Vandalismus auf dem BalkanBosnien atmet auf – geklaute Statue von Bruce Lee ist wieder da
Ein Denkmal des Kampfkünstlers sollte die bosnische Stadt Mostar versöhnen. Dann wurde sie entwendet. Die Bruce-Lee-Affäre ist mehr als eine Provinzposse.
Es gibt eine berühmte Brücke, die über das türkisblaue Wasser der Neretva den westlichen und den östlichen Teil der bosnischen Stadt Mostar verbindet. Sie wurde 1993 von kroatischen Nationalisten zerstört. Fast zehn Jahre später erstrahlte sie im alten Glanz. Das Meisterwerk osmanischer Baukunst, errichtet im 16. Jahrhundert, wurde mit EU-Geldern wiederaufgebaut. Geeint wirkt die Stadt aber bis heute nicht, im Westen leben die Kroaten, im Osten die muslimischen Bosniaken. Jede Ethnie hat ihre eigenen Helden, die von den Nachbarn oft als Kriegsverbrecher wahrgenommen werden.
Zwei Aktivisten wollten der ethnischen Zerrissenheit etwas entgegensetzen, liessen den Kampfsport-Star Bruce Lee in Bronze giessen und stellten ihn 2005 auf einen Sockel im Stadtpark. Mit der Kung-Fu-Legende könne sich jeder Bürger und jede Bürgerin der Stadt identifizieren, so die Hoffnung der Initianten.
Bruce Lee als metallener Friedensstifter
Bruce Lee stehe «für unsere Kinderträume von einer gerechten Welt, in der nicht rohe Gewalt siegt, sondern Geschicklichkeit und der Wille zum Kampf für das Gute», hiess es damals. Anfang März wurde Bruce Lee gestohlen, und nicht nur durch bosnische Medien ging ein Aufschrei der Empörung. Fast eine Woche war die Statue des in San Francisco geborenen Kampfkünstlers verschollen. Nun ist sie wieder aufgetaucht; ein mutmasslicher Dieb befindet sich in Haft, er wollte Bruce Lee offenbar einem Altmetallhändler verkaufen.
Die Bruce-Lee-Affäre ist mehr als eine balkanische Provinzposse. Der metallene Friedensstifter hatte in der bosnischen Stadt einen schweren Stand gegen Nationalisten. Kurz nach der Einweihung fielen Hooligans über das Denkmal her und schlugen ihm die Kampfstäbe aus der Hand. Danach wurde es beschädigt. Den Aktivisten blieb nichts anderes übrig, als die Statue vor Vandalen in Sicherheit zu bringen.
In Mostar gibt es fast alles doppelt
Der Filmstar kehrte erst 2013 an seinen Platz zurück, doch seine Versöhnungsmission kann als gescheitert betrachtet werden. Zwar wird in Mostar nicht mehr gekämpft. Es bleiben aber bis heute unsichtbare Demarkationslinien bestehen, welche die Stadt mehr trennen als hohe Mauern.
In Mostar gibt es fast alles doppelt. Bosniaken und Kroatinnen haben eigene Universitäten, Strom- und Telefongesellschaften, Gesundheitssysteme, Tourismusbüros. Die nationalistischen und korrupten Eliten haben die Ressourcen der Stadt untereinander aufgeteilt. Zwischen 2008 und 2021 blockierten sie die Kommunalwahlen – ein einmaliger Vorgang in Europa. Die Auszeit der Demokratie dauerte zwölf Jahre.
Kürzlich wurde in Mostar ein Buch eines bosnisch-kroatischen Kriegsverbrechers vorgestellt, der seine Haftstrafe abgesessen hat. An diesem Anlass nahm auch Dragan Covic teil, der einflussreichste Politiker der kroatischen Bevölkerungsgruppe in Bosnien. Die US-Botschaft in Sarajevo sprach von einer Schande. Nicht nur in Bosnien-Herzegowina, sondern auch in anderen Balkanstaaten werden verurteilte Kriegsverbrecher glorifiziert, in Fernsehsendungen interviewt und ihre Werke auf Buchmessen präsentiert.
Aktivisten sind Rechtspopulisten geworden
Unklar ist, wann Bruce Lee im Park von Mostar wieder aufstehen wird. Laut lokalen Medien wurde die Statue massiv beschädigt: Es fehlen die Beine und das Haupt. Der «Mann mit der Todeskralle», der Liegestützen auf zwei Fingern machte, steht jetzt als Torso in einem Depot. Aus den zwei Aktivisten, die einst die lebensgrosse Bronzeskulptur Bruce Lees in Mostar enthüllten, sind rechtspopulistische Polterer geworden.
Was bleibt, ist der bosnische Humor. Ein Passant wurde von einer Fernsehreporterin gefragt, wer hinter dem Denkmalsklau stecken könnte. Er denke an zwei Verdächtige, antwortete der gut gelaunte Bruce-Lee-Fan: Entweder der Belgier Jean-Claude van Damme oder der Hongkonger Kampfsportler Jackie Chan, beide Gegenspieler von Bruce Lee. Ein dritter Dieb käme für ihn nicht infrage, so der Bosnier.
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