Replik zu oben ohneBedeckt eure Brüste – wenn ihr wollt!
Sollen sich Frauen öffentlich öfter oben ohne zeigen? Solange nackte Haut als eine Einladung zur Belästigung verstanden wird, ist diese Debatte überflüssig, sagt unsere Autorin.
«Frauen, bedeckt eure Brüste», titelte diese Redaktion letzte Woche. Es folgte ein Plädoyer für weniger nackte Haut im öffentlichen Raum – von Männern, aber vor allem auch von Frauen. Hintergrund ist der Trend, dass immer mehr Frauen auch halb nackt Sport treiben oder sich in der Öffentlichkeit bewegen wollen.
Als ich diesen Frühling in New York war und all die mehr oder weniger gestählten Männer sah, die halb nackt durch den Central Park joggten, wirkte das auf mich doch recht bemüht. Und die Vorstellung, dass verschwitzte halb nackte Männer – oder eben auch Frauen – nach einer intensiven Sportrunde neben einem im Tram stehen, finde ich ebenfalls nicht gerade prickelnd: der Schweiss, die Ausdünstungen, so viel fremde Körperlichkeit in meiner Nähe. Mir scheint das eine Frage des Respekts und des Anstands – und nicht des Geschlechts.
Ich bin also keine Verfechterin des Oben-ohne-Trends. Und ich mag – auch als Feministin – nicht mehr darüber diskutieren, ob Frauen einen BH tragen sollen oder nicht. Jede und jeder soll das anziehen, was sie oder er möchte. Eine Joggingrunde ohne Sport-BH stelle ich mir vor allem unglaublich unbequem vor.
In der Debatte, ob Frauen sich nun mehr oben ohne in der Öffentlichkeit bewegen dürfen, fehlt jedoch ein entscheidender Punkt: Frauen- und Männerkörper werden im öffentlichen Raum nicht gleich behandelt. Um das zu erkennen, muss man sich als Frau gar nicht erst ausziehen.
Sprüche, Pfiffe und Abwertungen
Jede Frau könnte ein Buch mit Anekdoten füllen, in denen sie beleidigt, angemacht oder angestarrt wurde, weil sie ein körperbetontes Kleid, einen Ausschnitt oder einen Rock trug. Oder einfach nur, weil sie auf einem Trottoir entlangspazierte – und eine Frau ist. Solange nackte Haut – oder auch nur die zarte Betonung von Weiblichkeit – in unserer Gesellschaft als Einladung verstanden wird, Frauen zu belästigen, ist es lächerlich, Frauen in Sachen Nacktheit um Zurückhaltung zu bitten.
Es sind all die Sprüche, die Pfiffe, die permanente Bewertung und Abwertung des weiblichen Körpers, die die meisten Frauen sowieso davon abhalten, sich oben ohne in der Öffentlichkeit zu bewegen. Der Grund dafür liegt in einem simplen, sexistischen Narrativ: Der weibliche Körper ist per se etwas Sexuelles. Und der Mann? Der zeigt nach wie vor Wampe oder Waschbrettbauch – weil er es kann.
Eigentlich müssten wir doch viel dringender darüber reden, wie wir dieses rückständige Narrativ durchbrechen – für Frauen und für Männer. Indem wir zum Beispiel reflektieren, was denn der Unterschied zwischen einem netten Kompliment und einer unangenehmen Anzüglichkeit ist. Oder weshalb wir den Körper von Frauen in der Kletterhalle anders objektivieren als jenen von Männern. Anstatt uns mit der Frage zu beschäftigen, was Frauen anzuziehen haben. Oder eben nicht.
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