Politik und KampfsportDer Käfig als Bühne – wie Trump und Putin sich die MMA-Kämpfer zunutze machen
Der amerikanische Mixed-Martial-Arts-Veranstalter UFC hat den Sport durch Show ergänzt. Die einstige Randsportart ist zu einem Vehikel der Macht geworden. Zwei Schweizer erzählen von ihren Erfahrungen.

- Die MMA-Kampfsportserie UFC hängt in den USA eng zusammen mit dem Aufstieg von Donald Trump zum Präsidenten.
- Die UFC hat unter ihrem Chef Dana White nahezu ein Monopol in ihrem Markt – unter dem neuen Präsidenten Trump muss sie keine Konsequenzen fürchten.
- Im Showbetrieb UFC ist der Zürcher Robert Valentin nicht nur Kämpfer, sondern auch Spektakelmacher.
- Mit Yasubey Enomoto kämpft ein anderer Schweizer vermehrt in Russland, wo MMA ebenso politisch instrumentalisiert wird – von Präsident Wladimir Putin.
Er zieht die Hand vor seiner Kehle durch die Luft, streckt die Zunge raus, Blut tropft ihm von der Stirn – es ist nicht seines. Robert Valentin, 29 Jahre alt, geboren in Deutschland, aufgewachsen in Zürich, pflegt seine Siege als MMA-Kämpfer mit grossen Gesten zu feiern. «Robzilla» ist sein Nom de Guerre, in einem Interview vor einem Kampf hat er einmal gesagt: «Ich werde ein paar Schädel knacken und ein bisschen Blut opfern für die alten Götter.» Auf seiner Brust prangen nordländische Runen. Das Oktogon – das Achteck, in dem gekämpft wird – ist für ihn eine Bühne.
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Anders ist es bei Yasubey Enomoto. Auch er kämpft MMA, auch er schlägt voll zu, aber ihn beschäftigt die Brutalität. Noch heute erinnert er sich an den Moment, als er mit seiner Faust zum ersten Mal voll trifft: Licht aus, der Gegner sackt weg. «Ich kann nicht ausblenden, was meine Schläge auslösen», sagt Enomoto. Bald bestreitet der Zürcher mit japanischen und peruanischen Wurzeln seinen 40. Kampf, in der Szene ist er mit 41 Jahren ein Oldie. «Ein Kampf ist für mich auch innerlich ein Kampf», sagt er. Das Oktogon kann auch ein Käfig sein.
Valentin und Enomoto, zwei Schweizer, zwei unterschiedliche Typen, zwei Kämpfer in der gleichen Sportart. Sie sind Athleten in einer Umgebung, die politischer ist, als es ihnen lieb sein kann. Doch wie ist die einstige Randsportart zu einem Vehikel der Macht geworden?
Der wahre Schirmherr der UFC? Donald Trump
MMA steht für Mixed Martial Arts, eine Kombination aller gängigen Kampfkünste. Es ist die brutalste aller Kampfsportarten – und sie fasziniert die Massen. Die meisten Menschen zieht die Ultimate Fighting Championship (UFC) an, die grösste MMA-Liga: 1,5 Milliarden Dollar hat sie 2024 umgesetzt und Millionen junger Männer vor den Bildschirm gebracht.
Die UFC hat einen bekannten Präsidenten: Dana White, früher Aerobic-Trainer, später Manager der ersten MMA-Profis, heute Multimillionär und gut vernetzt bis nach ganz oben. Denn der wahre Schirmherr der UFC ist ein noch viel bekannterer Präsident: Donald Trump. Er hat die UFC einst vor dem Konkurs gerettet – im vergangenen Wahlkampf hat er im MMA-Publikum einen beträchtlichen Teil seiner Stimmen geholt. Der golfende Trump und die Kampfsportler: Wie passt das zusammen?
Die Wurzeln von MMA reichen bis in die Antike. Schon da wollte man wissen, wer stärker ist: der Ringer oder der Boxer. Im 20. Jahrhundert kam unter den Kampfsportarten eine Mischung aus Boxen, Kicken und Ringen auf, Würgen und Würfe waren erlaubt, auch Tritte und Schläge am Boden. «Vale tudo», alles zählt, nannten es die Brasilianer, von den «mixed martial arts» sprachen die Amerikaner.

