Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Ausstellung zu Gladiatoren
«Morgen muss ich meinen besten Freund töten»

Szene aus einem Reenactment in London: Darsteller spielen einen Gladiatorenkampf nach. 
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Den Zeitpunkt für ihren Besuch wählte die hochrangige Römerin nicht sehr günstig. Als der Vesuv im Jahr 79 n. Chr. die Stadt Pompeji im Süden Italiens verschüttete, war die Frau gerade in der Gladiatorenschule, wo sich eine Römerin ihres Status nicht aufhalten sollte. Manche Forscher vermuten, dass die Frau dort ihren Geliebten, einen Gladiator, traf. Auch der römische Satiriker Juvenal spottete über solche Affären: Er erzählte von Eppia, Frau eines Senators, die einen muskelbepackten Kämpfer der Toga und Denkerstirn ihres Ehemanns vorgezogen habe und mit diesem Gladiator sogar durchgebrannt sei. Eine Inschrift in Pompeji erzählt zudem von Gladiator Crescens, er sei bei den Frauen besonders beliebt.

Die römische Gesellschaft hatte eine ambivalente Haltung gegenüber den Kämpfern. Die Gladiatoren waren sozial geächtet, rechtlich nicht bessergestellt als Sklaven, und gleichzeitig waren manche von ihnen so populär, wie es heute berühmte Fussballer sind. Und wie die Episoden zeigen, kamen sie bei Frauen aller Schichten gut an.

Ursprung in Beerdigungen

Gladiatorenkämpfe gab es im alten Rom während Jahrhunderten, und sie sind Thema einer aktuellen Ausstellung im Archäologischen Landesmuseum in Konstanz. Die ältesten bildlichen Darstellungen stammen von einem Grab aus dem vierten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. In schriftlichen Quellen tauchen die Kämpfe 264 vor Chr. erstmals auf.

«Es spricht vieles dafür, dass der Ursprung der Gladiatorenkämpfe in Begräbniszeremonien lag», sagt Althistoriker Jens Bartels, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Zürich. Die Vorstellung, dass Menschen als Teil von Begräbniszeremonien sterben sollten, gab es in vielen alten Kulturen. Das Blut sollte möglicherweise die Geister der Toten besänftigen.

«Wir finden das schon in der ‹Illias› von Homer», sagt Bartels. Als Achilles’ Freund Patroklos im Kampf gegen die Trojaner starb, opferte Achilles zwölf junge Männer an seinem Grab. «Die Römer lehnten Menschenopfer ab, aber dass Gladiatoren bei Begräbnissen im Kampf starben, war akzeptiert.»

«Es galt bei den Römern als verpönt, öffentlich aufzutreten, um andere zu unterhalten.»

Jens Bartels, Althistoriker Universität Zürich

In der Anfangszeit waren es reiche Privatleute, die Gladiatorenspiele organisierten. Vor allem Kriegsgefangene und Sklaven mussten in der Arena kämpfen. Weil die Kriegsgefangenen meist aus anderen Armeen stammten, waren sie kampferprobt. In den ersten Jahrhunderten trugen die Gladiatoren auch entsprechende Namen und Waffen, sie hiessen Gallier, Thraker oder Samnit.

Wer in der Arena überzeugend kämpfte, der wurde für seine Kampfkunst und seinen Mut bewundert. Beides waren Tugenden, nach denen die Römer strebten. Dass die Gladiatoren sozial trotzdem geächtet waren, hatte nicht nur mit ihrer Herkunft zu tun. «Obwohl die Römer das Spektakel in Form von Kämpfen oder Wagenrennen liebten, galt es eigentlich als verpönt, öffentlich aufzutreten, um andere zu unterhalten», sagt Bartels.

Die Kämpfer lebten und trainierten zusammen in der Gladiatorenschule, genannt ludus. Sie hatten wenig Kontakte mit dem Rest der römischen Gesellschaft, ihre engsten Freunde waren gleichzeitig ihre Gegner. «Das konnte zu schwierigen Situationen führen», sagt Bartels, «für den Einzelnen konnte es heissen, dass er am nächsten Tag seinen besten Freund töten musste.»

Szene aus einem Reenactment in der italienischen Region Kampanien: Dort vermuten Forscher den Ursprung der Gladiatorenkämpfe. 

Falls der unterlegene Gladiator nicht im Kampf starb und das Publikum oder der Kaiser ihn nicht begnadigten, musste der Sieger ihn in der Arena töten. «Es muss grosse Überwindung gekostet haben, einen Menschen umzubringen, mit dem man lange zusammengelebt hatte und mit dem man in einer Schicksalsgemeinschaft verbunden war», sagt der Althistoriker Christian Mann von der Universität Mannheim, der ein Buch über Gladiatoren geschrieben hat. Trotzdem habe man von Sieger und Verlierer «äusserste Disziplin im Angesicht des Todes» verlangt.

