Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen
Meinung

Lob des mütterlichen Ratschlags
Mama, du hattest doch recht

Befolgt den mütterlichen Tipp noch heute: Unsere Autorin Vanessa Hann (rechts) als Kind auf einer nostalgischen Aufnahme mit ihrer Mutter und ihrer grossen Schwester.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Was haben uns unsere Mütter im Laufe der Zeit nicht alles an Ratschlägen mitgegeben: liebevolle, lebenskluge, ungefragte, nervige, praktische Ratschläge. Viele davon haben wir – sorry, Mama – schon längst wieder vergessen. Manche aber sind uns in Erinnerung geblieben: Weil sie so nützlich oder prägnant waren oder weil wir ihren Wert erst Jahre später erkannt haben.

Zum Muttertag erinnern sich unsere Autorinnen und Autoren an Ratschläge und Lebensweisheiten ihrer Mütter, die sie bis heute begleiten.

«Räum dein Zimmer auf, bevor du in die Ferien gehst»

Die Koffer waren gepackt, das Auto stand auf dem Parkplatz und Vorfreude lag in der Luft: Sommerferien! Sonne! Schwimmbad! Als Kind konnte ich den Tag der Abreise jeweils kaum erwarten. Allerdings bestand meine Mutter Jahr für Jahr darauf, dass meine Geschwister und ich vor den Ferien unsere Zimmer picobello aufräumten. Ich konnte diesen Stress nicht verstehen, schliesslich fuhren wir in die Ferien!

Ich erinnere mich aber auch an ein anderes Gefühl: Wenn wir nach drei Wochen Toskana braun gebrannt und entspannt zu Hause ankamen, kam mir unser Zuhause immer besonders schön vor. Heute weiss ich, dass das auch daran lag, dass mich in meinem Kinderzimmer weder alte Socken noch umgekippte Bücherstapel empfingen. Alles war an seinem Platz.

Heute bin ich 34 Jahre alt. Bevor ich in den Urlaub fahre, wird die Wohnung geputzt, jeder Pullover verstaut, der Boden gefegt. Der Stress, den ich mir jetzt selbst mache – ich weiss, dass er sich lohnt. (Kerstin Hasse)

«Du kannst nicht auf allen Hochzeiten tanzen»

«Du kannst nicht auf allen Hochzeiten tanzen!», rief mir meine Mutter mahnend hinterher, wenn ich am Wochenende zu Hause ein und aus ging, um zu all meinen Verabredungen zu kommen. Zwischen 18 und 24 hörte ich den Satz am häufigsten. An jeder Party, jeder «Hundsverlochete» wollte ich dabei sein. Hinzu kamen Schule und Arbeit. Es lief immer ähnlich ab: Viel vor, keine Pausen und irgendwann lag ich krank im Bett. Wenn ich dann bleich und hustend dalag, sass meine Mutter an der Bettkante und sagte liebevoll, aber mit hochgezogenen Augenbrauen: «Du musst dir Inseln der Erholung schaffen.» Sie hatte ja recht. Heute schaffe ich es, dank meiner Mutter (und ein paar Erfahrungen), Pausen einzulegen. (Vanessa Hann)

«Auch andere Mütter haben schöne Söhne»

Meine ganze Jugend über litt ich unter Liebeskummer. Meine Mutter hatte immer ein offenes Ohr, aber in Liebesdingen brachte sie mich auf die Palme. Jedes Mal, wenn eine Liaison in die Brüche ging, kam der gleiche Spruch: «Auch andere Mütter haben hübsche Söhne.» Genau das wollte ich nicht hören, denn ich hatte nur Augen für diesen einen Sohn. Meine Mutter konnte sich glücklich schätzen, die Liebe fürs Leben im Nachbardorf gefunden zu haben. Doch sie sollte recht behalten: Ein paar Jahre später war ich im Liebesglück. Und dieser Sohn – mein heutiger Partner seit mittlerweile 18 Jahren – ist nicht nur hübsch, sondern smart, schlagfertig und unbeschreiblich lustig. (Claudia Salzmann)

«Mitmachen ist wichtiger als Gewinnen»

Es war beim Spielen von Monopoly, als ich diesen Satz erstmals aus dem Mund meiner Mutter hörte. Wahrscheinlich hatte ich mich aufs Feld «Paradeplatz» gewürfelt und musste meiner älteren Schwester sinnlos viel Miete zahlen. Jedenfalls schimpfte ich fürchterlich – da sagte meine Mutter sanft: «Michael, Mitmachen ist wichtiger als Gewinnen.»

Es ist ein Satz, den ein Kind kaum akzeptieren will. Ein Satz, der mir auch später als Teenager keinen Trost spendete; beispielsweise damals, als meine erste Freundin mitten in den Sommerferien mit mir Schluss machte. «Michael», sagte meine Mutter, und in ihrer Stimme schwang durchaus Ironie mit, «Mitmachen ist wichtiger als Gewinnen.» Es ist ein Erwachsenensatz. Ein Satz, den jeder kennt, doch keiner hören mag. Aber mittlerweile erlaube ich mir, in seltenen Momenten, ihn meinen Töchtern mitzuteilen. Es geht darum, im Spiel zu bleiben. (Michael Marti)

«Keine Piercings und Tattoos!»

In den späten Neunzigern, als Bekannte ihre ersten Nippelpiercings, Tribal-Arschgeweihe und Tattoo-Stacheldrähte auf den Oberarmen zur Schau trugen, brach bei meiner Mutter leichte Panik aus. Sie fürchtete wohl, ich könnte mir betrunken am Paléo-Festival oder wer weiss sonst wo ein Maori-Motiv oder ein Bauchpiercing stechen lassen.

