Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Wichtigste Wasserstrasse der Schweiz
Noch ein paar Zentimeter, dann geht auf dem Rhein fast nichts mehr

Eine der wichtigsten Wasserstrassen Europas droht stellenweise unpassierbar zu werden. Das hat Folgen für die Schweiz.  
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Auf dem Rhein ist die Durchfahrt für grosse Frachtschiffe inzwischen fast unmöglich. Grund ist der niedrige Wasserstand. 38 Zentimeter zeigte der Pegel an der Kontrollstelle in Kaub in Deutschland am Freitagabend an – Kategorie «mittleres Niedrigwasser». Das heisst: Bald kaum noch zu passieren für herkömmliche Frachtschiffe. Zumindest nicht mehr so, dass es sich lohnt.

Es wurde bereits erwartet, dass der Pegel am Freitag auf die kritische Marke von 40 Zentimeter fällt – und am Wochenende darunter. Nun wurde die kritische Marke bereits am Freitagabend erreicht. Eine der wichtigsten Wasserstrassen Europas wird damit vorerst beinahe unpassierbar. Das hat Folgen für die Schweiz.

Auf dem Rhein kommen diverse Güter ins Land – von Treibstoff über Getreide, Kohle, Baustoffe bis hin zu Pfannen aus China und Kleidung aus Vietnam. Insgesamt gelangen etwa 10 Prozent aller Importe über die Wasserstrasse zwischen Basel und Rotterdam in die Schweiz. 

Zwar sei es nicht so, dass nun gar keine Frachtschiffe mehr in Basel ankämen, sagt eine Sprecherin der Schweizerischen Rheinhäfen. Denn anders als bei Hochwasser gebe es kein behördliches Verbot, weiterhin auf dem Rhein zu fahren. Jeder Schiffsführer und jede Schiffsführerin könne selbst entscheiden, ob das Risiko vertretbar sei.

De facto hätten bereits in den vergangenen Tagen und Wochen einige aufgrund einer möglichen Berührung des Grundes oder wegen fehlender Wirtschaftlichkeit lieber davon abgesehen. Die Sprecherin sagt: «Es kommen in Basel deutlich weniger Schiffe an.» 

Satellitenaufnahmen vom Rhein bei Kaub zeigen deutlich, wie der Wasserstand gesunken ist: Im Mai ist noch alles grün und der Fluss hat seine normale Breite…
…im August tritt das Ufer hervor, ganze Inseln werden sichtbar.

Konkrete Auswirkungen hatte der seit Wochen niedrige Wasserstand bereits auf die Lieferungen von Mineralölprodukten. «Aufgrund logistischer Engpässe auf dem Rhein und bei ausländischen Bahnen kann der Nachschub von Mineralölprodukten nicht gewährleistet werden», hatte das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) unlängst mitgeteilt und die Pflichtlager geöffnet. 

Mit dem weiter gesunkenen Pegel dürfte sich die Lage weiter zuspitzen: Die Versorgung mit Mineralölprodukten sei derzeit gesichert, aber «sehr angespannt», erklärte das BWL am Dienstag in seinem wöchentlichen Lagebulletin. Falls die Engpässe anhalten, will es weitere Pflichtlager freigeben.

Die Vereinigung der Erdölimporteure Avenergy Suisse versucht zu beruhigen. «Es droht keine Knappheit, Autofahrerinnen und Autofahrer müssen sich keine Sorgen machen», so der Leiter Politik von Avenergy, Ueli Bamert. Lieferausfälle könnten über die anderen Transportwege oder Pflichtlager gedeckt werden. Sollte gar nichts mehr importiert werden, könnten diese die Versorgung mit Benzin, Diesel und Heizöl für 4,5 Monate sicherstellen.

1 / 3
Niedrigwasser in Düsseldorf. In den nächsten Tagen dürfte der Pegel gar weiter absinken. 
Geburtstagsfeier am Rheinufer: In Bonn veranstaltet eine Familie aus Anlass eines 50sten Geburtags ein Picknick. 
Das Rheinufer tritt deutlich hervor, ganze Inseln werden sichtbar. Der Fluss ist viel schmaler geworden – und für die grossen Tanker wird es eng. 

Wie lange der Rhein nur schwer passierbar bleibt, ist nicht absehbar. Auch in den kommenden Tagen dürfte es warm bleiben, grössere Mengen an Niederschlag sind nicht in Sicht. Damit wird die Lage am Rhein, dem nach geringen Schneefällen und bei schrumpfenden Gletschern schon zu Jahresbeginn Schmelzwasser fehlte, zunehmend kritisch.

Lieferverzögerungen und Kurzarbeit bei Reedereien

Diese Transportprobleme schlagen auf die Frachtpreise durch. Es verkehren merklich weniger Schiffe, und sie können weniger Ladung transportieren. Somit steigt der Transportpreis für die beförderte Ware. Die Preise sind jedoch bereits vergleichsweise hoch – wegen des Ukraine-Kriegs und der erhöhten Energiekosten.

Inwiefern sich das auf die Preise für die importierten Waren auswirkt, ist offen. Bei Heizöl und Benzin machen die Transportkosten laut André Auderset, Geschäftsführer der Schweizerischen Vereinigung für Schifffahrt und Hafenwirtschaft, nur einen geringen Teil der Gesamtkosten aus. Für die Kunden komme es daher zu keiner Verteuerung. Allerdings sinken die Benzinpreise nicht, obwohl die Rohölpreise auf den tiefsten Stand seit dem Kriegsbeginn in der Ukraine gesunken sind.

Anders sieht es bei Getreide aus. Dort schlagen die höheren Transportkosten sehr wohl zu Buche. «Brot wird teurer», erwartet Christoph Adam, Mitglied der Geschäftsleitung des Basler Logistikdienstleisters Ultra Brag. Der Preisschub hat mit dem Ukraine-Krieg jedoch schon davor eingesetzt. 

Wirkliche Alternativen zum Transport über den Rhein in die Schweiz gibt es nach Einschätzung von André Auderset nicht. Der Strassentransport sei zu teuer, und die Bahn habe nicht genügend Kapazitäten. Damit müssten sich die Kundinnen und Kunden auf Lieferverzögerungen einstellen. 

Von den Schweizer Firmen transportiert etwa Holcim Güter auf dem Rhein, insbesondere Zement und Zuschlagsstoffe. «Derzeit ist die Zuladung geringer. Doch die Versorgung der Kunden und Werke ist gewährleistet», sagt ein Sprecher von Holcim. Falls der Schiffsverkehr temporär ganz ausfallen sollte, würden diese Güter mit anderen Verkehrsträgern transportiert.

Das Niedrigwasser führt dazu, dass im Rheinhafen Basel immer weniger Frachtschiffe ankommen. 

Der niedrige Wasserstand hat auch Folgen für die Reedereien und ihre Mitarbeitenden sowie für die Hafenfirmen entlang des Rheins: Bereits beim letzten Niedrigwasser im Jahr 2018 mussten viele von ihnen Verluste hinnehmen und Kurzarbeit anmelden.

Damals fiel der Pegel im Rhein während 17 Tagen unter 40 Zentimeter, während weiterer 12 Tage sogar unter 30 Zentimeter. Die Schifffahrt stand rund einen Monat still.