Interview zum Flughafen Zürich«Nervosität ist kein guter Ratgeber»
In der Abflughalle herrschte gähnende Leere. Und Lukas Brosi trat vehement auf die Kostenbremse. Der Finanzchef des Flughafens erklärt, wie sein Unternehmen die Pandemie überstanden hat.
Lukas Brosi, in den letzten beiden Jahren verkehrten wegen der Pandemie nur wenige Flugzeuge. Wie brachten Sie als Finanzchef den Flughafen über die Runden?
Wir haben sehr schwierige Zeiten hinter uns. Im Jahr 2020, in dem der Passagierverkehr zeitweise fast ganz zum Erliegen gekommen ist, haben wir fast 70 Millionen Franken Verlust verzeichnet. Dank diverser Massnahmen liess sich der Verlust im letzten Jahr auf 10 Millionen Franken begrenzen. Wir haben in der Vergangenheit stets auf eine ausgeglichene Finanzierung von Betrieb und Investitionen geachtet. Das kam dem Flughafen während der Pandemie zugute.
Der Flughafen war stets geöffnet. Wie konnten Sie trotzdem die Kosten reduzieren?
Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren in Kurzarbeit. Wir versuchten zudem dort zu sparen, wo weniger Kapazitäten gefragt waren: Das Dock E wurde etwa eine Zeit lang ausser Betrieb genommen. Und wir haben Bauprojekte sistiert. Mit solchen Massnahmen liessen sich die Betriebskosten um ein Viertel reduzieren und die Investitionen sogar halbieren.
Sie hätten die Zeit, in der die Hallen menschenleer waren, auch für Sanierungen nutzen können…
Logistisch macht das Sinn. Wir haben trotzdem darauf verzichtet. Denn wir mussten zu dieser Zeit dafür sorgen, dass das Unternehmen über genügend flüssige Mittel verfügt. Deshalb haben wir nicht zwingend nötige Ausgaben verschoben. Ich kann mir aber vorstellen, dass solche Renovationsarbeiten demnächst angepackt werden – sobald die Perspektiven besser sind, die Kundenfrequenz aber noch etwas tiefer liegt als normalerweise.
Haben Sie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen?
Ja, einzelne Kündigungen liessen sich nicht vermeiden. Insgesamt haben wir uns von 26 Personen getrennt. Derzeit beschäftigen wir rund 1800 Mitarbeitende.
Auf welche geplanten Investitionen haben Sie während der Pandemie verzichtet?
Der Flughafen investiert viel und regelmässig. Wir haben aber eine gewisse Flexibilität bezüglich des Zeitpunkts. Den Neubau des Docks A oder des Terminals 1 etwa haben wir aufgeschoben. Denn diese Projekte sind nicht mehr so dringlich: Wir rechnen damit, dass die Pandemie das Wachstum des Flugverkehrs um etwa fünf Jahre verzögert. Entsprechend können wir uns diese Zeit nehmen. Alle grösseren Projekte, die sich in der Umsetzung befanden, haben wir aber weitergeführt. So wird derzeit eine neue Gepäcksortierungsanlage gebaut. Und während der Pandemie wurde der Circle fertiggestellt.
Mit dem Circle stellten Sie mitten in der Krise einen gigantischen Komplex mit Einkaufsläden, Büros und Hotels sowie einem Ableger des Spitals fertig. Machte das Grossprojekt Sie nervös?
Nervosität ist kein guter Ratgeber. Der Bau war weit fortgeschritten. Wir wollten ihn nicht stoppen. Der Circle sollte zudem zum Umsatz beitragen. Das klappte: Im letzten Jahr nahmen wir mit unserem neuen Flughafenquartier bereits 20 Millionen Franken ein. Dieses Geld war sehr wichtig, um den Ertragsausfall im Fluggeschäft abzufedern. Der gesamte Immobilienbereich war in der Krise eine stabile Stütze.
Die Hotels, Restaurants und die Shopbetreiber, die Flächen mieten, haben sehr schwierige Zeiten hinter sich. Sind Sie diesen Unternehmen entgegengekommen?
Für die Zeit, in der der Bund den Lockdown verordnet hatte, haben wir auf den Mietzins verzichtet. In jenen Fällen, in denen ein wirtschaftlicher Betrieb wegen der tiefen Kundenfrequenzen nicht möglich war, haben wir individuelle Lösungen gesucht. Der Flughafen hat im letzten Jahr Zugeständnisse im Umfang von 40 Millionen Schweizer Franken gemacht.
Andere Flughäfen haben die Gebühren erhöht, die sie von den Fluggesellschaften einkassieren. War dies für den Flughafen Zürich auch eine Option?
Im Sommer 2020 sassen wir mit den wichtigsten Flughafenpartnern zusammen. Damals wurde vereinbart, vorerst keine Anpassungen bei den Gebühren vorzunehmen. Im Gegenteil: Als Anschubhilfe für die Fluggesellschaften verzichtete der Flughafen Zürich auf 10 Prozent der Gebühren.
Weshalb machten Sie diese Zugeständnisse?
Die Fluggesellschaften sind unsere Geschäftspartner, sie brauchen verbindliche Planungsgrundlagen. Wir selber haben mit der Vereinbarung eine Grundlage, die Verluste aus der Pandemie über Zeit zu refinanzieren. Wir sind überzeugt, dass der Flugverkehr mittelfristig weiter wachsen wird.
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