Oberbürgermeister von WürzburgNach der Messerattacke kamen ihm die Tränen
Erneut wurde seine Stadt Ziel eines Gewaltverbrechens. Doch Oberbürgermeister Christian Schuchardt zeigt sich liberal, herzlich und sozial.
Es kommt nicht oft vor, dass ein Politiker so offene Worte findet, selbst bei so fürchterlichen Ereignissen wie dem Messerattentat von Würzburg. Oft ist dann von «Erschütterung» die Rede oder «Schmerz». Christian Schuchardt, Oberbürgermeister von Würzburg, reagierte ziemlich direkt: «Ich habe gestern Abend geweint», schrieb der 52-Jährige kurz nach dem Gewaltverbrechen mit drei Toten und sieben Verletzten in einem offenen Brief. Er habe um die Opfer geweint und um die Stadt. Und nicht nur diese Emotionalität, auch sein besonnenes Auftreten bringen ihm viel Zuspruch ein.
Schuchardt fordert nicht überstürzt härtere Sicherheitsgesetze, sondern warnt eindringlich davor, von der Tat eines Einzelnen auf ganze Bevölkerungsgruppen oder Religionen zu schliessen. «Wie würden Sie sich heute als Ausländer in unserer Stadt fühlen?» Mit dieser ausgleichenden Art hat er sich schon vor knapp fünf Jahren das Vertrauen erarbeitet. Damals, 2016, hatte ein Geflüchteter in einem Zug bei Würzburg Reisende und später eine Spaziergängerin angegriffen – und auch damals rief er zur Ruhe auf. Die sogenannte Flüchtlingskrise war hochaktuell, Populismus machte sich breit in Deutschland, doch Schuchardt zeigte sich liberal, herzlich und sozial.
Schon 2015, als auch die Würzburger Unterkünfte für Geflüchtete übervoll waren, richtete er sich in einem offenen Brief an die Menschen in der Stadt, wehrte sich gegen Kritik an den hohen Kosten und schrieb, dass «wir alle langfristig enorme Vorteile aus dieser Entwicklung ziehen werden». Später forderte er in einer Petition, integrierten Geflüchteten ein Bleiberecht zu geben.
Schuchardt ist CDU-Mann und stellte sich immer wieder gegen seine eigene Partei, aber auch gegen die CSU, die ihm einst ins Amt geholfen hatte. Er ist Bayerns erster Oberbürgermeister, der 2014 von CSU, FDP und Würzburger Liste aufgestellt wurde. Anstalten, in die CSU zu wechseln, machte er keine. Stattdessen liess er sich 2020 wieder von CSU, FDP und dem lokalen Bürgerforum aufstellen. Er schaffte, was seit Jahrzehnten in Würzburg kein amtierender Oberbürgermeister geschafft hat: Er wurde im ersten Wahlgang mit deutlicher Mehrheit wiedergewählt.
Für einen CDU-Politiker ist Würzburg eigentlich ein schwieriges Pflaster.
Das ist auch deshalb beachtlich, weil Würzburg einerseits katholische Domstadt ist, andererseits aber tendenziell links wählt. Für einen CDU-Politiker also eigentlich ein schwieriges Pflaster. Zudem dominieren die Grünen, wenn auch knapp, den Stadtrat. Doch es war wohl genau Schuchardts versöhnende Art, welche die Menschen ansprach. Er zeigte sich nach dem Kreuz-Erlass von Markus Söder im Jahr 2018, laut dem in allen bayrischen Landesbehörden ein Kruzifix hängen soll, mit einer Buddhafigur in seinem Büro und forderte «mehr Gelassenheit».
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