt digitale Lösungen für Firmen, wie sie ihre Produkte für Kunden rückverfolgbar vom Hersteller bis zum Einzelhandel machen können.
«Transparenz gegenüber den Endkonsumentinnen allein macht noch keine Nachhaltigkeit.»
Aber mit einer transparenten Nachverfolgung der Materialien allein ist noch nicht viel erreicht. «Transparenz gegenüber den Endkonsumentinnen allein macht noch keine Nachhaltigkeit», sagt Nina Bachmann vom Schweizer Textilverband Swiss Textiles. In der Regel können Kunden mit Angaben zu Herstellern wenig anfangen. Die Nachverfolgbarkeit sei ausschliesslich für das Unternehmen selbst wichtig, um überhaupt Nachhaltigkeitsmassnahmen in der gesamten Lieferkette umsetzen zu können. «Anders gesagt: Nachverfolgbarkeit ist eine Voraussetzung für Nachhaltigkeit, muss aber nicht zwingend nach aussen kommuniziert werden.»
Wem der Labeldschungel zu kompliziert ist und wer dennoch auf Nummer sicher gehen will, dass er mit dem Kauf der neuen Winterjacke oder eines Strickpullovers kein Tierleid verursacht, kann auf alternative Stoffe umsteigen. So gibt es verschiedene pflanzliche und synthetische Alternativen. Die Pflanze Kapok bietet beispielsweise eine Alternative zu Daunen. Und auch im Labor werden bereits Stofffasern gezüchtet, mit denen Leder, Fell und Wolle nachgemacht werden können.
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