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Politkampagne in Westafrika
Nationalrätin lobbyiert in Afrika gegen Konzerninitiative

Afrika ist Isabelle Chevalleys zweites Zuhause. Im Juli hat sie den Wirtschaftsminister von Burkina Faso vor der Konzernverantwortungsinitiative gewarnt. 
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Mit Provokationen hält sich Isabelle Chevalley derzeit nicht zurück. Im Sommer lancierte die Waadtländer GLP-Nationalrätin einen Frontalangriff auf die Konzernverantwortungsinitiative – obwohl ihre Fraktion das Volksbegehren mehrheitlich befürwortet. Ein Werbeflyer zeigte Chevalley Arm in Arm mit einer afrikanischen Frau. Im Zitat sagte sie: «Unsere Konzerne sind verantwortungsbewusst und unterhalten in Afrika Millionen Arbeitsstellen, von denen ebenso viele Familien abhängig sind. Wie viele Stellen haben NGOs geschaffen?»

Schweizer NGOs, die in Afrika gegen Kinderarbeit, Umweltzerstörung und Ausbeutung ankämpfen, reagierten erbost. Chevalley gab sich unbeeindruckt. Der Zeitung «Le Matin Dimanche» sagte sie: «Die Welt ist nicht schwarz oder weiss. Auf der einen Seite stehen nicht die bösen Konzerne und auf der andere die guten NGOs. Was ich in die Debatte einbringen will, ist die Nuance.»

Die nächste Provokation platzierte die Waadtländerin, die mit verschiedenen afrikanischen Staaten eng verbunden ist, Ende Juli. Auf einer Stippvisite in Burkina Faso machte sie bei Wirtschaftsminister Harouna Kaboré Stimmung gegen die Initiative. Sein Ministerium informierte in einem auf Facebook publizierten Communiqué über das Treffen. Darin hiess es: «Die Abstimmung, die für November 2020 geplant ist, zielt darauf ab, jedem Schweizer Unternehmen zu verbieten, mit einem Land zusammenzuarbeiten, in dem die Menschenrechte nicht respektiert werden.»

In der Schweiz werde behauptet, in Burkina Faso würden viele Kinder auf Baumwollfeldern eingesetzt. Diese Abstimmung könnte «grosse Auswirkungen haben, insbesondere auf den Baumwollsektor, der Millionen von Menschen den Lebensunterhalt sichert», hielt das Ministerium nach der Besprechung mit Chevalley fest. Diese selbst wird im Communiqué wie folgt zitiert: «Was ich in Burkina beobachtet habe, ist ganz anders als das, was in der Schweiz gesagt wird. Es ist wichtig, dass Burkina in der Schweiz bezeugt, dass die Kinder Schulen besuchen, damit diese Anschuldigungen ein Ende haben.»

«Die Kinder arbeiten zwischen neun und zehn Stunden pro Tag, meist gratis.»

Aus einem Bericht der NGO Solidar Schweiz über die Kinderarbeit in Burkina Faso

Mehrere Quellen bestätigen zudem, dass die Waadtländerin auf ihrer Reise das Aussenbüro der Schweizer NGO Solidar besuchte und deren Arbeit kritisierte. Solidar publizierte 2019 nach zweijähriger Recherche einen Bericht über Kinderarbeit in Burkina Faso. Der sogenannte Baumwollbericht dokumentierte, dass 250'000 Fünf- bis Siebzehnjährige auf den Baumwollfeldern jäten, pflügen, säen und Düngemittel sowie Pestizide ausbringen und bei der Ernte helfen. «Sie arbeiten zwischen neun und zehn Stunden pro Tag, meist gratis, um ihre Familie zu unterstützen, die kein Geld für landwirtschaftliches Personal hat», heisst es im Dokument. Würden Kinder bezahlt, dann mit einem Dollar pro Tag.

Auch aufgrund der Arbeit von Solidar anerkannte der Genfer Rohstoffhändler Louis Dreyfuss in seinen jüngsten Nachhaltigkeitsberichten die Existenz von Kinder- und Zwangsarbeit. Der Konzern betonte, man tue vieles, diese zu beseitigen, und beteuerte, man werde sich weiter verbessern.

«Frau Chevalley versucht in Burkina Faso offensichtlich Regierungsmitglieder für ihre Kampagne zu instrumentalisieren.»

Dick Marty, Co-Präsident des Komitees zur Annahme der Konzernverantwortungsinitiative

Warum lobbyiert Isabelle Chevalley in Afrika gegen die Konzernverantwortungsinitiative, obschon die GLP-Bundeshausfraktion das Anliegen unterstützt? Kann sie bestätigen, dass sie in Burkina Faso sagte, die Schweiz verbiete Konzernen, in Ländern tätig zu sein, die die Menschenrechte nicht respektierten? Und warum negiert sie, dass es in Burkina Faso Kinderarbeit gibt? Die Politikerin wollte auf Anfrage dazu nicht Stellung nehmen, wenn sie das nicht in Interviewform tun könne.

Dick Marty, Alt-FDP-Ständerat und Co-Präsident des Komitees zur Annahme der Konzernverantwortungsinitiative, sieht das Lobbying kritisch. Er sagt: «Frau Chevalley versucht in Burkina Faso offensichtlich, Regierungsmitglieder für ihre Kampagne zu instrumentalisieren. Dabei verlangt unsere Initiative eine Selbstverständlichkeit: Konzerne sollen Menschenrechte und internationale Umweltstandards respektieren. Sollten sie aber auf Kinderarbeit setzen, das Trinkwasser vergiften oder ganze Landstriche verwüsten, werden fehlbare Konzerne für diese Missstände künftig geradestehen müssen.»

Der Tessiner betont: Für Konzerne sei es in allen Ländern möglich, sich an minimale Regeln zu halten und trotzdem rentabel zu wirtschaften. Der Genfer SP-Ständerat Carlo Sommaruga sagt: «Ich hoffe, die Schweizer Botschaft oder die vor Ort präsenten Nichtregierungsorganisationen korrigieren Chevalleys Aussagen.»

Harouna Kaborés Ministerium stellt in seinem Communiqué fest, die Schweizer Parlamentarierin sei zufrieden aus Burkina Faso abgereist, «weil die Erklärungen des Handelsministers sie überzeugt hätten, dass in Burkina Faso der Platz der Kinder in der Schule und nicht in der Zwangsarbeit auf den Feldern sei.» Man sei ständig bestrebt, «das Bewusstsein für die Notwendigkeit der Einhaltung der Gesetze zum Schutz der Kinderrechte zu schärfen», so der Minister. Harouna Kaboré bleibt trotzdem misstrauisch. «Einige NGOs im Norden» bezichtigt er des «Neokolonialismus».