Erste Bilder aus der KathedraleNotre-Dame in Paris erstrahlt innen in neuem Glanz – aussen bleibt die Baustelle
Frankreichs Präsident Macron bestaunt das renovierte Interieur. Kurz vor der Wiedereröffnung stehen aber immer noch Gerüste um die Kirche.
Nach mehr als fünf Jahren Renovierungsarbeiten ist am Freitag das neue Interieur der berühmten Kirche Notre-Dame in Paris der Öffentlichkeit gezeigt worden. Bildern von einem Besuch von Präsident Emmanuel Macron war zu entnehmen, dass das Mauerwerk der Kathedrale drinnen cremefarben ist und so gut wie neu aussieht – Spuren des Brands von 2019 waren beseitigt.
Die Tour Macrons durch die Kathedrale wurde live übertragen. Er betrat die Kirche über die riesigen Vordertüren und hatte einen staunenden Blick, als er zum Deckengewölbe nach oben sah.
Auch die Glocken von Notre Dame erklingen wieder, doch die fast 900 Jahre alte Kathedrale erstrahlt längst nicht wieder im alten Glanz. An der Aussenfassade stehen nach wie vor die Gerüste, Kräne ragen in die Luft und viele Pariser stellen sich die Frage, ob die feierliche Wiedereröffnung kommende Woche nicht eher nur symbolischer Natur ist.
Macron wird am 7. Dezember mit einer Rede am Vorhof von Notre Dame die Kathedrale wieder für die Öffentlichkeit freigeben. Am 8. Dezember findet dann die erste Messe dort statt. Der französische Präsident hatte nach dem Brand im April 2019 gesagt, man werde die Kathedrale innerhalb von nur fünf Jahren wieder aufbauen – schöner als zuvor. Die Realität sieht anders aus.
Im Inneren ist soweit alles bereit, um die Gläubigen und Touristen wieder zu empfangen, aber die Gerüste am restaurierten Turm werden noch im kommenden Jahr dort stehen bleiben. Jene an der Ostseite der Kathedrale bleiben sogar noch weitere drei Jahre, wie der für die Restaurierung zuständige Philippe Jost der Nachrichtenagentur AP im Oktober sagte.
Ganz unerwartet kommt es also nicht, dass zur feierlichen Eröffnung nicht alles ist wie vorher – oder gar noch schöner. Doch viele Pariser sind die Baustelle längst leid und wünschen sich das alte Wahrzeichen an der Seine zurück. «Es ist ein Schandfleck», sagt die 54-jährige Anwältin Anne Leclerc. «Es fühlt sich an wie ein halbfertiges Projekt.»
Jean-Baptiste Lefèvre, ein 65-jähriger Lehrer im Ruhestand, erinnert an Macrons grossmundiges Versprechen und fragt sich, ob die Wiedereröffnung eher dazu dient, Macron zufriedenzustellen. Dessen zweite und letzte Amtszeit endet im Jahr 2027. «Das ist Politik, und er will, dass es fertig wird, solange er noch Präsident ist», meint Lefèvre und zeigt auf einen Kran. «Was nützt eine so grosse Wiedereröffnung, wenn sie noch gar nicht abgeschlossen ist? Es sieht aus wie eine Baustelle.»
In Notre Dame wurde allerdings auch schon vor dem Brand gebaut. Im Jahr 2019 wurden bereits Gerüste für andere Restaurierungsarbeiten aufgestellt, die wegen des Brandes vom 15. April nicht abgeschlossen werden konnten. Diese Struktur aus geschmolzenem, verbogenem Metall musste dann entfernt werden, bevor der Wiederaufbau überhaupt beginnen konnte.
Einige der schlimmsten Schäden betrafen das Dach des mittelalterlichen Monuments und sein dichtes Fachwerk aus Holzbalken, das so kompliziert ist, dass es den Spitznamen «Der Wald» erhielt. Die Flammen brachten auch die Turmspitze zum Einsturz, wodurch verkohlte Trümmer in das Innere der Kathedrale fielen.
Architekturexperten sagen, dass das Tempo der Restaurierung bemerkenswert ist, vor allem angesichts der Sicherheitsvorschriften des 21. Jahrhunderts und der originalgetreuen Umsetzung. Auch Historiker mahnen zur Geduld und erinnern daran, dass der ursprüngliche Bau von Notre Dame ab dem Jahr 1163 fast 200 Jahre dauerte. Und dann lag ja zwischen dem Brand und der Wiedereröffnung noch eine Pandemie.
Nichtsdestotrotz, für Macron ist die Restaurierung ein Prestigeprojekt, ein Zeichen dessen, wozu die Franzosen fähig sind, auch noch am Ende eines Mammutjahrs, das die Olympischen Sommerspiele nach Paris brachte.
Der Élysée-Palast lobt das orginalgetreu wieder aufgebaute Mauerwerk und das nun wieder strahlende goldene Kreuz am Altar. Die Wandgemälde seien wieder so lebendig und farbenfroh wie bei ihrer Entstehung und auch Skulpturen von Louis XIII. und Louis XIV. glänzten in neuen Farben.
Von all dem soll sich auch die Öffentlichkeit überzeugen können – und zwar zunächst gratis. In der ersten Woche der Wiedereröffnung ab dem 8. Dezember bleibt die Kathedrale ohne Eintritt bis 22 Uhr zugänglich. Ab dem 16. Dezember soll dann auch das liturgische Leben wieder normal anlaufen.
Der Erzbischof von Paris, Laurent Ulrich, rechnet damit, dass nach der Wiedereröffnung bis zu 15 Millionen Menschen pro Jahr Notre Dame besuchen werden – mehr als vor dem Brand – und er hofft, dass die meisten von ihnen über die Gerüste an der Fassade hinwegsehen.
DPA/anf
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