Ich erinnere mich an Tischgespräche, bei denen mich meine Mutter wiederholt darauf hinwies, dass Körperschmuck etwas Unnötiges und vor allem für die Meridiane schlecht sei. Über die Meridiane, wo auch die Akupunkturpunkte sitzen, fliesst laut der Chinesischen Medizin die Lebensenergie Qi durch den Körper. Tattoos und Piercings, die meine Energie zerstören – dieses Bild prägte sich tatsächlich bei mir ein. Ich habe immer einen weiten Bogen um die Stecherei gemacht. Heute geniesse ich meine Lebensenergie und schaue munter meiner reinen, ungeschmückten Haut beim Älterwerden zu. Danke, Mama! (Claudia Schmid)

«Mach das!»

Im Ausland studieren? Ein Buch schreiben? Das teure Fahrrad kaufen? «Mach das!» Das ist der Lieblingsratschlag meiner Mutter. Also zumindest einer meiner liebsten Sätze, die ich von ihr kenne. Oftmals wird er ergänzt um Zusätze wie «Man lebt nur einmal» oder «Mach es jetzt», denn irgendwann könnte es ja zu spät sein. Zögern ist danach unmöglich, denn meist wird der «Mach das!»-Rat mit frappanter Entschlossenheit erteilt. Woher meine Mutter weiss, dass allfällige Zweifel unnötig sind, ist mir unbekannt. Aber sie hatte bisher immer recht. Und so rufe ich gern immer mal wieder an, um mir das mütterliche Empowerment zu holen, wenn ich mir ganz sicher sein will. (Andreas Tobler)

«Zieh dich gut an»

Der zitronengelbe Pulli mit dem grünen Wappen, dem Kragen und den geringelten Bündchen hat sich tief in meinem Unterbewusstsein eingeprägt. Ich sah darin 1986 aus wie eines dieser Söhnchen aus einem Tennisclub in Sanremo. Gekauft hat ihn meine Mutter in einem italienischen Sommerurlaub.

In unserem Dorf fiel ich damit auf. Der Pulli steht für etwas, das mir meine Mutter auf dem Weg gab: «Zieh dich gut an.» Ich erinnere mich auch an lilafarbene Cordhosen, akkurat geknüpfte Gürtel und Ledersandälchen. Im sozialen Kosmos eines Bauerndorfs wurde ich so eher zu den Bankdirektoren-Kindern gezählt. Eigentlich stamme ich aus einer Patchwork-Arbeiter-Handwerkerinnen-Familie. Heute breche ich absichtlich ab und an Mutters Regel; schlampig geht auch. Sagen aber Freunde zu mir, ich sei gut gekleidet, weiss ich, warum. Danke dafür, Mama. (Marco Maurer)

«Mitreden bedingt Wäsche aufhängen»

In meiner Kindheit versuchte meine Mutter mich dazu zu bringen, Ämtli im Familienhaushalt zu übernehmen. Erfolglos. Zu meinem 13. Geburtstag meinte Mama unvermittelt: «Als Teenager bist du jetzt nicht mehr bloss mein Kind, sondern auch mein Hauskollege.» Das bedeute, fuhr sie fort, dass ich nun auf Augenhöhe mitreden dürfe, aber ich müsse sie auch kollegial unterstützen, sprich Wäsche aufhängen, staubsaugen, mein Zimmer selber putzen. Von der Augenhöhe verführt, gewöhnte ich mich schnell daran, dass in einer Wohngemeinschaft alle einander zur Hand gehen und jeder seinen Dreck putzt. Mama hat recht behalten: Für mich und ihre Enkelinnen – meine Töchter – ist ihr Verdikt zum eisernen Gesetz geworden. (Thomas Möckli)

«Guet anegleit isch halbe bügled»

Diese Weisheit bekamen meine Schwester und ich von unserer Mami (Jahrgang 1945) zu hören, wenn wir im Dreiwochenturnus mit ihr die Wäsche der ganzen Familie bügeln mussten. Da waren die Socken und Unterhosen genauso faltenfrei zu bügeln wie die Hemden des Beamtenvaters und des Grossvaters. Der Spruch hat sich bis heute in mein Hirn gebrannt. Egal was ich tue, ich bereite mich akribisch auf sämtliche Aufgaben vor. Hemden bügle ich heute keine mehr, mein Soll habe ich wohl schon lange erreicht. (Manuela Matt)

«Zähne putzen nicht vergessen!»

Nach jeder Mahlzeit, jedem Snack, jeder Süssigkeit erschallte in unserem Haushalt der Schlachtruf: «Zähne putzen nicht vergessen!» Kein Gute-Nacht-Wünschen ohne Kontrollfrage nach der Zahnreinigung. Manchmal folgte ein Vortrag darüber, dass Karies entstehen kann und man dann bohren muss. «Guck dir meine Zähne an», sagte Mama jeweils. «Ich wünschte mir, jemand hätte mir das als Kind gesagt.» Als Erwachsene reduzierte ich die Zahnputzerei auf zweimal am Tag. Offenbar reicht das. Mein neuer Zahnarzt stiess jedenfalls ein Freudengeheul aus, als er mir das erste Mal in den Mund sah. So schön fand er meine Zähne. Ich war erleichtert. Danke, Mama. (Michèle Binswanger)