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Daniel Ortega verärgert Papst
Nicaraguas Diktator verfolgt nun auch Nonnen 

In Nicaragua unerwünscht: Nonnen aus dem Orden von Mutter Teresa kommen in Costa Rica an.
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Im Zentrum von Nicaraguas Hauptstadt steht eine Ruine: Die Alte Kathedrale von Managua, geweiht 1946, zerstört 1972 bei einem der Erdbeben, die immer wieder das zentralamerikanische Land heimsuchen. Die katholische Kirche von Nicaragua ist also Krisen und Katastrophen leidvoll gewöhnt.

Das jedoch, was ihr und ihren Geistlichen derzeit widerfährt, ist beispiellos: Priester, die in Haft sitzen, Nonnen, die das Land verlassen. Gläubige dürfen nicht einmal mehr an Ostern durch die Strassen ziehen, und nun wurden auch noch die Konten der katholischen Kirche im ganzen Land eingefroren. Der offizielle Vorwurf: Geldwäsche. Tatsächlich aber, da sind sich Beobachter einig, dürfte es um etwas anderes gehen: Kritik und Kritiker ruhig stellen im Nicaragua von Daniel Ortega.

Seit mehr als 15 Jahren regiert der 77-jährige Ortega das Land. Immer wieder lässt er sich im Amt bestätigen, obwohl das der Verfassung widerspricht, in Wahlen, die Beobachter als «Farce» bezeichnen. Längst wird Ortega auch Diktator genannt – eine bittere Ironie, war er es doch, der Ende der 1970er-Jahre dazu beitrug, den berüchtigten Somoza-Clan zu stürzen, der seinerseits über Jahrzehnte das Land beherrscht hatte.
Sogar das Rote Kreuz hat seine Arbeit eingestellt.

Ein gläubiges Land

Nun sitzen in den alten Foltergefängnissen wieder politische Gefangene. Sämtliche kritischen Zeitungen und Medien im Land wurden mundtot gemacht. Dutzende Universitäten mussten schliessen, und mehr als 3000 Nichtregierungsorganisationen haben auf Druck der Regierung ihre Arbeit eingestellt, darunter Hilfsprogramme für Waisenkinder und selbst das Rote Kreuz. Als letzten Raum unabhängiger Zivilgesellschaft bleiben Kirchen – doch nun geraten auch sie zunehmend ins Visier der Regierung.

Seit 15 Jahren an der Macht: Daniel Ortega, Präsident Nicaraguas und einst Sozialrevolutionär.

Nicaragua ist ein gläubiges Land. Mehr als 80 Prozent der Bevölkerung bekennen sich zum Christentum, und der Katholizismus ist neben evangelikalen Kirchen immer noch dominierend. Ihre Geistlichen waren in dem Land dabei immer auch politisch: In den 1970er-Jahren kritisierten Priester und Bischöfe offen die Somoza-Diktatur, in den 1980ern, nach der Rückkehr zur Demokratie, wandte sich zumindest die Kirchenführung im Land dann aber auch gegen die neue linke Regierung, der Daniel Ortega als gewählter Präsident von 1985 bis 1990 angehörte.

Kritische Geistliche beschimpfte Präsident Ortega als «Terroristen» und «Putschisten».

Es kam zum Bruch mit Rom, ein paar Jahrzehnte später aber wieder zu einer Annäherung. Ortega hatte nach seiner Abwahl immer wieder vergeblich versucht, erneut Präsident seines Landes zu werden. Im Wahlkampf 2006 gab sich der ehemalige linke Sozialrevolutionär dann als braver Christ. Um Unterstützung katholischer Wähler zu bekommen, wetterte er gegen Abtreibungen und unterstützte ein drakonisches Gesetz, welches Schwangerschaftsabbrüche unter allen Umständen verbietet. Auch heiratete Ortega in einer katholischen Zeremonie seine Langzeitpartnerin, Rosario Murillo, eine Guerillera und Dichterin, die heute das Land als Vizepräsidentin mitregiert.

«Habt keine Angst, der Heilige Geist ist mit euch»: Leopoldo Brenes, Erzbischof von Managua, bei der Pfingstmesse.

Die Zusammenarbeit mit der Kirche nutzte Ortega: Er gewann die Wahlen und blieb von da an im Amt, allen Betrugsvorwürfen und allen Protesten zum Trotz. Als 2018 Massendemonstrationen ausbrachen, liess der ehemalige Revolutionär sie gnadenlos niederschlagen und -schiessen. Mehrere Hundert Menschen starben. Priester öffneten damals ihre Kirchen für verletzte Demonstranten und kritisierten öffentlich die Gewalt der Sicherheitskräfte.

Ortega beschimpfte die Geistlichen daraufhin als «Terroristen» und «Putschisten», von da an ging es bergab mit der Beziehung zwischen dem Regime in Managua und dem Vatikan in Rom und seinen Vertretern in Nicaragua. Vergangenes Jahr musste Waldemar Stanisław Sommertag, der Botschafter des Vatikans, das Land verlassen, ebenso zwei Nonnenorden, darunter die von Mutter Teresa gegründeten «Missionarinnen der Nächstenliebe».

Es bleibt noch Hoffen und Beten

Lange hielt sich der Heilige Stuhl mit offener Kritik zurück, sprach nur von «Überraschung» und «Schmerz» über die Massnahmen der Ortega-Regierung. Mittlerweile greift man aber selbst in Rom zu deutlicheren Worten: Die Lage in Nicaragua sei vergleichbar mit der in Deutschland unter Hitler, sagte Papst Franziskus vor ein paar Wochen in einem TV-Interview. Das Regime von Daniel Ortega bezeichnete er als «ordinäre Diktatur».

Wie es nun weitergeht, ist unklar. Nicaragua gehört nach Haiti zu den ärmsten Ländern in der westlichen Hemisphäre. Die Not ist gross, auf die Strasse zu gehen, trauen sich aber nur noch die wenigsten, stattdessen fliehen jeden Monat Tausende ins Ausland, nach Costa Rica, Mexiko oder in die USA. Das schwächt die Opposition im Land zusätzlich zum Druck aus der Regierung.

Angesichts einer schier ausweglosen Situation bleibt vielen am Ende nur eines: Hoffen und Beten. Man solle nicht verzweifeln, sagte Leopoldo Brenes, Erzbischof von Managua, in der Pfingstmesse: «Habt keine Angst, der Heilige Geist ist mit euch.»