Kolumne «Miniaturen des Alltags»Morgenstund hat Blei im A…
Bei kleinen Kindern folgt auf das Aufstehenmüssen gern ein mittelgrosses Drama. Der Morgenmuffel in mir kann da nur zu gut mitfühlen.
Es gibt wenige Dinge, um die ich Kinder beneide – abgesehen von den dreizehn Wochen Schulferien im Jahr, die man spätestens nach dem Abschluss des Studiums schmerzlich vermisst. Mit der Geburt meiner Nichten und Neffen hat sich aber ein weiterer Punkt dazugesellt: Bis zum fünften oder sechsten Lebensjahr können sich die kleinen Racker hemmungslos sämtlichen Emotionen hingeben, ohne dafür verurteilt zu werden. Schlimmer noch, nicht selten sind sie auch in der grössten Wut noch «herzig» oder zumindest belustigend. Man denke nur an die berühmten Wutanfälle mit Sich-auf-den-Boden-Werfen. Doch schon bevor das Alter zweistellig wird, haben diese ihren letzten «Charme» verloren.
Ähnlich gestaltet es sich mit der, bei kleinen Kindern oft wahnsinnig schlechten, Laune direkt nach dem Aufstehen. Vielleicht ist das auch nur bei den Sprösslingen meiner Geschwister der Fall. Jedenfalls folgte bei ihnen auf jedes Aufwachen die grosse Trauer mit Tränen und Sich-ans-Lieblingskissen-oder-Bett-Klammern.
Genau hier kommt bei mir ein kleines bisschen Neid auf. Denn ein Morgenmensch bin ich wahrlich nicht. Ich halte es da wie mein Vater, dessen Motto war: «Morgenstund hat Blei im A…» Allerdings habe ich im Laufe der Zeit gelernt, meine Morgenmuffeligkeit mehr oder minder zu kaschieren – vielleicht ist das die viel besungene Altersweisheit. Wahrscheinlicher ist aber, dass einfach der Kaffee sein Werk tut.
Aber wie wünsche ich mir manchmal, meinem Trennungsschmerz nach der bequemen Horizontalen freien Lauf lassen zu können. Vor allem am ersten Arbeitstag der Woche. Bei meinen Redaktionskollegen würde das bestenfalls Verwirrung oder ein missbilligendes Kopfschütteln auslösen. Immerhin verhilft mir die Vorstellung davon, wie es denn wäre, morgens zu einem ersten Grinsen.
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