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Dillier vor Paris–Roubaix
«Es hat etwas von einem modernen Gladiatorenkampf»

Roubaix und Dillier: Dem Pavé-Rennen verdankt der Aargauer, hier bei einer Besichtigungsfahrt am Donnerstag, ein schönes Stück seiner Bekanntheit in Radkreisen.
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Deutlicher konnte Silvan Dillier nicht aufgezeigt erhalten, wie ernst es am Sonntag gilt: Bei der Trainingsfahrt des Alpecin-Fenix-Teams am Freitag konnte Kollege Oscar Riesebeek bei der Ausfahrt von einem Pavé-Sektor einen Sturz nicht vermeiden. Normalerweise schüttelt so etwas einen Profi kurz durch – dann setzt er sich wieder aufs Velo. Nicht Riesebeek: Im Spital wurde ein Beckenbruch diagnostiziert.

«Paris–Roubaix hat etwas von einem modernen Gladiatorenkampf», sagt Dillier, der aktuelle Schweizer Meister. «Du stehst zusammen mit deinen Profikollegen an der Startlinie und weisst, dass eine Handvoll am Abend im Spital liegen wird, weil sie etwas gebrochen haben.»

Und doch hat Dillier zu keinem anderen Rennen eine engere Beziehung als zu diesem. Wo er auch ankommt in der Radwelt, fällt mit seinem Namen auch jener von Roubaix. 2018 schaffte er es in die frühe Fluchtgruppe des Tages. Und als von hinten Favorit Peter Sagan heranpreschte, wurde Dillier nicht wie seine Fluchtgefährten sogleich vom Slowaken distanziert. Nein, er hängte sich an dessen Hinterrad und fuhr mit dem damaligen Weltmeister bis zum Vélodrome von Roubaix – im Sprint blieb er chancenlos. Von Dilliers Ritt sprechen die Fans noch heute. «Es war ein mega guter Tag, ich war voll im Flow, machte automatisch Sachen richtig, die mir in anderen Rennen vielleicht nicht so gelingen», sagt Dillier.

Ganz an der Spitze des Rennens zu fahren und dann auf den heranbrausenden Schnellzug der Favoriten aufspringen, das wäre auch dieses Mal Dilliers bevorzugtes Szenario. Doch er weiss, dass die Chancen darauf nicht allzu gross sind.

Das liegt nicht an seiner Form. Die erachtet er eher noch besser als vor drei Jahren. An der Strassen-WM vor einer Woche leistete er als Helfer abseits der Kameras Grosses. «Anhand meiner Leistungswerte war es das härteste Rennen, das ich je bestritten habe», sagt Dillier. Und trotzdem fühlte er sich zwei Tage später schon wieder erholt.

Erstes nasses Paris–Roubaix seit 20 Jahren

Die Vorausfahrt ist 2021 für Dillier auch kaum ein Szenario, weil es vielleicht gar nie eine solche geben wird. Erstmals seit 20 Jahren steht ein nasses Paris–Roubaix bevor. Dillier erwartet, dass deshalb die Favoriten selber so früh in die Offensive gehen werden, weshalb sich eine Vorausfahrt kaum lohnen wird.

Das Rennen ist schon auf trockenen Pflastersteinen das unbarmherzigste im Kalender. Aber mit Nässe, wenn die unebenen Steine auch noch rutschig sind? «Respekt hat jeder von uns. Angst hingegen wäre das Falsche, dann gehst du besser nicht an den Start», sagt Dillier, der sich bewusst ist, dass er gerade in diesem Rennen sein Schicksal nur zu einem Teil selber steuern kann: «Ein kleiner Fahrfehler von dem vor dir – schon liegst du am Boden.»

Feine Steuerkünstler sind gefragt

Roubaix bevorteilt seit je Fahrer, die neben sehr viel Power in den Beinen auch feine Steuerkünstler sind, die den Lenker nicht verkrampft greifen, sondern locker halten, sodass sich das Vorderrad selber den idealen Weg über den ungleichmässigen Untergrund sucht. Nirgendwo lernt man diese Fähigkeit besser als im Radquer. Und niemand beherrscht diese Disziplin besser als Dilliers Teamcaptain: der vierfache und aktuelle Quer-Weltmeister Mathieu van der Poel.

Dillier über Van der Poel, hier beim Training auf einem Roubaix-Sektor: «Ein Leader mit so viel Talent und Disziplin. Der im Rennen auch etwas wagt.» 

Der 31-jährige Aargauer gerät sogleich ins Schwärmen, als er auf den fünf Jahre jüngeren Niederländer zu sprechen kommt: «Etwas Geileres kann man sich nicht wünschen als Velofahrer, als so einen Leader im Team zu haben mit so viel Talent und Disziplin. Und vor allem: Der im Rennen auch etwas wagt.»

Maillot jaune dank schlitzohrigem Manöver

Van der Poel ist das Wunderkind, das scheinbar alles kann. Der die Radquerszene seit je dominiert, auf dem Mountainbike Nino Schurter und Co. schwer ins Grübeln brachte und auf der Strasse in der Lage scheint, jedes Rennen zu gewinnen, zu dem er antritt. Im Sommer gewann er bei seinem Tour-de-France-Debüt eine Etappe und holte dank einem schlitzohrigen Manöver auch das Gelbe Leadertrikot, das einst seinem Grossvater Raymond Poulidor eine Karriere lang verwehrt geblieben war. «Das war so nicht abgesprochen. Meist hat Mathieu einen Plan im Kopf – den er aber für sich behält», sagt Dillier. Bei Olympia in Tokio hingegen kämpfte der Niederländer mit dem Mountainbike unglücklich, stürzte und musste aufgeben. Auch darum hat er noch eine Rechnung offen mit dieser Saison, zu deren Ende hin seine Form noch einmal anzusteigen scheint.

«Wie die Teamgründer sich ihre Hintern für uns aufreissen. Das gibt eine Eigendynamik: Du willst nicht derjenige sein, der es verkackt.»

Dillier wechselte auf diese Saison hin zu Alpecin-Fenix, dem Team, das rund um Van der Poel herumgebaut worden ist. Das aber längst viel mehr als das Jahrhunderttalent allein ist. 31 Siege (Van der Poel: 8) gab es in dieser Saison, nur vier Teams holten mehr. Dillier schwärmt von den Brüdern Roodhooft, den Teamgründern. «Wie die beiden sich für uns den Hintern aufreissen, für die Fahrer, den Staff – diesen Einsatz erwarten sie von jedem Teammitglied. Das gibt eine Eigendynamik: Du willst nicht derjenige sein, der es verkackt», beschreibt es Dillier. Er erzählt, wie einmal der Teambus nicht anspringen wollte. Worauf sich einer der Roodhooft-Brüder die Hemdsärmel hochkrempelte, unter den Bus kroch – und das Problem löste.

Van der Poel der erste siegreiche Debütant nach 55 Jahren?

Solche Probleme erwartet Dillier nicht für Sonntag. Andere aber sehr wohl. Plattfüsse und andere Defekte sowie Stürze sind bei Paris–Roubaix eher Regel als Ausnahme, kaum einer kommt komplett unbeschadet durch. «Es gibt nur ein Erfolgsrezept an so einem Tag: Nie aufgeben, denn du kannst immer zurückkommen», sagt Dillier. Nimmt sich sein Teamleader das zu Herzen, bietet sich Van der Poel eine rare Chance: jene des Debütantensiegers in Roubaix. Letztmals gab es das vor 55 Jahren, Felice Gimondi war damals der Glückliche.

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