Wiederwahl verpasst Abgewählt – ihnen hat das Volk fristlos gekündigt
EVP-Chefin Lilian Studer hat ihren Nationalratssitz verloren. Auch die Zürcher Grüne Meret Schneider hat es getroffen. Andere wurden schon zum zweiten Mal abgewählt.
Sie haben gekämpft, gebangt und am Ende doch verloren – auch einen beträchtlichen Teil ihres Einkommens. Im Kanton Zürich traf es die Grüne Meret Schneider. Sie darf künftig nicht mehr im Nationalrat mitwirken, ebenso Judith Bellaiche und Jörg Mäder von den Grünliberalen sowie Therese Schläpfer von der SVP.
Mit Lilian Studer wird auch die Präsidentin der EVP Schweiz nicht mehr im Parlament vertreten sein. Nach lediglich vier Jahren im Nationalrat verliert sie ihren Sitz wieder. Lilian Studer ereilt damit dasselbe Schicksal wie 2007 ihren Vater Heiner Studer, der ebenfalls abgewählt wurde.
Damals wie heute reichte die kleine EVP-Wählerschaft nicht aus, um den Aargauer Sitz zu halten. Daran änderte auch nichts, dass Lilian Studer gleichzeitig für den Ständerat kandidierte und so zu mehr Aufmerksamkeit kam.
Für das Präsidium der EVP scheint das Nationalratsamt freilich nicht Pflicht zu sein. Jedenfalls übernahm Vater Heiner den Vorsitz der Partei erst 2008, als er bereits kein nationales Parlamentsmandat mehr hatte. Er führte die EVP bis 2014 und übergab dann an Marianne Streiff-Feller, die 2021 den Stab ihrerseits Lilian Studer weiterreichte.
Letztere ist 45-jährig und keine Frau der lauten Töne. Sie sieht sich als Brückenbauerin zwischen links und rechts. Sie wurde bereits mit 24 Jahren Aargauer Grossrätin und wechselte 2019 in den Nationalrat, wo sie jetzt nicht mehr weiter politisieren darf.
Fristlose Kündigung in aller Öffentlichkeit
Lilian Studer teilt ihr Schicksal mit etlichen anderen Abgewählten. Sie verlieren viel: ihr Amt, das damit verbundene Prestige und einen beträchtlichen Teil ihres Einkommens. Für sie kommt die Abwahl einer fristlosen Kündigung gleich – und dies in aller Öffentlichkeit.
Der Bund hat aber vorgesorgt, um Härtefälle zu vermeiden: Seit 2003 gibt es eine Überbrückungshilfe für abgewählte Parlamentarierinnen und Parlamentarier. Machen sie davon Gebrauch, erhalten sie während höchstens zwei Jahren einen Zustupf in der Höhe einer maximalen AHV-Rente, also 2450 Franken pro Monat. In den letzten 20 Jahren haben 28 Abgewählte die Überbrückungshilfe in Anspruch genommen. Insgesamt beliefen sich die Renten auf 1,1 Millionen Franken.
Roland Fischer (GLP)
Roland Fischer hat es bereits zum zweiten Mal getroffen. Er wurde schon 2015 ein erstes Mal abgewählt, weil die Luzerner Grünliberalen ihren Nationalratssitz verloren hatten. 2019 eroberte Fischer den Sitz zurück. Doch es sollte ihm erneut nicht vergönnt sein, mehr als vier Jahre im Nationalrat zu wirken.
Immerhin hat Fischer inzwischen Erfahrung mit dem Abgewähltsein. Für ihn sei dies persönlich keine Katastrophe, sagt er im Gespräch mit dieser Redaktion. «Ich habe nach den Umfragen damit rechnen müssen, dass die Grünliberalen ihren Luzerner Sitz verlieren», so der 58-Jährige. Er nehme das nicht persönlich, sei aber dennoch sehr enttäuscht. «Ich hätte gerne noch vier Jahre weiter gemacht.»
Der Grünliberale hinterlässt in Bern eine Lücke. Er war Präsident der Finanzkommission und hätte in der Parlamentarischen Untersuchungskommission den Niedergang der Credit Suisse aufarbeiten sollen. Auch davon muss er nun Abschied nehmen.
Ursula Schneider Schüttel (SP)
Auch Ursula Schneider Schüttel wurde bereits zum zweiten Mal abgewählt – im Kanton Freiburg, wo die Sozialdemokraten einen Sitz an die SVP verloren. Schon 2015 scheiterte ihre Wiederwahl. Sie konnte aber 2017 nachrücken, als ihr Parteikollege Jean-François Steiert in die Freiburger Kantonsregierung gewählt wurde und seinen Platz im Nationalrat frei machte. 2019 schaffte sie die Bestätigung ihm Amt, doch heute hat es nicht mehr gereicht. Schneider Schüttel ist auch Präsidentin der Naturschutzorganisation Pro Natura.
Mustafa Atici (SP)
In Basel trifft es den Sozialdemokraten Mustafa Atici, der vor wenigen Wochen noch für den Bundesrat kandidierte – wohl nicht zuletzt aus Wahlkampfgründen. Später zog er die Kandidatur zurück, um Beat Jans den Vortritt zu lassen. In Basel-Stadt war die Ausgangslage speziell, weil alle fünf Bisherigen wieder antraten, der Kanton aber nur noch vier Sitze hat. Der fünfte geht an den Kanton Zürich, weil dessen Einwohnerzahl deutlich stärker zugenommen hat als jene von Basel-Stadt.
Kurt Egger (Grüne)
Bei den Grünen trifft es im Thurgau den Kantonalpräsidenten Kurt Egger. Vor vier Jahren konnte er noch jubilieren. Damals vermochte seine Kantonalpartei ihren Wähleranteil zu verdoppeln und Egger schaffte den Sprung nach Bern. Jetzt kommt der Backlash und Egger ist abgewählt. In der Waadt traf es auch die Grüne Valentine Python.
Othmar Reichmuth (Die Mitte)
Im Kanton Schwyz hat Petra Gössi (FDP) den Bisherigen Othmar Reichmuth (Mitte) bereits im ersten Wahlgang aus dem Ständerat gedrängt. Reichmuth bleiben damit lediglich vier Jahre im Stöckli vergönnt. Zuvor war er zehn Jahre lang Schwyzer Regierungsrat. Er ist auch Präsident der Winterhilfe Kanton Schwyz sowie Präsident der Stiftung «Schwiizer hälfed Schwiizer». Für seine Wiederwahl hat beides offensichtlich zu wenig geholfen.
Philippe Bauer (FDP)
Überraschend abgewählt wurde gestern auch der Neuenburger Ständerat Philippe Bauer. An seiner Stelle setzten sich die Linken durch: der Sozialdemokrat Baptiste Hurni und die Bisherige Céline Vara von den Grünen. Der 61-jährige Philippe Bauer muss sich damit nach acht Jahren in Bern verabschieben. Der Neuenburger Rechtsanwalt war vier Jahre lang im Nationalrat und anschliessend vier Jahre im Ständerat. Er ist auch Präsident jener Arbeitsgruppe, die für die Geschäftsprüfungskommission das Corona-Leak im Departement von Alain Berset untersucht.
Im Nationalrat wurde der Neuenburger Denis de la Reussille nicht mehr im Amt bestätigt. Damit wurde das einzige Mitglied der Partei der Arbeit im Parlament abgewählt.
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