Drei Tote in WürzburgUm 17:04 Uhr ging der Notruf ein – was über die Messerattacke bekannt ist
War der Täter von Würzburg psychisch verwirrt oder gab es tatsächlich einen islamistischen Hintergrund? Die Polizei sucht nach dem Motiv des Angreifers.
Was ist in Würzburg passiert?
Offensichtlich ohne jede Vorwarnung hat ein 24 Jahre alter Mann am späten Freitagnachmittag drei Frauen getötet und sieben weitere Menschen schwer verletzt. Darunter sechs Frauen und ein Kind. Die Mutter des Kindes ist tot. Eine Frau schwebte auch am Samstag noch in Lebensgefahr. Zwei Verletzte konnten das Krankenhaus wieder verlassen.
Um Punkt 17 Uhr betrat der mutmassliche Täter das Kaufhaus Woolworth am Barbarossaplatz in der Innenstadt, ging in die Hauswarenabteilung und liess sich die Messer zeigen, nahm eines aus der Auslage und stach sofort auf eine Verkäuferin ein. Sie wurde so schwer verletzt, dass sie starb. Dann tötete er zwei weitere Frauen. Anschliessend lief der mutmassliche Täter in eine Sparkasse und auf die Strasse und griff weitere Passanten an, die er nach bisherigem Kenntnisstand wohl nicht kannte.
Um 17:04 ging der Notruf bei der Polizei ein, alle verfügbaren Einsatzkräfte wurden umgehend zum Barbarossaplatz geschickt, hiess es auf einer Pressekonferenz am Samstagnachmittag. 300 Polizisten und Polizistinnen waren im Einsatz. Als die Beamten eintrafen, hielt der mutmassliche Täter noch immer das Messer in der Hand und bewegte sich laut Polizei in Richtung der Beamten, als diese auf ihn zugingen. Ein Polizist schoss ihm daraufhin ins Bein. Er erlitt einen Oberschenkeldurchschuss, befindet sich jedoch nicht in Lebensgefahr. Der Einsatzleiter der Polizei sagte, der Täter sei bis zu seiner Festnahme angriffsfähig gewesen. Videos in den sozialen Medien zeigen einen Mann in beigem Pullover, mit weisser FFP2-Maske und einem langen Messer. Und sie zeigen, wie mehrere Passanten versuchen, den Mann aufzuhalten, bis die Polizei eintrifft.
Wer ist der Täter?
Bei dem mutmasslichen Täter handelt es sich nach Informationen dieser Zeitung um den 24-jährigen Jibril A.. Er soll 1997 in der somalischen Hauptstadt Mogadischu geboren sein. Nach Aussage des Generalstaatsanwalts lebt er seit Mai 2015 in Deutschland, zunächst in Chemnitz, seit 2019 in Würzburg. Er geniesse subsidiären Schutz im Rahmen eines Asylverfahrens, sei also legal in Deutschland, und war zuletzt in einem Obdachlosenheim gemeldet. Der Mann ist demnach nicht vorbelastet, habe jedoch dennoch einige Verhaltensauffälligkeiten gezeigt.
Im Januar 2021 sei er mit Mitbewohnern und Verwaltern der Obdachlosenunterkunft in Streit geraten und habe zu einem Küchenmesser gegriffen und dieses bedrohlich in der Hand gehalten, es gab aber keine Verletzten. Zudem wurde ein Hinweis eines anderen Asylbewerbers geprüft, wonach der Beschuldigte am Telefon gesagt haben soll, dass er als Zwölfjähriger in Somalia Straftaten begangen habe. Die Ermittlungen wurden schliesslich eingestellt, weil sich das nicht verifizieren liess. Im Juni wollte er nicht aus einem Auto aussteigen, das er gestoppt hatte. Daraufhin wurde der 24-Jährige in eine psychiatrische Einrichtung eingewiesen, aber nach einem Tag wieder entlassen.
