Die Schweiz will ihre radioaktiven Abfälle der letzten fünfzig Jahre im Inland entsorgen. Fast ein halbes Jahrhundert suchte die Nagra (nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle) nach einem geeigneten Standort. Hier eine Chronologie zum jahrzehntelangen Prozess – beginnend mit den neusten Ereignissen.
- 19. November 2024: Die Nagra reicht beim Bundesamt für Energie das Rahmenbewilligungsgesuch für das Tiefenlager in Stadel ZH ein. Insgesamt legt sie 13 Gesuchsunterlagen vor, die auf gut 200 wissenschaftlichen Berichten basieren. Diese Berichte umfassen zusammen rund 30’000 Seiten.
- 15. November 2024: Noch bevor die Nagra das Rahmenbewilligungsgesuch für ein geologisches Atom-Endlager einreichen wird, macht sich Widerstand breit: Ein Komitee fordert, dass nach dem Parlament auch das nationale Stimmvolk über das Projekt entscheiden kann.
- 18. Oktober 2022: Die deutsche Expertengruppe Schweizer Tiefenlager (ESchT) hält nach ihrer Plausibilitätsprüfung den vorgeschlagenen Standort in Nördlich Lägern «nach derzeitigem Kenntnisstand als sicherheitstechnisch am besten geeignet».
- 12. September 2022: Die Nagra schlägt nach fast 50-jähriger Standortsuche die Region Nördlich Lägern in der Zürcher Gemeinde Stadel (Haberstal) für das Endlager von radioaktivem Abfall vor. Die betroffene Bevölkerung war zwei Tage zuvor über den Standortentscheid informiert worden. Das Lager ist in einer Tiefe von etwa 850 Metern unter dem Boden geplant.
- 2019-2022: Die Nagra führt in den drei verbliebenen Regionen unter anderem weitere Sondierbohrungen durch, um ihre geologischen Kenntnisse zu vervollständigen. Die Lagerprojekte werden unter Einbezug der Standortregionen konkretisiert und die Auswirkungen der Lager auf Gesellschaft und Wirtschaft untersucht.
- 21. November 2018: Nach Nagra-Abklärungen entscheidet der Bundesrat, dass die Standorte Jura Ost (AG, westlich von Brugg), Nördlich Lägern (AG/ZH) und Zürich Nordost (Weinland, ZH/TG) vertieft als mögliche Standorte für ein Tiefenlager geprüft werden sollen.
- 6. November 2008: Das Bundesamt für Energie bezeichnet sechs Regionen, in denen ein Tiefenlager möglich ist. Es handelt sich um Jura-Südfuss, Südranden und Wellenberg (jeweils nur als Lager für schwach- und mittelaktive Abfälle) sowie Jura Ost, Nördlich Lägern und Zürich Nordost (jeweils als Kombilager für schwach- und mittelaktive sowie hochaktive Abfälle).
- 2. April 2008: Der Bundesrat gibt grünes Licht für die Standortsuche. Zunächst sollen – ausgehend von einer weissen, leeren Schweizer Landkarte – all jene Gebiete festgelegt werden, die für ein Tiefenlager in Frage kommen. Nicht politische Aspekte, sondern allein Aspekte der Geologie und der Betriebssicherheit sollen ausschlaggebend sein.
- 28. Juni 2006: Der Bundesrat hält die Lagerung auch von hoch- und mittelradioaktiven Abfälle aus den Atomkraftwerken in der Schweiz für möglich, die Nagra habe den Nachweis erbracht. Die Standortsuche soll sich aber nicht nur auf das Zürcher Weinland beschränken.
- 28. September 2004: Bundesrat Moritz Leuenberger fordert, Alternativen zum Endlager Benken ZH zu prüfen.
- 20. Dezember 2002: Die Nagra erklärt nach Untersuchungen im Zürcher Weinland das dortige Opalinuston-Gestein als geeignet für ein Tiefenlager. Sie empfiehlt die Fokussierung auf Benken ZH.
- 1995/2002: Die Stimmenden in Nidwalden sagen zwei Mal Nein zu Plänen für ein Lager im Wellenberg.
- 1993/1994: Die Nagra schlägt nach ihren Abklärungen zwei Lagerstandorte vor. Schwach- und mittelaktive Nuklearabfälle sollen im Wellenberg NW gelagert werden, hochradioaktive und langlebige mittelradioaktive Abfälle in einer tiefen Gesteinsschicht unter Benken ZH im Zürcher Weinland.
- 1988: Der Bundesrat erachtet den Entsorgungsnachweis für die schwach- und mittelaktiven Abfälle in der Schweiz als erbracht. Gestützt auf Abklärungen der Nagra in den Mergeln (Sedimentgestein) des Oberbauenstocks UR gilt es als gesichert, dass sich in der Schweiz theoretisch schwach- und mittelradioaktive Abfälle sicher entsorgen lassen. Der Entscheid über die Lagerung von hochradioaktiven Abfällen erfolgt später.
- 1980er-Jahre: Die Nagra treibt an verschiedenen Standorten Tiefenbohrungen voran, um Erkenntnisse über den geologischen Aufbau der Schweiz zu erhalten.
- 1972: Die fünf Betreiber der Atomkraftwerke und der Bund gründen die «Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle», abgekürzt Nagra. Ihr Auftrag lautet gemäss geltenden Statuten: «Die Genossenschaft bezweckt als Selbsthilfeorganisation der Partner die Errichtung und den Betrieb von Lagern für radioaktive Abfälle und der dazu notwendigen Anlagen.»