Yasubey Enomoto ist ein Teenager, als die modernen MMA entstehen. Die Brutalität erschreckt ihn, und gleichzeitig fasziniert ihn das Kräftemessen in den diversen Disziplinen. Im Fernsehen sieht er die ersten UFC-Kämpfe, man kann sie heute noch auf Youtube nachschauen.
Es sind bizarre Begegnungen: In einer Lagerhalle auf den Bahamas trifft ein Sumoringer auf einen Kneipenschläger in Jogginghose, gekämpft wird «bare knuckle», ohne Handschuhe, entsprechend schnell fliesst das Blut. Das spärliche Publikum johlt.
Von «Barbarei» schreibt die Presse, das bürgerliche Amerika zeigt sich entrüstet. Der inzwischen verstorbene republikanische Politiker John McCain – 2008 im Duell um die Präsidentschaft Barack Obama unterlegen – ruft die Gouverneure der Bundesstaaten dazu auf, die «menschlichen Hahnenkämpfe» zu stoppen; auch die amerikanische Ärztevereinigung empfiehlt ein Verbot. 36 der 50 Bundesstaaten kommen der Aufforderung nach, das Publikum in den Lagerhallen protestiert fortan mit «Keep the UFC legal»-Plakaten. Ende der 90er-Jahre steht die UFC vor dem Aus.

Da tritt einer auf den Plan, der sich immer gerne in der Kampfsportwelt gezeigt hat. Als Geschäftsmann hat Donald Trump ab den 80er-Jahren die besten Boxer des Landes in sein Plaza-Hotel in Atlantic City geholt, Mike Tyson, George Foreman, Evander Holyfield. «Boxen ist aufregender als Oper und Ballett», lässt sich Trump einmal zitieren.
Donald Trumps Beziehung mit der UFC begann im Jahr 2001
2001 bietet er der UFC eines seiner Casinos als neuen Austragungsort zum Vorzugspreis an. In der Promiszene an der Ostküste verschafft er sich damit Respekt – sein Wirkungskreis ist gewissermassen mit der UFC gewachsen.
Denn MMA entwickelt sich zur Weltsportart, mit Athleten aus allen fünf Kontinenten. Der wilde Kraftvergleich wird durch Regeln ergänzt: keine Kopfstösse, nicht in die Augen stechen, keine Schläge auf die Wirbelsäule oder den Hinterkopf. Die Kämpfer werden athletischer, Spezialisten wie Ringer oder Boxer gibt es nicht mehr, im Käfig treffen trainierte Allrounder aufeinander.
Die zunächst so umstrittene UFC wird zur grössten Kampfsportserie der Welt und ist auf den neuen Medien bei einem jungen männlichen Publikum präsent. Wollte der Republikaner McCain die UFC Mitte der 90er noch abschaffen, ist Trumps Partei 25 Jahre später eng mit der Liga verstrickt. 2016 wechselt Steven Cheung vom Kommunikationsbüro der UFC direkt in die Präsidentschaftskampagne von Trump.
Auch der Podcaster und Comedian Joe Rogan wurde durch seine Tätigkeit als Kommentator für die UFC bekannt. Vor der Präsidentschaftswahl im vergangenen November lud er sowohl Kamala Harris als auch Donald Trump in seinen Podcast ein. Nur Trump schaute vorbei. Und verbuchte bei den Wahlen schliesslich 56 Prozent aller Stimmen der 18- bis 30-jährigen Männer – 14 Prozent mehr als 2020.
Und was hat die UFC davon?
Die Liga ist global vermarktet, mit TV-Verträgen in der ganzen Welt. Gekämpft aber wird in den USA, die Athleten brauchen oft besondere Aufenthaltsbewilligungen. «Schon deswegen ist so ein Stein im Brett des mächtigsten Politikers nützlich», sagt Enomoto, der die UFC als Aussenstehender intensiv verfolgt.
Die UFC muss dank Trump auch keine Kartellklagen fürchten
Und nicht nur deswegen. Die UFC hat in einer bis vor zehn Jahren noch lebendigen Branche mittlerweile ein Monopol – kleinere Ligen kaufte sie in Serie auf, «die Expansionsstrategie war aggressiv», sagt Enomoto. Vor einem amerikanischen Gericht musste sich die UFC im letzten Herbst in einer Kartellklage verantworten, Athleten hatten sich gegen monopolistisches Gebaren und Knebelverträge gewehrt. Die Klage endete mit einem Vergleich, die UFC zahlte der Athletenvereinigung 350 Millionen Dollar.
Unter dem Demokraten Joe Biden ging die US-Administration intensiv gegen monopolistische Tätigkeiten vor. In dieser Hinsicht hat die UFC unter Trump nichts zu befürchten. Überhaupt ist die Organisation in der wichtigsten amerikanischen Allianz zwischen Techgrössen und Spitzenpolitikern bestens vertreten. Nicht nur sprach Dana White an Trumps Inauguration im Januar, seit Anfang Jahr zählt er auch zum Verwaltungsrat des Facebook-Konzerns Meta. Für die einen ist das Oktagon eine Bühne, für die anderen ein Käfig – und für wiederum andere ein politisches Parkett.

