Durchbruch bei FrauenförderungNoch nie gab es so viele Chefinnen in Schweizer Firmen
Die hundert grössten Arbeitgeber haben 36 Prozent der freien Posten auf der Teppichetage mit Frauen besetzt. Besonders stark ist die Zunahme bei den Konzernchefinnen. Dennoch gibt es eine Ernüchterung.
Im vergangenen Jahr sind so viele Frauen wie nie in die Geschäftsleitung der hundert grössten Schweizer Arbeitgebenden aufgerückt. 36 Prozent der freien Posten wurden mit Frauen besetzt. Auch die Zahl der Konzernchefinnen hat mit einem Plus von 80 Prozent eine Rekordzunahme hingelegt.
«Jetzt ist es zu einem Durchbruch gekommen», sagt Guido Schilling. Der Personalberater und Kadervermittler gibt jährlich den Schillingreport heraus, der die Entwicklung des Frauenanteils im Kader der Schweizer Wirtschaft untersucht.
Nur neun der hundert grössten Firmen werden von Frauen geführt
Ein genauerer Blick ernüchtert allerdings. Waren es bislang fünf Frauen, die eines der hundert grössten Unternehmen führten, sind es nun neun. Das ist nicht wirklich viel. Unter den zwanzig Konzernen des Schweizer Aktien-Leitindex SMI gibt es keinen einzigen, der von einer Frau geführt wird. Die Konzernchefinnen finden sich lediglich bei den weniger prominenten Firmen.
Weil ihre Zahl so überschaubar ist, führen wir sie hier auf: Désirée Baer (SBB Cargo), Philomena Colatrella (CSS), Pia Fach (Gemeinschaftsgastronomie bei SV Schweiz), Sabine Keller-Busse (UBS Schweiz), Magdalena Martullo-Blocher (Ems Chemie), Michèle Rodoni (Mobiliar), Sabina Soussan (Dormakaba, inzwischen Chefin der französischen Suez), Aglaë Strachwitz (McDonald’s Schweiz) und Suzanne Thoma (BKW).
Was bei den neun Schweizer Konzernchefinnen auffällt: Alle – bis auf die Ausnahme des kurzen Gastspiels von Soussan – sind intern aufgestiegen, kein Unternehmen hat den Chefinnenposten mit einer externen Kandidatin besetzt. «Es lohnt sich, für Firmen starke Frauen intern aufzubauen. Verwaltungsräte haben offenbar zu Frauen aus dem eigenen Unternehmen mehr Vertrauen, um sie für die Spitzenposition vorzusehen, als wenn sie von extern kommen», sagt Guido Schilling.
Blickt man auf die Konzerne des SMI, findet sich dort zwar keine Chefin, aber immerhin ist die Zahl der Frauen in der Geschäftsleitung doch rasant gestiegen: Von den frei gewordenen Top-Positionen sind 45 Prozent mit Frauen besetzt worden, so der Schillingreport. Das ist Rekord.
«Die Firmen haben inzwischen eine Vielzahl an Kandidatinnen in ihrem mittleren Kader herangezogen, die nun beginnen, ins oberste Management aufzurücken.»
Der Einzug der Frauen in die Teppichetage schreitet also immer schneller voran. Die Dynamik hat einen Grund: «Die Firmen haben inzwischen eine Vielzahl an Kandidatinnen in ihrem mittleren Kader herangezogen, die nun beginnen, ins oberste Management aufzurücken», erklärt Schilling. «Es wird jetzt eine exponentielle Entwicklung geben.» Sprich: Aus den Schweizer Chef-Etagen werden Chefinnen-Etagen. Der Anteil an Frauen ganz oben wird rasant zunehmen.
Die Richtwerte des Bundes werden schneller als gedacht erreicht. Laut revidiertem Aktienrecht müssen es die Firmen schaffen, ihre Geschäftsleitung in den nächsten zehn Jahren mit mindestens 20 Prozent Frauen zu besetzen. Ihr tatsächlicher Anteil stieg vergangenes Jahr auf 19 Prozent – damit ist der geforderte Wert schon so gut wie geschafft.
Für den VerwaItungsrat schreibt der Bund einen Frauenanteil von mindestens 30 Prozent vor. Das soll in den nächsten fünf Jahren erfüllt werden. Laut Schillingreport stieg der Wert im vergangenen Jahr auf 24 Prozent. Auch hier dürfte der Richtwert bald hinfällig werden – weil er übererfüllt ist.
Fehler gefunden?Jetzt melden.