AusflugstippMit Volldampf zur Traumaussicht
Die Brienz-Rothorn-Bahn bedient nicht nur nostalgische Gefühle, sie ist auch ein touristisches Aushängeschild im Berner Oberland. Ein Blick hinter die Kulissen.
Wenn zu Spitzenzeiten am späteren Morgen zwei oder gar drei Züge an der Talstation der Brienz-Rothorn-Bahn (BRB) warten, weiss Bruno Zurbuchen mit Sicherheit, welche Komposition sich zuerst füllt. «Jene mit der kohlegetriebenen Dampflok», sagt der 53-jährige Berner Oberländer, der bei der BRB für die Technik, den Unterhalt der Züge und die Lokführer und Heizer verantwortlich ist. Der gelernte Schlosser kam vor 22 Jahren als Lokführer zur BRB, heute ist er Mitglied der Geschäftsleitung.
Dampfbahnen bleiben ein Faszinosum, lösen nostalgische Gefühle aus, begeistern Technik-Freaks und garantieren eine Auszeit im hektischen Alltag. Die Züge der Brienz-Rothorn-Bahn bringen eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 8,5 Stundenkilometern auf Schienen und Zahnradstangen, sie benötigen für die Fahrt von Brienz nach Rothorn Kulm auf 2266 Meter über Meer eine Stunde.
Der Chef steht im Führerstand
Ist Dampflokführer ein Traumberuf? Bruno Zurbuchen, der trotz seiner Cheffunktion regelmässig im Führerstand steht, gibt zu bedenken: «Man muss auf einer Dampflok einiges aushalten können. Rauch, Russ, Fett und Schmieröl hinterlassen Spuren. Nach der Arbeit heisst es: Ab in die Dusche!»
Die BRB-Lokführer sind auch versierte Handwerker. «Wir schweissen, nieten, löten. Das Wissen über unsere Loks wird von Generation zu Generation weitergegeben», erzählt Zurbuchen. «Wir revidieren sie in der Winterpause in unserm Depot. Für die alten Loks giessen wir sogar Ersatzteile.»
Die BRB besitzt acht Dampfloks. Vier stammen aus den 90er-Jahren; ihre Dampfkessel werden mit Heizöl befeuert. Unter den Dampfkesseln der zwei Maschinen der zweiten Generation aus den 30ern und der beiden Veteraninnen von 1891 glüht Kohle.
Die Dampfloks, welche die offenen roten Wagen auf der Bergfahrt vor sich herschieben, legen los mit Getöse und Gefauche. Im Führerstand der älteren Loks arbeitet auch ein Heizer. Alle 200 Meter schiebt er zwei Schaufeln Kohle in den Feuerschlund. 300 Kilo polnische Steinkohle gehen für eine Bergfahrt drauf, dazu viel Wasser aus zwei seitlich befestigten 1000-Liter-Tanks. Bruno Zurbuchen: «Der Lokführer muss sehr konzentriert und vorsichtig arbeiten.» Der Dampf aus dem Heizkessel erhitzt sich in den Heizschlangen von 200 auf 400 Grad Celsius, um dann im Zylinder die Kolben anzutreiben.
Die Passagiere bewundern derweil die grossartige Landschaft und das Panorama. Bis Planalp fährt der Zug durch lichten Wald, dann wird das Gelände offener und noch steiler. Der Brienzersee, der in der Sonne glitzert, erscheint mit jedem gewonnenen Höhenmeter kleiner. Eiger, Mönch und Jungfrau sind zum Greifen nah.
Die Brienz-Rothorn-Bahn zählt 131 Jahre. Im Grunde genommen überlebte der Dampfbetrieb, weil den Besitzern entweder das Geld für den Rückbau der Gleisanlagen oder für den Bau einer Seilbahn fehlte. «Heute sind die Dampfloks unser Alleinstellungsmerkmal», sagt Bruno Zurbuchen nicht ohne Stolz.
Die BRB ist die einzige kommerziell und fahrplanmässig betriebene Dampfbahn der Schweiz und ein Aushängeschild für das Berner Oberland. Sie befördert pro Saison 100'000 Touristinnen und Touristen.
Bruno Zurbuchen empfiehlt gerade an schönen Weekends und in der Hochsaison, Sitzplätze im Voraus zu reservieren. Das gilt insbesondere für Spezialarrangements, etwa für die Abendfahrten und das Vollmond-Dinner im Berghaus Rothorn Kulm.
Oder für den Dampfwürstlibummler (siehe Box): Dabei serviert der Lokführer beim Zwischenhalt auf der Planalp Würste aus einem Kochtopf, der seitlich am Kessel der alten Dampflok befestigt ist. «Früher haben Lokführer und Heizer dort ihr Mittagessen gekocht», schmunzelt Zurbuchen. «Wenn der Zugbegleiter anständig war, kriegte er auch was.»
Anderthalb Stunden fürs Aufheizen
An einem Spitzentag setzt die BRB sieben Loks ein. Die kohlebetriebenen Dampflokomotiven müssen am Morgen anderthalb Stunden vor der ersten Bergfahrt angefeuert werden, bei den Loks der dritten Generation reicht eine gute Stunde Vorlauf, um auf Betriebstemperatur respektive den erforderlichen Druck im Heizkessel zu kommen.
Am späteren Nachmittag: Die Ausflügler und Wanderer haben sich im umgebauten Berghaus Rothorn Kulm gestärkt und die Traumaussicht mit 693 Gipfeln bewundert. «Ab 16 Uhr wollen die meisten wieder nach Hause», sagt Zurbuchen. Nicht selten warten dann drei Züge an der Bergstation. «Und auch nach einem Tag mit viel Betrieb», sagt der Chef, «dürfen wir uns glücklich schätzen, einen so schönen Arbeitsort zu haben.»
Eine Zusammenarbeit der SonntagsZeitung mit der Brienz-Rothorn-Bahn.
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