Der Zürcher Robert Valentin ist sich bewusst, dass er nicht nur als Kämpfer, sondern auch als Spektakelmacher zur UFC geholt wurde. «Ich bin ein direkter Typ, trage mein Herz auf der Zunge», sagt er. «Ich will dem Publikum etwas bieten, wenn ich im Käfig bin.»
Gezeigt hat er das in der Reality-TV-Show «The Ultimate Fighter», so etwas wie die hauseigene Big-Brother-Sendung der UFC, mit Gefühlsregungen irgendwo zwischen Krokodilstränen und brüderlicher Ergriffenheit. Ein Dutzend Kämpfer findet für ein paar Wochen in einer WG zusammen und ringt im Turniermodus um einen UFC-Vertrag. Valentin hat seinen Finalkampf zwar verloren, aber dennoch einen Kontrakt ergattert: Fünf Fights darf er bestreiten, den ersten im April, das bringt ihm eine fixe Kampfbörse von knapp 100’000 Franken ein.
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Damit er professionell trainieren und ausschliesslich von MMA leben kann, verbringt Valentin den grössten Teil des Jahres auf Phuket in Thailand. Es lebt sich dort nicht nur billiger, sondern als MMA-Athlet auch besser: Manager finden Trainer finden Athleten, es gibt massenhaft Trainingsgruppen, Südostasien ist das Mekka der Kampfsport-Expats.
Um sein Einkommen aufzubessern, versucht sich Robert Valentin als Influencer – auf Youtube spricht er in einem Format namens «RobzillaTV» zu seinen Followern, mit einer Botschaft ganz im UFC-Slang: Es geht um Selbstermächtigung und Schicksalskontrolle, der Stärkere siegt gegen den Schwächeren, hypermaskulin und stets überlegen. «Wir Kämpfer bedienen, was längst verpönt ist», sagt Valentin und spricht von menschlichen Instinkten. Je mehr die Gewalt von der Gesellschaft an den Rand gedrängt werde, desto grösser werde die Faszination dafür.
Die UFC ist nicht die einzige MMA-Serie, die mit mehr Showelementen versucht, das Publikum zu binden. Yasubey Enomoto kämpft vor allem in Russland, er hat sich dort einen Namen gemacht. Wenn er in Sibirien aus dem Flugzeug steigt, wird er für Autogramme gefragt, in Zürich erkennt ihn niemand.
Der Staat des starken Mannes – auch Putin macht sich MMA zunutze
Rund um russische Ligen gibt es sogenannte Pop-MMA-Events: Grösstenteils inszenierte Talkshows, in denen die Athleten zu Gesprächsrunden geladen werden und schon mal aneinandergeraten – «eine Jerry-Springer-Show für Kampfsportler», formuliert es Enomoto in Anlehnung an die legendäre amerikanische Trashtalk-Sendung.

Er selbst versucht, dem, so gut es geht, auszuweichen. Ihm ist nicht verborgen geblieben, wie die Sportart auch in Russland durch die Politik unterwandert ist. Während sich Trump die UFC zunutze macht, lässt sich der russische Präsident Wladimir Putin gerne mit den besten MMA-Kämpfern des Landes blicken – und nutzt die Sportart zur Inszenierung Russlands als Staat des starken Mannes, der Vaterland und Familie beschützt. «Dieses Bild ist in Russland tief verankert, der Nationalismus ist stark zu spüren», sagt Enomoto. Als Russland 2022 die Ukraine angriff, setzte die Fussball-Liga aus, aus der Eishockey-Liga KHL zogen sich Teams zurück. Die MMA-Kämpfe fanden weiter statt.
Der Käfig als Bühne – Trump nutzt ihn. Putin auch.
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