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Vor Raiffeisen-Betrugsprozess
Mitangeklagter Beat Stocker distanziert sich von Vincenz

Ein Bild aus besseren Tagen: Ex-Raiffeisen-Berater Beat Stocker.
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Am 25. Januar beginnt der Strafprozess gegen den früheren Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz und seinen Ex- Berater Beat Stocker sowie gegen weitere fünf Mitangeklagte. Die Staatsanwaltschaft wirft Vincenz und Stocker gewerbsmässigen Betrug, Veruntreuung, Urkundenfälschung und passive Bestechung vor. Konkret sollen Vincenz und Stocker sich mit privaten Beteiligungen an vier Unternehmen, darunter die Beteiligungsfirma Investnet, unrechtmässig bereichert haben. So waren beide Miteigentümer von Investnet, als Raiffeisen dort die Mehrheit übernahm, ohne dass Stocker und Vincenz diese Beteiligung Raiffeisen offengelegt hatten. Zudem sollen sich beide über Spesen bereichert haben.

Nun hat Beat Stocker der «NZZ am Sonntag» ein langes Interview gegeben, in dem er sich zu diesen Vorwürfen erstmals äussert und sein Verhältnis zu Pierin Vincenz beschreibt. Die Kernaussagen im Überblick.

Der Gang an die Öffentlichkeit

Stocker geht in die Offensive, um sich vom Hauptangeklagten Vincenz zu distanzieren und um sein Bild in der öffentlichen Wahrnehmung zu korrigieren. «Ich befürchte, heute einzig als eine Art Schatten von Vincenz wahrgenommen zu werden. Ich war nie ein Schatten von Pierin Vincenz», sagt er im Interview. «Ich glaube, würde man die Öffentlichkeit heute fragen, wer ich bin, käme die Antwort, ich sei irgend so ein smarter Berater und Einflüsterer von Herrn Vincenz.»

Schon bei der ersten Einvernahme durch die Staatsanwaltschaft habe diese ihm vorgehalten, wie unglaubwürdig es sei, dass Stocker dem Chef der drittgrössten Bankengruppe der Schweiz angeblich ein privates Darlehen in Millionenhöhe für einen Hauskauf im Tessin gegeben habe. «Ich möchte diese falschen Deutungsversuche richtigstellen», sagt Stocker.

Der Hauptvorwurf des Betrugs

Am 26. Juni 2015 erhielt Stocker von den beiden Investnet-Gründern eine Zahlung von je 2,9 Millionen Franken, nachdem Raiffeisen die Mehrheit an Investnet gekauft hatte. Stocker überwies die Hälfte des Geldes an ein Gemeinschaftskonto von Pierin Vincenz und seiner Frau Nadja Ceregato bei Raiffeisen in Lugano. Für die Staatsanwaltschaft stellt diese Summe den Verkaufserlös aus der verdeckten Beteiligung dar.

«Das ist falsch, es handelte sich um ein privates Darlehen», sagt Stocker dazu. «Pierin kam im Mai 2015 auf mich zu und sagte, er brauche erneut Geld.» Nach seinem Ausscheiden bei Raiffeisen wollte Vincenz sich ein neues Haus im Tessin für 10 Millionen Franken kaufen, konnte aber das erforderliche Eigenkapital nicht aufbringen. Im Juni 2015 überwies Stocker dann 2,9 Millionen Franken an Vincenz als Darlehen. Damals habe er nicht gewusst, wie schlecht die finanzielle Situation von Vincenz gewesen sei.

Stocker bestreitet dabei nicht, dass er sich vorab an Firmen wie Commtrain oder Investnet beteiligt hatte. Er streitet aber ab, durch die Nichtoffenlegung dieser Beteiligungen einen Betrug begangen zu haben. «Neu lautet der Hauptvorwurf an mich, dass ich die Gewinne, die ich durch meine privaten Investitionen in nur vier Transaktionen erzielte, an die Aduno beziehungsweise Raiffeisen hätte herausgeben sollen. Die Nichtherausgabe der Gelder sei eine betrügerische Handlung gewesen», erklärt Stocker den Vorwurf der Staatsanwaltschaft und entgegnet: «Die Frage ist aber, ob ich verpflichtet gewesen wäre, Gewinne, die ich privat erzielte, der Aduno beziehungsweise Raiffeisen herauszugeben. Ich denke, das ist nicht der Fall.»

