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Analyse zum Messerangriff in Bayern
Sie sind extremistisch und verwirrt – und der Albtraum für Ermittler

Trauer in Würzburg: Markus Söder, Ministerpräsident von Bayern, legt am Tatort einen Kranz nieder.  
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In der unterfränkischen Stadt Würzburg wurde am Sonntag getrauert. Im Kiliansdom gedachten geistliche Würdenträger und Teile der Stadtgesellschaft der Opfer des Messerangriffs vom Freitagabend. Am Tatort bezeugte ein Blumen- und Kerzenmeer Betroffenheit.

Christian Schuchardt, Würzburgs christdemokratischer Oberbürgermeister, sorgte sich um den «Frieden in der Stadt». Er warnte vor einem «Generalverdacht gegen Ausländer». Neben dem Täter hätten zahlreiche weitere Menschen aus dem bürgerkriegsverheerten Somalia in Würzburg Zuflucht gefunden.

Die Verbrechen Einzelner seien nie auf eine ethnische Gruppe oder auf eine Religion zurückzuführen, schrieb Schuchardt: «Auch wir Deutschen wurden nach dem Krieg nicht pauschal verurteilt. Genauso gilt dies jetzt für Somalier oder generell für Geflüchtete.»

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Medien hoben zudem hervor, dass es vor allem Migranten gewesen seien, die sich dem Täter entgegengestellt und damit vermutlich verhindert hatten, dass weitere Menschen ums Leben kamen. Ein kurdischer Asylbewerber aus dem Iran tat sich dabei besonders hervor. Er lebt erst seit 17 Monaten in Deutschland.

Verübt wurde die Bluttat am Freitag mutmasslich durch einen 24-jährigen Somalier, der im Mai 2015 nach Deutschland geflüchtet war und seit September 2019 in Würzburg lebte, zuletzt in einem Heim für Obdachlose. Sein Asylgesuch wurde abgelehnt, dennoch hielt er sich legal in Deutschland auf: Er erhielt «subsidiären Schutz», weil in seiner ostafrikanischen Heimat sein Leben gefährdet ist.

In einem Warenhaus, in einer Bankfiliale und auf der Strasse stach der Mann mit einem langen Messer äusserst brutal auf fast ein Dutzend Frauen und einen elfjährigen Buben ein. Drei Frauen, unter ihnen eine Studentin und eine 82-Jährige, starben noch am Tatort. Bei einer Frau, die zuletzt noch in Lebensgefahr schwebte, gab das Spital am Sonntag Entwarnung. Der Messerstecher wurde drei Minuten nach dem ersten Notruf von der Polizei mit einem Schuss in den Oberschenkel gestoppt und festgenommen.

Im Zimmer des Somaliers und auf seinem Handy fanden sich offenbar «Hassbotschaften».

Was den jungen Somalier zu seiner Bluttat trieb, wissen die Ermittler noch nicht genau. Ob Frauenfeindlichkeit eine Rolle spielte oder der Täter sich von weiblichen Opfern nur weniger Gegenwehr versprach, ist Gegenstand der Ermittlungen.

Deutliche Hinweise gibt es auf ein islamistisches Motiv. Der Warenhausdetektiv hörte, wie der Täter «Allahu Akbar» schrie, den Kampfruf vieler Islamisten. Bei der Festnahme soll er gesagt haben, dies sei sein «persönlicher Jihad» gewesen, sein Heiliger Krieg gegen Ungläubige. In seinem Zimmer und auf seinem Handy haben die Ermittler mutmassliche «Hassbotschaften» sichergestellt. Diese müssten aber erst ausgewertet und danach bewertet werden, ob sie auch «tatrelevant» seien, sagte die Staatsanwaltschaft.

Als Extremist war der Somalier den Behörden bisher nicht bekannt, dafür fiel er mehrfach wegen seines prekären psychischen Zustands auf. Im Januar ergriff er bei einem Streit in der Unterkunft «in bedrohlicher Weise» ein Messer, ohne aber zuzustechen. Ein Verfahren wurde eingeleitet, später wieder eingestellt. Vier Wochen verbrachte der junge Mann in einer psychiatrischen Anstalt.

Vor zwei Wochen stoppte der Mann ein Auto und forderte den Fahrer auf, ihn ins «Frauenland» zu bringen.

Zwei Wochen vor der Tat stoppte er, ohne Gewalt anzuwenden, ein Auto, setzte sich auf den Beifahrersitz und forderte den Fahrer auf, ihn ins «Frauenland» zu bringen. Auch danach kam er in die geschlossene Psychiatrie. Da er scheinbar weder für Fremde noch für sich selbst eine Gefahr darstellte, wurde er nach einem Tag wieder entlassen.

Dass der Mann Not litt, war seinem Umfeld offenbar bekannt. Der «Bild»-Zeitung sagte ein Landsmann, der Somalier habe in die Heimat zurückkehren wollen, obwohl er hier doch in Sicherheit gewesen sei. Er habe Angst gehabt, er werde von der russischen Mafia verfolgt oder die Deutschen wollten ihn mit einer Spritze töten.

Ein Bekannter sagte dem Bayerischen Rundfunk, der Mann habe zuletzt sehr «aggressiv» gewirkt. Es habe ihn gewundert, dass dieser noch auf freiem Fuss sei. Auf die Gefahr, die von ihm ausging, wurde offenbar niemand rechtzeitig aufmerksam.

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Gewalttäter wie den Somalier gab es zuletzt immer häufiger. Terrorexperten wie der Deutsche Peter R. Neumann oder der Franzose Gilles Kepel halten sie mittlerweile für das dominante Muster extremistischer Gewalttäter in Europa: Einzeltäter, die eher keiner Organisation angehören, häufig zwischen Extremismus und Psychose pendeln und scheinbar aus dem Nichts wildfremde Menschen attackieren.

Welchen Anteil an ihrem Wahn Politik, Religion und Krankheit ausmachen, ist selbst vor Gericht oft schwer zu entscheiden. Rechte Fanatiker sind oft ebenso verwirrt wie Islamisten, nicht nur in Deutschland. Die islamistischen Messerangriffe im waadtländischen Morges und in Lugano etwa wurden im vergangenen Jahr genauso von psychisch instabilen Menschen begangen wie das verheerende Attentat von Hanau: Jener deutsche Täter äusserte sich wie ein Rechtsextremist und tötete Menschen, die er für Ausländer hielt – litt aber ebenso unter paranoischen Zwangsvorstellungen.

Für die Sicherheitsbehörden, die mit organisierten Extremisten rechter, linker oder islamistischer Couleur bereits alle Hände voll zu tun haben, sind solche Täter ein Albtraum. Als Einzelne sind sie schwer zu finden. Auf sie aufmerksam werden könnten eher Sozialarbeiterinnen oder Psychiater als Verfassungsschützer oder Polizistinnen. Bei Ersteren fehlt es aber oft an Bewusstsein für die Gefahr. Nach Würzburg könnte sich das möglicherweise ändern.