Naomi Campbell, Cindy Crawford & Co.Die 90er-Supermodels sind zurück
Die «Vogue» bringt die berühmtesten Models aus den Neunzigern wieder auf die Titelseite. Warum die Ikonen von damals bis heute faszinieren.
Es ist ja schon länger eine Nostalgie nach der Ästhetik der Neunzigerjahre zu beobachten – bauchfreie Tops, die Serie «Friends», alte Handys – und nun bringt auch noch das Mutterblatt aller Modemagazine, die «Vogue», die Grossen jenes Jahrzehnts zurück: Cindy Crawford, Naomi Campbell, Linda Evangelista und Christy Turlington werden das Cover der Septemberausgabe bestreiten. Eine fehlt in der Runde, Tatjana Patitz, sie ist Anfang Jahr im Alter von 56 Jahren verstorben.
Natürlich kommen einem noch andere Namen in den Sinn, wenn man an die Neunziger denkt, Claudia Schiffer oder Kate Moss beispielsweise. Aber Cindy, Naomi, Linda, Christy und Tatjana – Familiennamen überflüssig – werden gern als die Big Five der goldenen Ära der Supermodels bezeichnet. Als Stunde null ihres Mythos gilt das Cover der britischen «Vogue» vom Januar 1990, aufgenommen von Starfotograf Peter Lindbergh. Die fünf jungen Frauen hatten es zwar schon in den späten Achtzigern zu einiger Prominenz gebracht, aber erst dieses ikonische Bild gab dem neuen Phänomen «Supermodel» einen Namen und fünf Gesichter dazu.
33 Jahre danach lancieren die britischen und die amerikanische Ausgabe der «Vogue» nun also eine Neuauflage des Covers, und das in ihrer prestigeträchtigen Septembernummer. Diese ist traditionell die wichtigste des Jahres – eine neue Modesaison steht an, die luxuriösen Herbst-/Winterkollektionen kommen auf den Markt. Im gleichen Monat, am 20. September, lancieren die vier ehemaligen Topmodels ihre vierteilige Dokuserie «The Super Models» (Apple TV+), die sie mitproduziert haben. Demnächst erscheint zudem ein Bildband über die Zusammenarbeit zwischen Linda Evangelista und dem Fotografen Steven Meisel.
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Die Ankündigung der «Vogue» sorgte in den sozialen Medien mehrheitlich für euphorische Reaktionen, wenngleich die eine oder andere Nutzerin sich die Frage erlaubte, warum es nötig sei, die ehemaligen Supermodels, mittlerweile zwischen 53 und 57 Jahre alt, faltenfrei geglättet zu zeigen. Doch die grossen Namen von damals scheinen nach wie vor zu faszinieren – eigentlich erstaunlich in einer Branche, in der Jugend die stärkste Währung ist.
Eine besondere Aura
Die Modehäuser wissen schon länger, dass sich verkauft, was von den ehemaligen Ikonen präsentiert wird. Vor fünf Jahren modelten etwa Kate Moss und Eva Herzigová für Dolce & Gabbana, und das Unterwäschelabel Victoria’s Secret hat soeben Adriana Lima, Gisele Bündchen und andere «Angels» (wie sich die Models in Anlehnung an die Laufstegshows nannten) aus den Nullerjahren für eine aktuelle Kampagne engagiert.
Trotzdem umgibt die Big Five des «Vogue»-Titelbilds von 1990 eine besondere Aura. Vielleicht liegt das daran, dass das Cover damals so geschickt den Ton für die kommende Dekade setzte: Es brach mit der opulenten, schweren Ästhetik der Achtziger, stattdessen kamen die fünf Models frisch und unverbraucht in Denim-Jeans und Undone-Look daher. Sie strahlten jene Unbekümmertheit und Lockerheit aus, für welche die Zeit zwischen Mauerfall und 9/11 bis heute steht.
Heute braucht niemand mehr Modemagazine oder Laufstege, die Models sind jetzt auch Influencerinnen.
Lindberghs Schwarz-Weiss-Fotografie, aufgenommen im New Yorker Meatpacking District, ist auch deshalb stilprägend, weil sie den damaligen Wandel in der Modewelt illustrierte. In den Achtzigerjahren hatte sich die Branche professionalisiert, alles potenzierte sich: Ruhm, Geld, Strahlkraft. «Luxusunternehmer wurden zu Milliardären, Models zu Supermodels, Designer zu Stars», heisst es in einer 2020 erschienenen Biografie über Modeschöpfer Karl Lagerfeld.
In den Neunzigern setzte sich diese Entwicklung fort, die Models kamen in der Popkultur an. Die ersten, die das erfahren sollten, waren die fünf jungen Frauen auf dem «Vogue»-Cover von 1990. Sänger George Michael buchte sie danach für den Videoclip seines Songs «Freedom! ‘90», offenbar war er durch die Aufnahme im Modemagazin inspiriert worden. Legendär ist Linda Evangelistas Bonmot aus jener Zeit: «Für weniger als 10’000 Dollar am Tag stehen wir gar nicht erst auf».
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Zum Personenkult um die Supermodels kam die Macht der Modemagazine: Sie machten Designer, Fotografen und Mannequins gross, an einer «Vogue» kam in der Branche niemand vorbei. Im Laufe der Neunziger lösten die Promis – Schauspielerinnen, Sänger, Politikerinnen – dann die Topmodels auf den Covers ab. Eine Entwicklung, die Anna Wintour, bis heute Chefredaktorin der US-«Vogue», 1989 angestossen hatte, als sie Sängerin Madonna auf dem Titelblatt brachte.
In den Nullerjahren begann der Abstieg der Printmagazine, ihr Bedeutungsverlust wurde ab den Zehnerjahren durch das Aufkommen der sozialen Medien verstärkt. Heute braucht niemand mehr Modemagazine oder Laufstege, Models sind jetzt auch Influencerinnen und können, wenn es gut läuft, mit 20 vielleicht schon ihre erste Selfmade-Milliarde beisammen haben, wie Kylie Jenner bewiesen hat.
So gesehen dienen die aktuellen Reminiszenzen vielleicht auch der Selbstvergewisserung der Modebranche, wenn die alten Schlachtrosse bejubelt werden. Wir sind noch jemand, erinnert ihr euch an die Zeiten, als die Models super und wir mächtig waren. Eine zukunftsträchtige Strategie ist das natürlich nicht.
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