Es gab unterschiedliche Ausrüstungen und Gladiatorentypen. Antreten mussten die Kämpfer meist in ungleichen Paaren: ein wenig geschützter, besser Bewaffneter gegen einen gut geschützten Schwerfälligen. Eine beliebte Paarung waren beispielsweise der Retiarius (Netzkämpfer) und der Secutor (Verfolger). Der Retiarius trug nur eine Armschiene und einen Schulterschutz, seine Waffen waren ein Netz und ein Dreizack. Der Secutor hatte einen grossen Schild, einen Helm mit zwei Gucklöchern, Arm- und Beinschutz, als Waffe aber nur ein Kurzschwert. Die Bewegungsabläufe übten die Gladiatoren in den Schulen an Holzpfählen.

Was wir über die Gladiatoren wissen, stammt aus verschiedenen Quellen. In Pompeji fanden Forscher nicht nur eine Gladiatorenschule und Waffen, sondern auch zahlreiche Inschriften zum Thema, darunter Ankündigungen kommender Kämpfe. Auch literarische Quellen aus der Römerzeit erzählen von Gladiatoren. Und viele erfolgreiche Kämpfer bekamen einen Grabstein mit Inschrift und bildlichen Darstellungen. Kampfduelle in der Arena gab es auch auf dem Gebiet der heutigen Schweiz. Ein grosses Mosaik aus der Römerstadt Augusta Raurica, Kanton Baselland, zeigt ebenfalls Gladiatoren.

Gladiatoren hatten einen Energydrink

Ein besonders wertvoller Fund gelang in Ephesos, das an der Westküste der heutigen Türkei liegt. Dort stiessen Archäologen in der Nähe einer Arena auf einen Gladiatorenfriedhof. Die Knochen liefern wichtige Informationen über das Leben der Kämpfer. Die Männer waren sehr muskulös und zeigten Spuren jahrelangen harten Trainings.

Auf ihrem Speiseplan stand vor allem vegetarische Kost in Form von Getreide und Bohnen. Die Gladiatoren hatten sogar einen Energydrink, der schon in antiken Quellen erwähnt ist und sich auch bei den Kämpfern in Ephesos nachweisen lässt. Er bestand aus Pflanzenasche, vermutlich mit Honig und Essig vermischt.

Die Toten von Ephesos zeigen auch, dass die medizinische Versorgung der Gladiatoren für die damalige Zeit von hoher Qualität war, viel besser als jene der ärmeren Menschen im Römischen Reich. An den Knochen liessen sich viele gut geheilte Verletzungen nachweisen. Während der Kaiserzeit, ab der Mitte des ersten vorchristlichen Jahrhunderts, kam es zu einer Professionalisierung des Gladiatorenwesens.

Das steigerte die Überlebenschancen des einzelnen Kämpfers. Anders als in vielen Filmen dargestellt, starb nicht bei jedem Duell einer der beiden. Weil die Besitzer der Schulen viel Zeit und Geld in das Training der Kämpfer investierten, waren die Gladiatoren wertvoll. Je länger die Karriere eines Einzelnen dauerte, umso grösser waren die Chancen, auch bei einer Niederlage am Leben zu bleiben.

Einer der bekanntesten Gladiatorenfilme: Russell Crowe in «Gladiator» aus dem Jahr 2000.

Wenn der Gladiator in den Augen des Publikums tapfer gekämpft hatte, forderte meist eine Mehrheit seine Begnadigung. Es ist schwierig zu rekonstruieren, wie hoch das Risiko war. Vermutlich starben unerfahrene junge Kämpfer am häufigsten. Es gibt Schätzungen, dass in neun von zehn Kämpfen beide überlebten.

Weil die Gladiatoren miteinander lebten und trainierten, sind auch Hinweise auf Absprachen überliefert. Beide versuchten, den Kampf möglichst dramatisch aussehen zu lassen, ohne den anderen schwer zu verletzen. Doch die Duellanten mussten aufpassen, dass das Publikum die Täuschung nicht bemerkte.

«Die Arenakämpfe dienten auch der Selbstdarstellung der Organisatoren», sagt Kurator Kurt Felix Hillgruber, der die Gladiatoren-Ausstellung mitkonzipiert hat. Je mehr Kämpfer man auftreten liess, desto wohlhabender war man. Waren es zu Beginn jeweils nur wenige Paare, so zeigt eine 2018 in Pompeji entdeckte Inschrift, dass an einem Anlass 416 Gladiatoren auftraten.

Die Daumen-runter-Geste ist eine moderne Erfindung.

Als die Kaiser um die Mitte des ersten vorchristlichen Jahrhunderts die Hoheit über die Kämpfe übernahmen, traten vermehrt Freiwillige in die Gladiatorenschule ein. Für einen freien Römer aus armen Verhältnissen schien das Leben als professioneller Kämpfer trotz der Risiken attraktiv.

Auch die Mächtigen Roms hatten ein Interesse daran, dass weniger Sklaven und Kriegsgefangene kämpften. Denn sie fürchteten sich nach dem mehrjährigen Sklavenaufstand unter Spartacus im ersten vorchristlichen Jahrhundert vor grösseren Gruppen hochtrainierter und bewaffneter Kämpfer. In manchen Schulen wurde sogar verlangt, dass die Gladiatoren nachts angekettet wurden.

Gladiatoren, Helden des Kolosseums, Archäologisches Landesmuseum Konstanz, bis am 8.10.23