Laut Frank Gosselke, Oberstaatsanwalt in Würzburg, wurde der mutmassliche Täter am Samstag einem Ermittlungsrichter vorgeführt und Haftbefehl wegen Mordes in drei Fällen, wegen versuchten Mordes in sechs weiteren Fällen sowie wegen vorsätzlicher Körperverletzung in einem Fall erlassen. Der 24-Jährige machte demnach keine weiteren Angaben zur Tat und befindet sich jetzt in einer bayerischen Justizanstalt. Der Pflichtverteidiger des verdächtigen Somaliers erklärte, sein Mandant sei haftfähig trotz der Beinschussverletzung.
Welches Motiv hatte er?
Das Motiv ist noch immer nicht vollends geklärt. Es müsse jetzt ermittelt werden, inwiefern die Psyche des Somaliers eine Rolle gespielt habe und inwiefern islamistische Einstellungen zur Tat beigetragen hätten, sagte Innenminister Joachim Herrmann bei der Pressekonferenz in Würzburg. Seine Opfer habe er wohl wahllos attackiert, sie «waren zur falschen Zeit am falschen Ort».
Nach neuesten Erkenntnissen gibt es zumindest Hinweise auf ein islamistisches Motiv. Bei seiner Vernehmung habe der Mann eine Äusserung gemacht, die auf religiösen Fanatismus schliessen lasse, heisst es nach dpa-Informationen aus Sicherheitskreisen. Hinweise auf Kontakte zu militanten Salafisten gebe es bisher jedoch nicht. Innenminister Herrmann zufolge habe ein Kaufhausdetektiv angegeben, der Verdächtige habe bei der Tat «Allahu Akbar» (deutsch: Gott ist gross) gerufen. Auch Polizisten bestätigten das.
Aber die Ermittler schliessen auch nicht aus, dass der 24-Jährige unter einer psychischen Krankheit leidet und diese Hintergrund der Tat ist. Nach Gesprächen mit dem 24-Jährigen könne er bisher kein islamistisches Motiv erkennen, sagte auch dessen Pflichtverteidiger. «Offiziell hat er sich noch nicht zur Sache eingelassen», sagte dieser. «Hinweise auf radikale Gesinnung und auf psychische Probleme des Täters schliessen sich auch nicht gegenseitig aus», so Herrmann.
Auf der Pressekonferenz bittet der Leiter der Kriminalinspektion Würzburg um weitere Zeugenhinweise. Ungeklärt sei nach wie vor: Wo hat sich der mutmassliche Täter vor der Attacke bewegt und mit wem? Inzwischen hat die Generalstaatsanwaltschaft in München die Ermittlungen übernommen.
Wie gehen die Ermittlungen weiter?
Die Ermittlungen zu den genauen Hintergründen der Tat laufen derzeit auf Hochtouren. Die Beamten waren am Samstag auch in der Obdachlosenunterkunft unterwegs, wo der 24-Jährige zuletzt lebte. Sie stellten ein Handy sicher und wollen nun die Daten auswerten. Das gestaltet sich aber schwierig, weil dafür ein Dolmetscher nötig ist. Auch Schriftmaterial wurde sichergestellt. Ob sich darauf wirklich Hassbotschaften befänden, sei nach wie vor nicht klar, hiess es auf der Pressekonferenz. Zudem wurden zahlreiche Zeugen befragt.
Laut Ministerpräsident Markus Söder (CSU) müssen nun Sicherheitsbehörden von Bund und Land klären, warum so etwas passieren konnte. Die Kriminalpolizei Würzburg stehe in engem Austausch mit dem Bayerischen Landeskriminalamt und der Staatsanwaltschaft Würzburg, heisst es in einer Mitteilung der Polizei. Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) äusserte sich am Samstag zu der Attacke. «Ich bin von dieser unfassbar brutalen Tat tief erschüttert», sagte er. Eine abschliessende Bewertung des Tatmotivs sei noch immer nicht möglich.
Bereits am späteren Abend wurde ein Grossteil des Gebietes rund um den Barbarossaplatz abgeriegelt, auch am Samstag ist die unterfränkische Polizei verstärkt in der Würzburger Innenstadt präsent, ein Hubschrauber ist im Einsatz. Hinweise auf einen zweiten Täter haben die Ermittler nicht.
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