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Beunruhigender Trend
Rückrufe steigen stark an – sinkt bei Autos die Qualität?

Automobil-Mechatroniker untersuchen im Rahmen von Service- und Reparaturarbeiten einen defekten Motor, aufgenommen am Montag, 18. Dezember 2023 bei der Franz AG in Winterthur. (KEYSTONE/Christian Beutler)
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Es hört und hört einfach nicht auf: In regelmässigen Abständen rufen Automobilhersteller Fahrzeuge wegen Mängeln in die Werkstätten.

Aktuell besteht im Mehr-Marken-Konzern Stellantis ein verpflichtender Rückruf für rund 170’000 Autos der Marken Citroën, Peugeot, Opel und DS aus den Baujahren 2022 und 2023. In den Garagen soll die Motorsteuerung überprüft werden.

VW muss in den USA rund 260’000 Fahrzeuge in die Werkstätten beordern, weil aus einer Pumpe Benzin entweichen kann. Bei BMW kann das ABS-System ausfallen, deshalb müssen 80’000 Fahrzeuge überprüft werden. Mercedes ruft weltweit aktuell 25’000 Autos aus dem Baujahr 2023 zurück. Sicherungen könnten nicht den Anforderungen entsprechen.

380’000 Rückrufe in der Schweiz in einem einzigen Jahr

In der Schweiz wurden im vergangenen Jahr rund 380’000 Fahrzeuge in die Garage zurückgerufen, wie das Bundesamt für Strassen Astra mitteilt. Das waren etwa 90’000 mehr als 2022 – und nein: es stehen nicht zu viele Nullen hinter den Zahlen. Die Angaben entsprechen den offiziellen Auskünften der Behörde.

Somit wurden 2023 viel mehr Autos zur Überprüfung in die Werkstätten beordert als neu immatrikuliert. Das waren rund 256’000 Fahrzeuge.

Zu den grössten Rückrufen im vergangenen Jahr zählt einer wegen undichter Abgasrückführungskühler mit schweizweit etwa 79’000 Fahrzeugen. 2021 gab es einen Höchststand bei den Rückrufen: Fast 448’000 Fahrzeuge wurden damals in die Garagen beordert, viele davon wegen illegaler Manipulationen bei den Abgaswerten.

Das Astra ist die offizielle Stelle, die Rückrufe anordnet. Sprecher Thomas Rohrbach vermutet zwei Gründe, die zu dieser starken Zunahme geführt haben: «Seit dem Dieselskandal stellen wir fest, dass Hersteller sehr aufmerksam sind. Sie reagieren von sich aus, wenn sie allfällige Fehler vermuten, bevor eine Zulassungsbehörde reagiert.»

Und die Rückrufe würden sich nicht auf umwelt- oder sicherheitsrelevante Mängel beschränken, sondern beträfen zunehmend komfortrelevante Bauteile wie beispielsweise eine Fehlfunktion der Aussenspiegelheizung.

Im vergangenen Jahr zählte das europäische Safety-Gate-System 283 Fahrzeugrückrufe für 249 Modelle von 46 Automobilherstellern. Innerhalb Europas wurden Millionen Fahrzeuge wegen sicherheitsrelevanter Probleme zurückgerufen.

An erster Stelle steht eine deutsche Premiummarke: Mercedes-Benz. 38 Rückrufe gab es bei den Stuttgartern, gefolgt von 27 bei Peugeot und 22 bei BMW. Bei VW waren es nur elf.

Wie aus der Statistik hervorgeht, entfielen auf zehn Autohersteller mehr als zwei Drittel der gesamten Rückrufe. Die dabei häufigsten Risiken waren Verletzungen, Feuer und Umwelt. Am meisten Mängel gab es bei Motor, Airbags und Bremsen.

Die Schweizer Importeure sind verpflichtet, dem Astra Mängel zu melden. «Sie sind die wichtigste Informationsquelle für Rückrufe», sagt Thomas Rohrbach. Ergänzend kämen Meldungen der europäischen Fahrzeug-Genehmigungsbehörden dazu.

Melden Hersteller oder Importeure einen Mangel, entscheidet das Astra, ob es einen Rückruf geben muss. Dafür hat das Amt technisch ausgebildete Fahrzeugspezialisten. Die meisten Rückrufe veranlassen die Importeure von sich aus. Bei sicherheits- und umweltrelevanten Rückrufen ist das Astra aber immer beteiligt, denn nur das weiss aus seiner Fahrzeughalter-Datenbank, wer ein betroffenes Auto hat.

Von Mängeln geht eine ernsthafte Gefahr aus

Diese wichtigen Informationen gibt es aber nicht umsonst. Das Astra verkauft den Importeuren die Herstellerdaten für 280 Franken pro Datenlieferung. Reich wird das Astra damit nicht, weil es sich um Modellreihen handelt und nicht um jeden einzelnen Fahrzeughalter. So sorgt die Behörde dafür, dass alle in der Schweiz befindlichen und betroffenen Fahrzeuge zurückgerufen werden können.

Der Importeur schreibt die Fahrzeughalter an und lässt die Fahrzeuge in den Garagen nachbessern, dafür haben sie ein Jahr Zeit. Über den Fortschritt der Aktionen rapportieren die Importeure regelmässig an das Astra. «Hersteller und Importeure nehmen Rückrufe ernst und kooperieren gut», sagt Rohrbach. 

Wenn sie mal dagegen verstossen, würde bei sicherheits- und umweltrelevanten Mängeln das Astra den Rückruf verfügen. Von solchen Mängeln geht eine ernsthafte Gefahr aus: Wenn Lenkung oder Bremsen nicht funktionieren, Airbags ohne Unfall auslösen oder die Schadstoffemissionen zu hoch sind, wie beim Dieselskandal durch Abschalteinrichtungen.

Unproblematische Mängel werden häufig beim nächsten Service behoben, und der Fahrzeugbesitzer bekommt oft nichts davon mit. Die Kosten für die Reparatur trägt der Hersteller – und holt sie sich bei Zulieferern zurück. Das kann existenzgefährdend sein.

Für Erich Schwizer aus der Mobilitätsberatung des Touring-Club Schweiz (TCS) sind die vielen Rückrufe kein Indiz für sinkende Qualität der Fahrzeuge. «Wenn baugleiche Teile in Millionen unterschiedlicher Fahrzeuge und Marken weltweit eingebaut werden, führt das zu einem Dominoeffekt mit der Folge, dass bei Mängeln auch Millionen Fahrzeuge in die Werkstätten gerufen werden.»

Autos würden zudem komplexer, die Modellvielfalt umfangreicher und Entwicklungszeiten kürzer. Rückrufaktionen wird es daher seiner Meinung nach immer wieder geben.

Dieser Artikel stammt aus dem Verkehrsmonitor

Der Verkehrsmonitor ist ein Portal von Tamedia und beliefert die Verkehrs- und Mobilitätsbranche täglich mit exklusiven, fundierten und relevanten News und Hintergründen. Mehr Infos: www.verkehrsmonitor.ch