Er streitet ab, dass er durch die privaten Beteiligungen einen Interessenkonflikt gehabt habe: «Ich habe stets im Interesse meiner Auftraggeber gehandelt. Ich habe bei bei allen vier Transaktionen jeweils früh auch die sehr grossen finanziellen Risiken mitgetragen, unternehmerisch und privat.»

Es habe auch keine Absprachen mit Vincenz darüber gegeben, dass Raiffeisen später Firmen, an denen beide beteiligt waren, übernehmen würde. «Das haben wir nie gemacht.»

Der Vorwurf des Spesenmissbrauchs

Die Staatsanwaltschaft wirft Vincenz und Stocker vor, private Ausgaben etwa in Nachtclubs über Spesen abgerechnet und sich somit bereichert zu haben. Stocker allein soll in sechs Jahren 16’835 Franken in Bars und Striplokalen mit der Geschäftskreditkarte ausgegeben haben.

Dazu sagt Stocker: «Wenn ich als CEO der Aduno (eine Kreditkarten-Firma, Anm. d. Redaktion) Kunden wie den King’s Club mit Gästen, Mitarbeitern oder Verwaltungsratskollegen berücksichtige, ist das meines Erachtens im Interesse der Aduno.» Und weiter: «Natürlich war ich auch einmal in Bars oder in Striplokalen, oftmals sind das die einzigen Orte, wo man spätabends noch ein Abendessen oder einen Drink nehmen kann nach einer Sitzung. Als CEO der Aduno ging ich zudem mit Gästen bewusst zu Aduno-Kunden wie dem King’s Club in Zürich.»

Sprich, wenn ein Etablissement Kreditkarten-Terminals von Aduno nutzt, ist ein Besuch im Etablissement ein Dienstbesuch für Aduno-Vertreter.

Das Verhältnis zu Vincenz

Pierin Vincenz, Ex-CEO Raiffeisen Schweiz, aufgenommen am 11. Septembern 2011 am Hauptsitz der Bankengruppe in St. Gallen.

Stocker geht spürbar auf Distanz zu seinem früheren Geschäftspartner Pierin Vincenz. Auf die Frage, ob die beiden Freunde seien, antwortet Stocker: «Das frage ich mich heute oft. Hätten Sie mich im Jahr 2015 gefragt, hätte ich sofort Ja gesagt. (…) Aber heute sehe ich es vielleicht etwas differenzierter. Uns verband wohl doch keine richtige Freundschaft, sondern vor allem das Geschäftliche und die Ideen, die wir entwickelten und teilten.»

Stocker beschreibt sich in dem Interview als erfolgreichen Berater und Unternehmer, der Vincenz immer mal wieder mit Geld aushelfen musste.

«Pierin hatte rund um seinen Rücktritt als CEO von Raiffeisen immer wieder Liquiditätsprobleme», sagt Stocker. «Im Ganzen kam es zu vier Darlehen. Insgesamt schuldet er mir heute fast 6 Millionen Franken.»

Interessant: Unter anderem war Vincenz laut Stocker knapp bei Kasse wegen missglückter Spekulationsgeschäfte. «2015 hatte er im grossen Stil mit Aktien und Optionen der Finanzboutique Leonteq gewettet. Diese hatte er, sagte er mir, bei 140 Franken gekauft, er war überzeugt, die Titel würden auf 400 Franken steigen.» Tatsächlich seien die Papiere dann bis auf 24 Franken gesunken.

Zur Zeit der fraglichen Geschäfte mit Leonteq-Titeln war Vincenz aber Verwaltungsrat bei Leonteq. Die Aussagen Stockers werfen damit die Frage auf, ob Vincenz versucht haben könnte, Insiderkenntnisse auszunutzen.