Kommentar zur Schliessung von KultureinrichtungenNichts als konsequent
Der Bundesrat hat den föderalistischen Flickenteppich an Anti-Corona-Massnahmen im Kulturbereich bereinigt.
«Lob der Inkonsequenz» heisst ein Essay des polnischen Philosophen Leszek Kolakowski: In der Inkonsequenz sieht er eine Quelle von Toleranz und eine Absage an Fanatismus. Sein Plädoyer richtet sich gegen radikal Konsequente, deren Weltbild keinen Raum für Abweichung lässt. Dabei werde das Leben doch stets von Widersprüchen und Ungereimtheiten begleitet, schrieb der 2009 verstorbene Kolakowski, der am eigenen Leib zu spüren bekam, was es heisst, alle und alles stromlinienförmig auszurichten. Aber auch bei der Inkonsequenz müsse man inkonsequent sein: Bei Mord oder Folter dürfe es keine Diskussion geben.
Da es bei der Corona-Krise um die existenzielle Grundlage schlechthin geht, nämlich um Leben und Tod, ist die neuerlich konsequente Haltung des Bundesrats zu begrüssen: Alle gesellschaftlichen Anlässe ab 19 Uhr werden verboten, also müssen auch Kinos, Theater und Konzerthäuser schliessen.
Selbstständige Kunst- und Kulturschaffende brauchen Unterstützung dringender als die besser abgestützten Kulturinstitutionen.
Damit ist einerseits die sogenannte Planungssicherheit wiederhergestellt, andererseits auch der unschöne föderalistische Flickenteppich gereinigt. Allein in Basel, Bern und Zürich galten bisher unterschiedliche Regelungen für Kulturveranstaltungen: von der Totalschliessung über Anlässe mit 15 bis zu 50 Zuschauern – und das bei verschieden grossen Sälen.
Lobenswert ist nicht nur dieser neue Wille zur Einheitlichkeit, sondern auch das Bekenntnis des Bundesrats zur Förderung der selbstständigen Kunst- und Kulturschaffenden. Denn diese hat es schon im Frühling hart getroffen. Sie brauchen Unterstützung dringender als die besser geschützten und abgestützten Kulturinstitutionen. Den sogenannt freischaffenden Künstlerinnen und Künstlern wird faktisch ein Berufsverbot auferlegt. Ohne Hilfe müssten sie einen anderen Job suchen, mit verheerenden Folgen für das Kulturland Schweiz. Um gegen die erneute, unter Umständen länger anhaltende Unsicherheit anzugehen, ist diese konsequente Haltung der Regierung ein wichtiges Zeichen.
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