Rückkehr der Eishockey-HeldenUnd dann bricht Kevin Fiala in Tränen aus
Gegen 2000 Fans bereiten dem Schweizer Silberteam in der Swiss-Arena in Kloten einen grandiosen Empfang. Trotzdem sind die Spieler noch immer tief frustriert.
Soeben wurden auf der LED-Wand die besten Szenen des Turniers gezeigt. Die Fans johlen, singen und feiern die Schweizer Silbermedaillengewinner, als Mysports-Moderatorin Daniela Milanese den zum WM-MVP gekürten Kevin Fiala zum Interview bittet. «Es wurde alles schon gesagt», meint der 27-Jährige knapp. «Es war sehr traurig. Auch jetzt ist es nicht einfach.» Dann versagt Fiala die Stimme. Tränen schiessen dem sonst so abgebrühten Stürmer der L.A. Kings in die Augen. Er überlässt das Mikrofon Leonardo Genoni und wird von Nico Hischier in den Arm genommen.
Eine Viertelstunde später steht Fiala hinter der eigens für den Event errichteten Bühne in der Klotener Swiss-Arena und gönnt sich ein paar Apéro-Häppchen. «Es schmerzte, diese Bilder noch einmal zu sehen. Ich habe noch immer Mühe, Worte zu finden. Wir wollten den Pokal mit den Fans teilen und sind unglaublich enttäuscht. Vor allem über die Art und Weise, wie wir diese Partie gegen Tschechien verloren haben», sagt Fiala nun etwas gefasster.
Um das grosse Ziel, den WM-Titel, zu erreichen, reiste Fiala unmittelbar nach der Geburt seiner Tochter Masie-Mae aus Kalifornien nach Prag. «Tschau zu sagen, fiel mir schwer», gibt Fiala zu. «Ohne Facetime wäre es nicht möglich gewesen. So aber konnte ich mich täglich mit meiner Familie austauschen.» Seine Frau Jessica reiste für den WM-Final nach Tschechien, kehrte anschliessend aber wieder nach Los Angeles zurück. Fiala nahm den Umweg über Kloten. «Es war mir wichtig, mich noch bei den Fans zu bedanken.»
Freuen kann sich Fiala mittlerweile über die Wahl zum MVP, die er zunächst mit «interessiert mich nicht» abgetan hat. «Sie bedeutet mir viel», so der gebürtige Ostschweizer. «Als Spieler erwartest du das nicht. In ein paar Wochen werde ich glücklich und stolz darüber sein.»
«Lange Bier getrunken»
Nicht nur Fiala steht die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. Als die Stubete Gäng den Schweizer Torsong «Richi» live spielt, stehen die Spieler wie versteinert hinter der Band. Nino Niederreiter, der bereits bei den Finalniederlagen 2013 sowie 2018 gegen Schweden dabei war, sagt: «Die Frustration ist unglaublich gross. 2013 dachten einige vor dem Turnier, wir könnten absteigen. 2018 war Schweden, obwohl wir das Penaltyschiessen erreichten, die klar bessere Mannschaft. Nun aber haben wir stets die Geduld bewahrt und sind solide aufgetreten. Uns war klar: Wir werden diesen Titel gewinnen.»
Lange sass das Team nach der 0:2-Niederlage wortlos in der Garderobe. Auch im Hotel und auf dem Rückflug in die Schweiz war es still. «Wir haben stundenlang Bier getrunken und überlegt, was wir besser hätten machen können», erzählt Niederreiter, der wie alle seine Teamkollegen die Medaille um den Hals trägt. «Vor der WM hätten wir sofort unterschrieben, wenn uns Silber angeboten worden wäre.»
Niederreiter denkt an Fischer
Im Vorjahr, nach dem bitteren Aus im Viertelfinal gegen Deutschland, setzte sich Niederreiter an vorderster Front für den in die Kritik geratenen Trainer Patrick Fischer ein. Nun sagt er: «Ich bin extrem glücklich für ihn. Jetzt hat Fischi mal für ein Jahr Ruhe und muss sich nicht ständig negative Kommentare anhören.»
Erst gegen 17 Uhr, drei Stunden nach der Ankunft des Teams, leert sich die Halle in Kloten. Einige Spieler sind noch immer da. Unter ihnen Kevin Fiala. Leonardo Genoni, dem beim Verlassen des Flugzeugs ein Lächeln über das Gesicht huschte, steht umgeben von seiner Familie in einer Ecke. «Es schmerzt viel mehr als noch 2018. Doch meine Kinder sind überglücklich, dass ich nun zurück bin», sagt der siebenfache Schweizer Meister – und ergänzt mit Blick auf die nächsten Weltmeisterschaften vielversprechend: «Irgendwann. Irgendwann.»
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